Bild: Maria als Gottesmutter und Urbild der Kirche mit Jesus als „Frucht“ ihres Leibes vor dem Hintergrund einer Kathedrale mit achteckiger Kuppel: Byzantinische Kirche S. Pietro in Otranto (Apulien), Hafenstadt an der Adria.
Die Ordensfrau und Theologin Katharina Ganz, die bei der Schlussfeier zum 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt (16. Mai 2021) zur „Gerechtigkeit“ predigte (dazu s. u.), behauptet, Frauen in der katholischen Kirche seien „Wesen zweiter Klasse“, weil sie nicht die Priesterweihe erhalten können (Herder-Korrespondenz 5/2021, 37-40). Priester wären nach dieser Logik „Wesen erster Klasse“. Ist die römisch-katholische Kirche somit eine Zwei-Klassen-Gesellschaft?
„Geschlechtliche Männlichkeit“ als Bedingung des Priesterseins?
Die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen beginnt ihren Aufsatz „Wesen zweiter Klasse“ mit der provokanten Aussage: „Mit der konsequenten Weigerung, sie zu weihen, verletzt und diskriminiert die katholische Kirche Frauen zutiefst.“ „Verletzt und verwundet“ – heißt es in Anspielung auf das „Nein“ der Glaubenskongregation zur Segnung von homosexuellen Paaren –, würden auch die Gläubigen, „die wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt werden“. Zum Argument, dass die Kirche dazu „keine Vollmacht“ habe, wird festgestellt: „Im Gestus der Ohnmacht demonstriert der Vatikan – mit zunehmend verschärftem Ton – eine gewaltige Macht.“
Bereits in einem FAZ-Interview (13. Sept. 2019) sagte Ganz, die dem „Synodalen Weg“ angehört: „Frauen müssen die Machtfrage stellen.“ Die Kernfrage laute demnach: „Wie kommen wir zu einer geschwisterlichen Kirche, in der Männer und Frauen auf Augenhöhe Verantwortung wahrnehmen, den Anbruch des Reiches Gottes verkünden und dieses in der Nachfolge Jesu erfahrbar werden lassen?“ Und weiter: „Wer oder was hindert Frauen daran, in diesem Sinn zu leben und zu wirken? Kommunikation in der katholischen Kirche geschieht asymmetrisch von oben nach unten. Und die Deutungshoheit über das, was Kirche ist, haben ausschließlich geweihte Männer. Also müssen Frauen die Machtfrage stellen.“ Gibt es keine Theologinnen, Prophetinnen, Mystikerinnen und Frauen als „Kirchenlehrer“?
Die „geschlechtliche Männlichkeit“, so die Ordensfrau, könne nicht „eine notwendige Bedingung sein, um den Mann Christus zu repräsentieren, wenn umgekehrt die Kirche die Braut des Bräutigams Christi sein soll“. Denn: „Dann dürfte die Kirche doch nur aus Frauen bestehen. Wer meint, aus symbolischer Sprache Machtverhältnisse ableiten zu können, ist nicht gut beraten“ (s. dazu u.). Außerdem habe kein Papst „den Ausschluss von Frauen bisher als Dogma, also als unveränderlichen Teil des Glaubensgutes, definiert. Ein Votum eines Konzils oder einer Bischofssynode darüber gibt es nicht.“
Ist der Ausschluss der Frau vom Weiheamt (k)ein Dogma?
Letzteres behauptet auch der Münsteraner Dogmatiker Michael Seewald, für den der Ausschluss nicht nur kein Dogma ist, sondern auch die Tradition nicht auf seiner Seite habe, sondern lediglich den Katechismus der Katholischen Kirche von 1992 – damit sei diese „Tradition“ noch keine 30 Jahre alt. Dem hat der Bonner Dogmatiker Karl-Heinz Menke mit Verweis auf das ‚ordentliche Lehramt‘ der Kirche widersprochen. Alle Päpste seit dem Zweiten Vatikanum hätten von „einer irreversiblen Lebens- und Glaubenspraxis der Kirche“ gesprochen (Unwiderrufliche entschieden, in: DT, 14. Mai 2021).
Nach der Veröffentlichung des Lehrschreibens „Ordinatio Sacerdotalis“ (22. Mai 1994) habe Papst Johannes Paul II. allen, die noch Zweifel an der definitiven Gültigkeit der Entscheidung hatten, durch die Glaubenskongregation am 11. Dezember 1995 geantwortet: Die Lehre der nur Männern vorzubehaltenden Priesterweihe erfordere „endgültige Zustimmung, weil sie auf dem geschriebenen Wort Gottes gründet und in der Überlieferung der Kirche von Anfang an beständig bewahrt und angewandt, vom ordentlichen und universalen Lehramt unfehlbar vorgetragen worden ist (vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium 25,2). Aus diesem Grund hat der Papst angesichts der gegenwärtigen Lage in Ausübungen seines eigentlichen Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lukas 22,32), die gleiche Lehre mit einer förmlichen Erklärung vorgelegt in ausdrücklicher Darlegung dessen, was immer, überall und von allen Gläubigen festzuhalten ist, insofern es zum Glaubensgut gehört.“
Die auch von Michael Seewald geäußerte Annahme, „der Papst habe den Ausschluss der Frau vom Sakrament des Ordo zwar bekräftigt, aber nicht dogmatisiert, ist schlicht falsch“, so Menke. Ihm zufolge habe Benedikt XVI. „ausdrücklich erklärt, dass sein Vorgänger Johannes Paul II. nur deshalb auf eine feierlich definierende Dogmatisierung ‚ex cathedra‘ (außerordentliches Lehramt) verzichtet hat, weil er andernfalls das ordentliche Lehramt entwertet haben würde. Denn eine unfehlbare Lehre des ordentlichen Lehramtes ist nicht weniger unfehlbar als eine ‚Ex-cathedra-Definition‘ des außerordentlichen Lehramtes.“ Mit dieser „Klarstellung“ sei die Argumentation der Befürworter einer Frauenweihe hinfällig.
„Patriarchal-männerbündisch“ verfasste Kirche?
Das kann die Befürworter und -worterinnen freilich nicht überzeugen; denn für sie ist die Kirche „patriarchal-männerbündisch“ verfasst. Ganz sagte im FAZ-Interview: „Wenn die katholische Kirche feststellte, Männer und Frauen hätten nicht nur die gleiche Würde, sondern auch die gleichen Rechte – wäre das bei mehr als einer Milliarde Katholiken auf der Welt nicht ein unüberhörbares Signal für eine gerechtere, partnerschaftliche Welt?“ Weil keine Frauen geweiht würden, gebe es in zahlreichen Ländern „kaum noch junge Priester“. Das verändere die Kirche „vielleicht viel grundlegender als manches, was Frauen denken und wollen. Es können einfach keine Sakramente mehr gespendet werden. Die Kirche marginalisiert sich selbst.“
Laut Wikipedia wurde der Begriff „Männerbund“ 1902 von dem Volkskundler Heinrich Schurtz geprägt, „um die Initiationsrituale in Ostafrika zu beschreiben“. „In der Geschichte gab es ungezählte Gruppen, die bei Schurtz und in seiner Nachfolge als Männerbünde bezeichnet wurden. Meist waren die Priesterschaften und Kriegergruppen (z. B. Drushina, Jomswikinger, Templer und andere Ritterorden) Männerbünde. Die meisten Studentenverbindungen wie Burschenschaften und Corps zählen auch dazu. Oft waren auch Händlergemeinschaften (z. B. Hanse) männerbündlerisch organisiert. Es wird allerdings die Frage gestellt, ob diese Bünde wirklich Männerbünde im Sinne der ethnologischen Theorie Schurtz’ sind, oder homosoziale Gruppen.“
Der Wikipedia-Artikel verweist darauf, dass seit den 1970er Jahren „im Feminismus mit dem Begriff Männerbund bzw. männerbündische Gesellschaft Strukturen beschrieben (werden), in denen Männer durch indirekte Ausschlussverfahren Frauen den Zugang zu Positionen und Macht verwehren. Dieser Begriff ist eng mit der Beschreibung der Gesellschaft als Patriarchat verbunden.“ Die österreichische Rechts- und Politikwissenschaftlerin Eva Kreisky habe in der politikwissenschaftlichen Staatstheorie „den Begriff als brauchbare, wenn auch nicht unproblematische Analysekategorie geprägt“. Sie habe die im Staatsapparat historisch eingeschriebene „Männlichkeit als System“ herausgearbeitet, „die nicht als eine verschworene Gemeinschaft zu verstehen sei, sondern als die diskursiv festgeschriebene Hegemonie der (strukturellen) Männlichkeit“.
Das im Mysterium schon gegenwärtige Reich Christi
Nach der dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“ ist die Kirche nicht staatsanalog, sondern „das im Mysterium schon gegenwärtige Reich Christi“ (LG 3). „Um den Willen des Vaters zu erfüllen, hat Christus das Reich der Himmel auf Erden begründet, uns sein Geheimnis offenbart und durch seinen Gehorsam die Erlösung gewirkt.“ Anfang und Wachstum der Kirche „werden zeichenhaft angedeutet durch Blut und Wasser, die der geöffneten Seite des gekreuzigten Christus entströmten (vgl. Joh 19,34)“ (ebd.). „Blut“ und „Wasser“ stehen symbolisch für die Sakramente Eucharistie und Taufe, die die Kirche konstituieren, und zwar als neue Eva des neuen Adam Christus am Baum des Kreuzes; denn ihr Hervorgang aus der Seitenwunde des Erlösers entspricht dem „Bau“ der Ersten Frau aus dem im „Tiefschlaf“ liegenden Adam paradisus (Gen 2,21f; vgl. Sacrosanctum Concilium 5).
Nach ihrem eigenen Selbstverständnis ist die Kirche somit wesentlich ‚weiblich‘ und ‚bräutlich‘ im Gegenüber zu ihrem göttlichen Bräutigam, der sie mit seiner Liebeshingabe am Kreuz ‚erbaut‘, wie der Schöpfer die Erste Frau im Paradies ‚gebaut‘ hat (hebr. boneh, was auch der Begriff für den Tempelbau ist). Die Bibelwissenschaftlerin Simone Rosenkranz Verhelst schreibt zum Paradies: „Die Kombination Heiligtum – Tempel – Paradies durchzieht die frühjüdischen Paradiesvorstellungen wie ein roter Faden. (…) Der Garten Eden ist zusammen mit dem Berg Zion und dem Sinai ein Heiligtum, ja sogar das ‚Heilige des Heiligen‘, offenbar das bedeutendste der drei Heiligtümer“ (Zwischen Himmel und Heiligtum. Paradiesvorstellungen im Judentum und Christentum, in: Claudia Benthien/ Manuela Gerlof (Hg.): Paradies. Topografien der Sehnsucht, Köln u. a. 2010, 31-48, 35f).
Als „Heiligtum“ ist das Paradies „Urbild des Tempels“ (Hartmut Gese) und Urbild der Kirche, die in Gottes Heils- und Liebesplan von Anfang an das eigentliche Ziel der Schöpfung ist. Für den russisch-orthodoxen Theologen Sergej Bulgakow (1871–1944) ist Maria (als neue Eva) die „erste Hypostase“ der ersterschaffenen Weisheit und so „’als persönliche Offenbarung des Hl. Geistes’ zugleich das Zentrum der ganzen Schöpfung, das ‚Herz der Welt’ und ‚das Herz der Kirche, ihr gleichsam persönlicher Ausdruck’. Mehr noch: ‚In ihr ist die geschaffene Weisheit [vgl. Spr 8,22] mit der göttlichen vereinigt. Daher ist sie der Mittelpunkt der Kirche’“, die ihrerseits „das vorewige Ziel und die Grundlage der Schöpfung (ist) … Der Kirche wegen hat Gott die Welt erschaffen“ (vgl. Gisbert Greshake, Maria-Ecclesia, 2014, 340; Greshake bemerkt dort auch: „Es geht um die Frage, ob die Welt nur ein ‚kalter, gott-loser Existenzraum’ für den Menschen ist, oder ihm ‚Heimat’ sein kann …“).
Die Kirche als das wiederhergestellte Paradies
Um das Reich Gottes oder die „Königsherrschaft“ Gottes geht es in der Bibel von Anfang an, sie wird im Paradies schon realisiert, das daher der Ort der „Urgerechtigkeit“ und „Urheiligkeit“ des Menschen als „Bild Gottes“ ist (Weish 9,2; Eph 4,24). Dieser gottähnliche Status geht mit dem „Sündenfall“ am Baum verloren und wird mit Taufe und Eucharistie als Frucht vom Kreuz als neuem „Baum des Lebens“ in der Kirche wiederhergestellt. Im Weltkatechismus heißt es dazu:
„Die innere Harmonie der menschlichen Person, die Harmonie zwischen Mann und Frau und die Harmonie zwischen dem ersten Menschenpaar und der gesamten Schöpfung bildeten den Zustand der sogenannten ‚Urgerechtigkeit‘. Die von Gott dem Menschen von Anfang an gewährte ‚Herrschaft‘ über die Welt wirkte sich in erste Linie im Menschen als Herrschaft über sich selbst aus. Der Mensch war in seinem ganzen Wesen heil und geordnet, weil er von der dreifachen Begierlichkeit [vgl. 1 Joh 2,16], die ihn zum Knecht der Sinneslust, der Gier nach irdischen Gütern und der Selbstbehauptung gegen die Weisungen der Vernunft macht, frei war“ (KKK 376 und 377).
Diese ursprüngliche Selbstherrschaft und Freiheit will die Kirche als in Christus wiederhergestelltes Paradies vermitteln. Der Exeget und Mystiker Rupert von Deutz (um 1070–1129) sagt: „Schon vom Anfang her ist das Paradies gepflanzt; denn wie jeder weiß, ist die katholische Kirche von Christus, dem Anfang aller Dinge (principium omnium), gegründet worden.“ Der Jesuit und Konzilstheologe Friedrich Wulf ergänzt: „Die Stellen, an denen die Kirche ein Paradies genannt wird, sind überaus zahlreich“ (Geistliches Leben in der heutigen Welt, 1960, Kap. I: Das verlorene und wiedergewonnene Paradies Geistliches Leben in der heutigen Welt, 25-31, 25).
„Das irdische Paradies ist Vorausbild der Kirche, aber mit ihr kommt mehr noch das Eigentliche, wodurch das christliche Leben „eine doppelte Sinnrichtung erhält: es ist Hinausgehen aus dieser Welt und ebendarin die paradiesische Wiederherstellung dieser Welt. Das ist der Sinn aller Askese: die paradiesische Ordnung in Christus wieder zu erneuern“ (30).
Das irdische Paradies zeige, „wie der Himmel der Gnade schon vorweggenommen werden kann und wie das ‚himmlische Leben‘ auf Erden den Anfang und das Ende, die paradiesische Harmonie zwischen Natur und Gnade und die endgültige Vollendung im Neuen Himmel und auf der Neuen Erde miteinander verbindet“. Der vor allem durch „eine hohe Erkenntnis der göttlichen Dinge“ gekennzeichnete paradiesische Zustand gilt dann ähnlich „auch vom Paradies der Gnade. Das Wort Gottes sind die Evangelien. Sie sind das Paradies der Freude, das Gott gepflanzt. In seiner Mitte steht der Lebensbaum: Christus. Von ihm soll der Mensch essen, mit seinen Mysterien umgehen.“
Und weiter: „Mit ihm und in ihm hat Gott den Menschen wieder ins Paradies zurückgerufen. Auf ihn hin als seine Erfüllung war überhaupt das ursprüngliche Paradies geschaffen worden. (…) Wenn nun mit Christus und in Christus das Paradies zu seiner Vollendung gekommen ist, so sehr, dass in ihm das Paradies ganz neu, als ‚neue Schöpfung‘ (2 Kor 5,17), gegründet wurde, dann ist es in seiner geistig-himmlischen Wirklichkeit dem begnadeten Menschen schon jetzt zugänglich. Darum ist denn auch der Tauftag [ursprünglich in der Osternacht] in der kirchlichen Überlieferung der Tag des Eintritts, der Rückkehr des gefallenen Menschen in das Paradies. (…) Die Kirche ist zeichenhaft das Paradies Gottes in dieser Zeit, sie nimmt die Stelle des ursprünglichen Paradieses ein und das zukünftige schon vorweg“ (31).
Mit himmlischen Gaben beschenkte irdische Kirche
Wie das ‚Paradies‘ des Ursprungs ist auch die Kirche himmlisch und irdisch zugleich: „Die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst. Deshalb ist sie in einer nicht unbedeutenden Analogie dem Mysterium des fleischgewordenen Wortes ähnlich“ (LG 8).
Die Fleischwerdung des ewigen Schöpferwortes geschieht nicht isoliert und unabhängig von der Kirche, sondern immer schon im Hinblick auf das eucharistische Ein-Geist-und-ein-Fleisch-Sein von Christus und der Kirche im Sinn der Wiederherstellung und Erfüllung des mit der Erschaffung von Mann und Frau gemeinten ehelichen „Bundes“, der den neuen und ewigen Bund von Christus und der Kirche im Voraus darstellt (Eph 4,4; 5,31f). Die Eucharistie ist daher nicht nur Frucht vom Kreuz als „Baum des Lebens“ (Offb 2,7), sondern auch das antizipierte endzeitliche „Hochzeitsmahl des Lammes“ (Offb 19,9) mit dem himmlischen Jerusalem als „Braut“ und „Frau des Lammes“ (Offb 21,9), in dem auch das Paradies des Anfangs wieder da ist (Offb 22,1f).
Die Jungfrau Maria verkörpert vorweg die Kirche und das himmlische Jerusalem als „Frau“, mit der Sonne bekleidet und gekrönt mit den zwölf Sternen (Tierkreiszeichen, Stämme Israels), die auf dem Mond als Prinzip der natürlichen Geburt stehend der „alten Schlange“ des Paradieses den Kopf zertritt (vgl. Offb 12,1.9), wie die Tradition von Maria als Schlangenzertreterin sagt. Eben in diesem „Sieg“ über die Welt im Eins-Sein mit ihrem Sohn im wahren Glauben (vgl. Joh 16,33; 1 Joh 5,4) erweist sie sich als die neue Eva und Mutter der Kirche, an der der Wesen der Kirche abgelesen werden kann.
Eine „Leiche im Keller“ des Hauses der Kirche?
Die neuere Theologie und Exegese will dieses ‚alte Paradigma‘ der Theologie der Kirche und der Sexualmoral durch eine neues ersetzen und ablösen. Nach dem polnischen Dogmatiker Józef Niewiadomski (Innsbruck) müsse die Theologie heute „explizit Abschied“ nehmen „vom alten Paradigma der Unkeuschheit des verdorbenen Triebes!“ als Folge der „Ursünde“ Adams und dann der „Erbsünde“, die in der Taufe getilgt wird. Mit der Ursünde, der Heilsnotwendigkeit von Taufe/ Kirche und der typologisch-allegorischen Schriftdeutung sei dieses Paradigma die schon Verwesungsgeruch verströmende „Leiche im Keller“ der Kirche (Die Leiche im Keller. Zur Debatte um die Segnung homosexueller Paare, in: HerKorr 5/ 2021, 13-16).
Die so konfliktgeladene Auseinandersetzung um den Weg der Erneuerung der katholischen Kirche besonders im deutschsprachigen Raum geht letztlich um diese zwei gegensätzlichen und sich ausschließenden „Paradigmen“ der Theologie. Wenn es ein ‚Paradies‘ und einen ‚Sündenfall‘ nicht gibt beziehungsweise dieser ‚Fall‘ eigentlich das Erwachsenenwerden der Freiheit aus der kindlichen ‚Unmündigkeit‘ im Paradies als „Tiergarten“ meint (so schon die Denker und Dichter der Aufklärung wie Kant, Schiller, Herder, Goethe und Hegel), dann erübrigt sich auch eine ‚Erlösung‘ der durch die ‚Erbsünde‘ universal erlösungsbedürftigen Menschheit in Jesu Opfertod am Kreuz, mehr noch: dann erübrigt sich mit der Taufe auch die Kirche selbst.
Sie hat dann keine Leiche im Keller, sondern das ganze ‚Haus Gottes‘ ist dann nur noch das ‚Grab des toten Gottes‘, wie es Friedrich Nietzsche in seiner Zarathustra-Dichtung besingt: „Selbst Kirchen und Gottes-Gräber liebe ich, wenn der Himmel erst reinen Auges durch ihre zerbrochenen Decken blickt, gern sitze ich gleich Gras und rotem Mohne auf zerbrochenen Kirchen“ (Die sieben Siegel, 2). Im „Keller“ Zarathustras sind dagegen „wilde Hunde“, das heißt die ungebändigten Leidenschaften und „Teufel“, die aber zu „Tugenden“ und „Engel“ werden sollen: „Am Ende verwandeln sie sich zu Vögeln und lieblichen Sängerinnen“ (Von den Freuden- und Leidenschaften). In den „drei Verwandlungen“ (erstes Stück) wird der Mensch vom „Kamel“ (Du sollst) über den „Löwen“ (Ich will) zum spielenden (Gottes-)Kind als eines unschuldigen „heiligen Ja-sagens“ und „Neubeginns“, womit im Grund das realisiert werden soll, was die Taufe meint – freilich unter dem Vorzeichen der eigenen ‚Vollmacht‘.
Die Kirche ist noch auf dem Weg und doch schon am Ziel
Katharina Ganz versteht die Kirche nicht wesentlich von der Taufe und der Eucharistie her. Sie behauptet, das Zweite Vatikanische Konzil habe einen „Paradigmenwechsel“ vollzogen weg von der „Societas perfecta“ hin zum „pilgernden Gottesvolk“ (so schon der Jesuit Stefan Kiechle in den „Stimmen der Zeit“, vgl. CiG 26/ 2018, 282: Der Heilige Geist im Richtungskampf). Die Seelsorge werde nicht mehr auf „der Basis der Hirt-und-Herde-Metaphorik in einer hierarchisch-doktrinären Haltung verstanden als das ausschließliche Handeln von Klerikern an den Laien, sondern als Projekt und Auftrag des ganzen Volkes Gottes“. In der Feier der Sakramente handelt nicht der Kleriker an den Laien, sondern Christus, der „Hirt und Bischof eurer Seelen“, zu dem „ihr heimgekehrt“ seid“ (1 Petr 2,25), bedient sich des Priesters, um den Gläubigen seine Liebe sinnlich erfahrbar zu machen.
Wenn es einen „Paradigmenwechsel“ im Konzil überhaupt gibt, dann den zur allgemeinen Berufung zur Heiligkeit (vgl. Lumen gentium 39 – 42), also auch der „Laien“, die nie bloß passive Empfänger der Heilsgnaden waren und sind, sondern im Gegensatz zum Tauf- und Glaubensverständnis bei Martin Luther immer zur priesterlichen „Mitwirkung“ (paticipatio actuosa) an der Gnade aufgerufen sind: „Wie … am Priestertum Christi in verschiedener Weise einerseits die Amtspriester, andererseits das gläubige Volk teilnehmen und wie die eine Gutheit Gottes auf die Geschöpfe in verschiedener Weise wirklich ausgegossen wird, so schließt auch die Einzigkeit der Mittlerschaft des Erlösers im geschöpflichen Bereich eine unterschiedliche Teilnahme an der einzigen Quelle in der Mitwirkung nicht aus, sondern erweckt sie“ (LG 62, im Hinblick auf Maria als Urbild aller Gläubigen).
Kathrarina Ganz sieht mit Berufung auf Papst Franziskus im Bild des pilgernden Volkes Gottes „den zentralen und wichtigsten Kirchenbegriff des Zweiten Vatikanischen Konzils“. Das stellt aber eine folgenreiche Verkürzung dar, denn als die „Gemeinschaft der Heiligen“ und „himmlische Kirche“ ist sie nicht nur auf dem „Weg“, sondern immer auch schon am „Ziel“ angekommen und im „Hafen“ gelandet, wie die Kirchenväter sagen: „Die Kirche ist in jedem Augenblick ihrer noch irdischen Existenz gefährdet und sicher, auf der Fahrt und schon gelandet, teilhaft der Unverklärtheit des Herrn, dennoch teilhaft seiner zwar noch verborgenen, aber im Geschick der Kirche sich vollendenden Glorie. (…) Die Kirche ist also … immerdar in dieser Weltzeit auf Fahrt zu sich selbst hin…, oder wie es Beda [Venerabilis] in unvergleichlicher Prägnanz ausdrückt: Eccelsia gignit Ecclesiam [die Kirche gebiert die Kirche]“ (Hugo Rahner, Symbole der Kirche – Die Ekklesiologie der Väter, Salzburg 1964, 560f). Die Kirchenlehre des Konzils geht wesentlich auf die der Väterzeit zurück.
Die Frauenfrage und die Frage nach dem Willen Gottes
Als „Nagelprobe“ bezeichnet Ganz „die Frage nach Rolle und Stellung der Frauen in der katholischen Kirche“; an ihr entscheide sich ihre „Zukunftsfähigkeit“ und ihr „Platz … in der Welt von heute“. „Die Frauenfrage ist letztlich aber auch eine Gottesfrage. Es geht hier nicht weniger als darum, den Willen Gottes und Jesu Christi zu erfragen.“ Vollkommen „neue Einsichten“ und „neue Einstellungen“ seien hier wie auch bei anderen Fragen (etwa der Todesstrafe) möglich, auch wenn sie einen „Bruch“ mit dem bisherigen bedeuten. Herausgefordert sei die Kirche von den Erkenntnissen der Human- und Sozialwissenschaften. „Nach der Deutungshoheit über den Kosmos und die Gesellschaft verliert sie nun auch noch ihre Macht über die Ordnung der Geschlechter.“
Da klingt eine gehörige Portion Wissenschaftsgläubigkeit mit, wo die Theologie doch immer auch wissenschaftskritisch sein muss. Eine „Deutungshoheit über den Kosmos“ hat die Kirche nie besessen, das war immer Sache der Philosophie und Kosmologie, deren Erkenntnisse, allerdings auch Fehldeutungen (ptolemäisches Weltbild), die Kirche als grundsätzlich wissenschaftsoffen übernommen hat. Auch die nicht-kirchliche „Gesellschaft“ (die Soziologie ist eine sehr junge Wissenschaft) ist grundsätzlich ‚autonom‘, auch wenn das Verhältnis von Kirche und Gesellschaft (Staat) in den unterschiedlichen Epochen je neu auszutarieren ist. Die Kirche hat also nichts ‚verloren‘; die „Ordnung der Geschlechter“ untersteht auch nicht ihrer „Pastoralmacht“, sondern ist Sache der philosophischen Anthropologie und Metaphysik der Geschlechter, was weit mehr und anderes ist als „Humanwissenschaft“ (s. u.).
Wohl aber weiß die Kirche von der biblischen Offenbarung und ihrer Überlieferung, dass es einen göttlichen „Heilsplan“ für den als Mann und Frau geschaffenen Menschen und seine Welt gibt, der im „neuen und ewigen Bund“ von Christus und der Kirche kulminiert. Deshalb rekurriert Jesus, wo es um die Frage nach der Erlaubtheit der Ehescheidung geht, auf den Willen des Schöpfers im „Anfang“: „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (Mt 19,4-9). Die Ehe ist eine unauflösliche Verbindung von einem Mann und einer Frau zur gegenseitigen Liebe, Hilfe und Erzeugung von Nachkommenschaft – das ist der Wille Gottes von „Anfang“ an, an dem auch keine neueren humanwissenschaftlichen Erkenntnisse je etwas ändern können. Daraus ergeben sich dann auch Rolle und Stellung der Frau in Ehe und Familie sowie als Ordensfrau in der „neuen Familie“ Kirche, also derer, die „den Willen meines himmlischen Vaters“ tun und deshalb „für mich Bruder und Schwester und Mutter“ sind (Mt 12,50).
Wiederherstellung der verlorenen Gottähnlichkeit
Die Ordensfrau Ganz verweist auf die berühmte Aussage in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“: „Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“ (GS 22). Daraus folgert sie, die Kirche komme „nicht darum herum, die Menschen so, wie sie sind, ernst- und anzunehmen“. Die Kirche wendet sich wie Jesus natürlich allen Menschen zu, wie sie sind, das heißt als „Sünder“, denn deshalb sind sie ja erlösungsbedürftig. Die Ziffer 22 von Gaudium et spes handelt von Christus als neuem Adam und „Bild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15), der „zugleich der vollkommene Mensch (ist), der den Söhnen Adams die Gottebenbildlichkeit wiedergab, die von der ersten Sünde verunstaltet war“.
Die Menschwerdung hat also den Sinn, dem Menschen seine ursprüngliche und in der Ursünde verlorene Gottebenbildlichkeit oder Gottähnlichkeit wieder zu erwerben, ihn wieder logosförmig oder „gleichförmig“ dem „Bild des Sohnes“ zu machen, „der der Erstgeborene unter vielen Brüdern“ ist (Röm 8,29; ebd.). Der Mensch wird als Sünder zwar von Christus angenommen, aber nicht, um ihn so zu lassen, wie er ist, sondern um ihn heimzuholen in den ursprünglichen Zustand der vollkommenen Harmonie der „Urgerechtigkeit“ (s. o.). Davon ist bei Ganz nichts zu lesen; dafür heißt es gleich nach dem Hinweis auf GS 22:
„Junge Menschen halten es heute mehrheitlich für unzumutbar und völlig abwegig, einer Institution anzugehören, in der ihre Gaben, Kompetenzen und Berufungen nicht anerkennt werden und in der Menschen aufgrund ihres Geschlechts in ihren Möglichkeiten, einen kirchlichen Beruf, einen Dienst oder ein sakramentales Amt zu bekleiden, eingeschränkt werden.“ Übersehen wird: 1. Alle Gläubigen sind zur Heiligkeit berufen und damit zum Aufbau des Reiches Gottes in der Welt mit all ihren Charismen und Begabungen. 2. Alle kirchlichen Berufe und Dienst – abgesehen von solchen, die die Weihe verlangen – stehen allen getauften Frauen offen. Papst Franziskus hat jüngst den „alten Dienst“ des Katecheten als förmliches Laienamt in die Kirche wieder eingeführt, um auf diese Weise die Begabungen auch aller getauften Frauen in der Kirche noch mehr fruchtbar werden zu lassen. Ziel dieses Dienstes ist die missionarische Verbreitung des Glaubens zur Heimholung des Menschen ins ‚Paradies‘, nicht eine weltliche ‚Selbstverwirklichung‘.
Der „Bund“ als Grund für die Polarität der Geschlechter
Letztlich zielt die Argumentation von Ganz darauf, die eine entscheidende Aussage des Kirchenrechts zu entkräften: „Weiheämter sind an das biologische männliche Geschlecht gebunden.“ Von daher seien nur Männer zur sakramentale Repräsentanz Christi befähigt, „Frauen kommt dieser Platz [!] nicht zu“. Der „Erfahrungsweg“ (via empirica) zeige aber, „dass Gottes Geist in allen Getauften und Gefirmten wirkt und dies letztlich auch durch Sendung und Weihe anzuerkennen“. Das aber ist ja immer schon der Fall. Denn wer getauft ist, hat eine „Taufweihe“ empfangen und ist natürlich in die Welt zur Glaubensweitergabe an seinem jeweiligen Platz gesandt (zur „Taufweihe“ vgl. das Konzilsdekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis 12; zum gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen vgl. Lumen gentium 10 und 34). Die Taufweihe befähigt aber vor allem dazu, „Mitliturgen am gottgemäßen heiligen Dienst der Engel zu werden“ (Rainer Schwindt, Der Gesang der Engel. Theologie und Kulturgeschichte des himmlischen Gottesdienstes, Freiburg 2018, 188).
Diese eschatologische Perspektive ist der ganzen Argumentation völlig fremd, aber gerade sie ist entscheidend für die Kirche und ihre Sakramente. Nach Ganz und anderen „fühlen“ sich Frauen für das Diakonat oder Priesteramt „berufen“. Das bisher geltende „Nein“ bedeute „für die Betreffenden eine existentielle Zurückweisung“. Die viel grundlegendere Berufung zur Heiligkeit durch das Taufpriestertum und zur Teilhabe an der himmlischen Liturgie wird nicht erwähnt. Vielmehr wird unterstellt, dass die Berufung zum Weihepriestertum eine „von Gott geschenkte“ sei.
Wenn aber Gott, wie es das Lehramt seit jeher lehrt, den „Bund“ zwischen Schöpfer und Schöpfung sowie Christus und Kirche durch die Doppelgeschlechtlichkeit des Menschen repräsentiert sieht, dann wird Gott nicht seiner eigenen Geschlechterordnung widersprechen und Frauen zur Repräsentanz des ‚männlichen Pols‘ berufen. Die Schöpfung, sagt Paulus, liegt „in Geburtswehen“ (Röm 8,22), wie auch die ‚Erde‘ grundsätzlich ‚Mutter‘ ist (Adamah), weil der ‚himmlische Vater‘ als Ursprung und ‚Initiator‘ grundsätzlich als ‚männlich‘ und als ‚Vater‘ gedacht wird. Die evangelische Schriftstellerin und Religionswissenschaftlerin Sibylle Lewitscharoff hat für die Vorstellung Gottes als ‚männliches‘ Wesen „plausible Gründe“: „Das Weibliche ist bei praktisch allen Völkern und Kulturen stärker erdgebunden, einfach dadurch, dass die Frauen Kinder austragen und gebären. Die Männlichkeit steht demgegenüber für den abstrakten Weltzusammenhang. Wenn die göttliche Figur nicht mehr wie in der Mythologie menschenähnlich und geschlechtsspezifisch auftreten darf, dann leuchtet es ein, dass die männliche Form als die allgemeinere gewählt wird“ (Interview, „Spiegel“, 5. Mai 2018, 126-130).
Glaube und Liebe im Zeichen des „hochzeitlichen“ Bundes
Es wäre ein leichtes, religionsgeschichtlich diese Polarität der Geschlechter als Grundlage der Polarität von ‚Geist‘ und ‚Mater-ie‘ (Mutterstoff!) überall nachzuweisen. Die ‚Frau‘ repräsentiert biblisch deshalb nicht Gott, sondern die ‚(Frau) Welt‘ oder ‚gesegnete‘ Schöpfung, die in ‚guter Hoffnung‘ ist (vgl. Röm 8,20). Der ‚Mann‘ dagegen repräsentiert Gott als ‚Voraus‘ der Schöpfung, das heißt, auch als der die materielle Schöpfung ‚übersteigende‘ Geist oder die himmlische Geist-Seele (hebr. neschama). Von daher lässt sich dann auch verstehen, warum sich die „Schlange“ (Triebnatur) im Paradies an die Frau wendet und mit ihr einen ‚Dialog‘ beginnt, bei dem sie vor allem ‚Zweifel‘ sät: „Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?“ (Gen 3,1).
Das hat er natürlich nicht, aber mit dem Zweifel und Misstrauen beginnt auch schon der Bruch des Bundes, was den ‚Sündenfall‘ ausmacht. Demgegenüber erklärt das Konzil von Maria als neuer Eva: „Im Glauben und Gehorsam gebar sie den Sohn des Vaters auf Erden [!], und zwar ohne einen Mann zu erkennen, vom Heiligen Geist überschattet, als neue Eva, die nicht der alten Schlange [dem gefallenen Engel oder Teufel], sondern dem Boten Gottes [dem Engel des Herrn] einen von keinem Zweifel verfälschten Glauben schenkte“ (Lumen gentium 63).
Neue Eva ist aber auch die Kirche selbst, wenn Paulus sagt: „Denn ich liebe euch mit der Eifersucht Gottes; ich habe euch einem einzigen Mann verlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen. Ich fürchte aber, wie die Schlange einst durch ihre Falschheit Eva täuschte, könntet auch ihr in euren Gedanken von der aufrichtigen und reinen Hingabe an Christus abkommen“ (2 Kor 11,2f). Der biblische Glaube ist eine ‚Verlobung‘ mit dem Gott des Bundes, der in seiner ‚eifersüchtigen‘ Liebe keine ‚fremden Götter‘ neben sich duldet, weil Gott der Eine und Einzige ist, dem alle Liebe des Herzens allein gebührt (Dtn 6,4f). Mit der pfingstlichen Geistsendung wird diese Liebe in die Herzen der Gläubigen eingegossen (Röm 5,5); letztes Ziel für das gereinigte Herz ist aber die Schau Gottes (Mt 5,8) als ‚ewige Hochzeit‘, wie sie die Eucharistie als zentrales Zeichen des Bundes antizipiert. Ohne die Kategorie des (Ehe-)Bundes ist weder der biblische Gott, noch überhaupt die Bibel zu verstehen.
Die Ordination der Frau als entscheidende „Nagelprobe“?
Die Franziskanerin Ganz fordert von der Kirche, dass die in karitativen Tätigkeiten, in der Pastoral, Katechese und Verkündigung tätigen (Ordens-)Frauen „an der sakramentalen Sendung der Kirche“ teilhaben und ihre Teilhabe „sichtbar gemacht“ wird. Auch hier wird wieder übersehen, dass dies ja alles der Fall ist, denn jede sakramental Getaufte hat teil an der sakramentalen Sendung der Kirche. „Frauen zu weihen wäre sinnvoll, nützlich und notwendig.“ Wozu? Zu ihrer Teilhabe an der Sendung der Kirche haben sie alle ihre Taufweihe, ebenso die Männer, auch wenn sie nicht das Sakrament des Ordo empfangen. Eine Weihe, so Ganz, würde „zeichenhaft zum Ausdruck bringen und sakramental bestätigen, dass auch Frauen durch ihre Berufung, pastoral-professionelle Kompetenz und Beauftragung Christus repräsentieren können und am Heilsauftrag der Kirche mitwirken“.
Das alles ist für getaufte Frauen möglich und wirklich; aber es bleibt die Ordination als entscheidende „Nagelprobe“, gewissermaßen der Nagel im Fleisch der Frauen in der Kirche. Aber Frauen wollen natürlich auch keine „Notnägel“ sein in einer Kirche, die „ihre moralische Legitimität verloren“ hat und „radikal Mitglieder“ verliert. Vergessen wird zu sagen, dass dies bei der evangelischen Kirche keinen Deut besser ist, obwohl sie seit den 70er Jahren die ‚Frauenordination‘ eingeführt hat und seit Beginn des Jahrhunderts auch homosexuelle Paare segnet, ja homosexuelle Paare als Pfarrer erlaubt und besoldet. Damit ist also, was die Mitgliederzahlen betrifft, nichts gewonnen.
Es sei, so erklärt Ganz vollmundig, „weder theologisch noch soziologisch gerechtfertigt, Frauen in Lehre und Praxis als Wesen zweiter Klasse zu behandeln und zu benachteiligen“. In einem Umfeld der ‚Gleichberechtigung‘ „fühlt sich der innerkirchliche Ausschluss völlig anachronistisch an“. Die „Frauen im Gefolge Jesu“ seien auf seinem Weg zum Kreuz „aus Liebe und Mitgefühl bei ihm geblieben. Retten konnten sie ihn nicht.“ Frauen hätten nach der Auferstehung Jesu „nicht geschwiegen“. „Und mundtot zu machen waren sie auch nicht. Bis heute.“
Dass Jesus von den Frauen gar nicht „gerettet“ werden will, sondern umgekehrt als „Retter der Welt“ gerade durch sein Kreuzesopfer sie und die ganze Menschheit aller Zeiten von Sünde und Tod erlöst, kommt der Ordensfrau offenbar nicht mehr in den Sinn. Vor allem aber wird unterschlagen, dass der eigentliche Zeuge des Heilstodes des Erlösers und neuen Adam nicht die vier Frauen unter dem Kreuz sind (mit Maria), sondern der eine Lieblingsjünger: „Und der, der es [die Öffnung der Seite durch den Speer als unversieglicher Quell der Gnade] gesehen hat, hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr. Und er weiß, dass er Wahres berichtet, damit auch ihr glaubt“ (Joh 19,25.35). Das Zahlenverhältnis 1 (Gott) und 4 (Welt) repräsentiert den Bund, was die Bibel vom Anfang bis zum Ende durchzieht: die fünf Bücher der Thora (1 = Genesis), das Paradies (1 Quell – 4 Flüsse), der Mensch Adam, hebr. Adm, 1-4-40, der neue Adam Christus mit den fünf Wundmalen (1 Herzwunde – 4 Male an Händen und Füßen durch die ‚Nägel‘, vgl. Osterkerze), das Kreuz (1 Mitte – 4 Enden), die Verteilung der Kleider Christi (ein unzerteiltes Untergewand „ohne Naht“ – „vier Teile“ des Obergewands für die Soldaten: Joh 19,23f).
Kosmische (Zahlen-)Prinzipen des Männlichen und Weiblichen
Das chromosomale Geschlecht wird bei der Frau durch zwei X-Chromosomen und beim Mann durch ein X- und ein Y-Chromosom bestimmt. Die alten Kulturen ordnen dem Mann die ungeraden Zahlen 1 beziehungsweise 3 zu, der Frau die geraden Zahlen 2 und 4 (= 2²). Entsprechend gibt es drei Erzväter (Abraham, Isaak, Jakob), aber vier Erzmütter (Sarah, Rebekka, Rachel und Lea). Dasselbe gilt auch bei den Pythagoreern: „Die Drei bedeutet das männliche, die Vier das weibliche Prinzip und die Fünf deren geheimnisvolle Verbindung“ (als Kind-Prinzip) (vgl. Paul von Naredi-Rainer, Architektur und Harmonie. Zahl, Maß und Proportion in der abendländischen Baukunst, Köln 1982, 39). Bei der Zahl sieben (3 + 4) und zwölf (3 x 4) geht es um „die mystische Durchdringung der 3 als Zahl des Göttlichen und der 4 als Zahl der geschaffenen Welt“ (ebd. 42).
Drei (Geist) und vier (Materie) konstituieren die Sieben-Tage-Schöpfung. Die Juden feiern bis heute die Übernahme der religiösen Pflichten der jungen Frau mit zwölf Jahren (Bat Mizwa) und des jungen Mannes mit dreizehn Jahren (Bar Mizwa), wobei die 13 die 12 um 1 ‚übersteigt‘. 13 ist auch der Zahlenwert von ‚echad‘ (1-8-4), ‚einer‘, und von ‚ahawah‘ (1-5-2-5), ‚Liebe‘. 2 x 13 ist 26, der Wert von JHWH = 10-5-6-5, das heißt zweimal Liebe auf den zwei Tafeln des Bundes: Gottesliebe (5 Gebote) und Nächstenliebe (5 Gebote). 5 + 5 = 10 (analog 1) ist der Zahlensinn des Gottesnamens, der sich als Zahlenstruktur auch im alten China findet (im ersten ‚magischen‘ Weltquadrat mit 5 in der Mitte, verdoppelt zu 10).
In China stehen Yin (Mond) und Yang (Sonne) für die kosmischen (Zahlen-)Prinzipen des Männlichen und Weiblichen. Nach dem Sinologen Frank Fiedeler (1939–2004) konstituiert das weibliche Yin als Essenz des weiblichen Mondes die Sexualität des Körpers, wie auch nach Parmenides die ‚Mondgöttin Daimon‘ als ‚ersten der Götter‘ den Eros ersonnen hat: „Yin und Yang repräsentieren Zweiheit und Einheit – und damit zugleich die geraden und ungeraden Zahlen –, wie sie sich auch in den Formen der gebrochenen und der ungebrochenen Linie des Yijing (– – und –) [= 2 und 1] darstellen. Auf der anthropologischen Bedeutungsebene steht das Begriffspaar Yin-Yang … vor allem anderen für Weiblichkeit (Yin) und Männlichkeit (Yang). (…) Die Zweiheit konstituiert die Sexualität, die Einheit die Individualität“ (Yin und Yang oder: Die Absolute Polarität (Taiji), in: Peter C. Mayer-Tasch [Hg.], Die Zeichen der Natur. Natursymbolik und Ganzheitserfahrung, Frankfurt u. a. 1998, 215-269, 218-221).
Als „das heimtückischste Tier“ symbolisiert die Schlange den „tiefsten Yin-Geist“ an der Nahtstelle zwischen den zwei Jahreshälften“ (Hsiang-fan Hu, China – Land zwischen Himmel und Erde. Einführung in Philosophie und Weltsicht, Stuttgart 2008, 28). Die Christenheit feiert Ostern am ersten Sonn-tag nach dem Frühlingsvollmond als Symbol für die ‚Hochzeit‘ und die wiederhergestellte ‚Urharmonie‘ des kosmischen Prinzips des Männlichen (Sol) und des Weiblichen (Luna). Von daher dichtet dann der heilige Franziskus 1224 seinen „Sonnengesang“, in dem er „Bruder Sonne“ als „Sinnbild“ des „Höchsten“ (der Eins) preist und „Schwester Mond und die Sterne“ als „kostbar und schön“ (GL 19,2).
Sind alle Menschenkinder von Natur aus Kinder Gottes?
Beim 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt/Main vom 13. bis 16. Mai ‚predigte‘ Katharina Ganz beim Abschlussgottesdienst über die Frage der Gerechtigkeit am Beispiel von Abraham und Sarah: „In der Bibel werden Frauen nicht oft namentlich erwähnt. Es bedeutet viel: Sara ist genauso wichtig wie Abraham.“ Das stimmt so natürlich nicht. Bei Abraham geht es um den Bund der Beschneidung am männlichen Zeugungsglied als Zeichen. Abram ist 99 und Sarai ist 89 beim ‚Besuch‘ der ‚drei Männer‘, die die ‚übernatürliche‘ Geburt eines Sohnes verheißen, denn „Sara erging es längst nicht mehr, wie es Frauen zu ergehen pflegt“ (Gen 18,11). Nach Paulus wurde Isaak „kraft des Geistes gezeugt“ und nicht wie der ältere Bruder Ismael „auf natürliche Weise“ (Gal 4,23.29). Isaak ist damit Vorbild für die in der Taufe durch den Geist Gezeugten und Wiedergeborenen (V. 28 und V. 31). Ebenso Röm 9,8: „Nicht die Kinder des Fleisches sind Kinder Gottes, sondern die Kinder der Verheißung werden als Nachkommen anerkannt.“
Mit dem Bundeszeichen der Beschneidung wandelt sich der Name der Protagonisten, indem beide ein H (He = 5) in ihre Namen eingefügt erhalten: Aus Abram wird so Abraham, aus Sarai wird Sarah (Gen 17,5.15). Diese beiden He in der Mitte des Namens und am Ende entsprechen den beiden He im Gottesnamen JHWH, wobei das innere He für den Geist, das äußere He am Ende für die Welt steht. Bei der Geburt Isaaks ist Abraham 100, Sarah 90 Jahre alt (Gen 17,17; 21,5); Sarah stirbt unmittelbar nach dem gemeinsamen ‚Aufstieg‘ Abrahams und Isaaks zum Brandopfer auf dem Berg Mori-jah (= JHWH ist mein Lehrer) mit 127 Jahre (Gen 23,1).
Abraham ist beim ‚Aufstieg‘ folglich 137 und Isaak 37 Jahre alt. Die 37 übersteigt die 36 um Eins wie die acht (der ‚achte Tag‘) die sieben (den ‚siebten Tag‘) um Eins übersteigt. Die Summe der ersten 36 Zahlen ist 666 als Zahlensymbol für die reine Diesseitigkeit oder den ‚sechsten Tag‘ (Freitag, Venustag), an dem der Mensch männlich-weiblich analog zu den Landtieren erschaffen wird (Gen 1,24-28), aber als ‚achtes‘ Schöpfungswerk auf den ‚achten Tag‘ (Sonntag der Auferstehung) hin. Von daher ist die Erzählung von der Sieben-Tage-Schöpfung und von der Opferung Isaaks, die gewöhnlich moralische Empörung auslöst, Vorausbild für Tod und Auferstehung (vgl. Hebr 11,17-19), weshalb beide alttestamentlichen Texte liturgische Lesungen in der Osternachtfeier sind.
Bei Katharina Ganz ist davon keine Rede, sie folgert: „Abraham und Sara sind Erzeltern. Juden, Muslime und Christen verehren sie. Wir haben dieselben Wurzeln. Menschlich und religiös. Wir glauben an den einen Gott. Wir sind Menschenkinder und Kinder Gottes. Das macht uns weltweit zu Geschwistern.“ Das, was der Beschneidungsbund am „achten Tag“ und der Taufbund in oktogonalen Becken eigentlich besagen, nämlich die Wiederherstellung des im Sündenfall gebrochenen Bundes und damit der ursprünglichen Gottähnlichkeit, ja Gotteskindschaft des Menschen, wird auf diese Weise zum Verschwinden gebracht und damit auch der ganze Sinn der biblischen Erzählung.
Die „Menschenkinder“, behauptet Ganz, seien auch „Kinder Gottes“. Die Bibel sagt aber das Gegenteil: Durch die ‚Ursünde‘ Adams sind alle seine ‚Nachfahren‘ nur irdisch und nicht mehr himmlisch (1 Kor 15,44-49), sie sind gerade nicht mehr „Gotteskinder“, sondern „von Natur aus Kinder des Zorns“ (Eph 2,3; vgl. Weish 13,1). Erst durch den wahren Glauben und die Taufe werden sie wieder „Kinder Gottes“ und „Kinder des Lichts“ in „wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24; 5,8). Der biblische Glaube ist mitnichten derselbe wie der muslimische, lässt doch der Koran die entscheidende Grundlage der Gottebenbildlichkeit des Menschen gerade weg und macht ihn so zu einem bloßen ‚Knecht Gottes‘, der niemals Kind oder Sohn Gottes sein kann, wie ja auch Jesus für den Koran gerade nicht „Sohn Gottes“ ist.
Wie kommt Gottes Gerechtigkeit zum Durchbruch?
„Als Christinnen und Christen“, sagt Ganz, „glauben wir an Gottes Gerechtigkeit. Wir glauben, dass Gott neues Leben schenkt. Zum guten Leben aller beizutragen, ist der Auftrag unserer Kirchen. Sie selbst erneuern sich unabhängig von ihrem Alter. Dazu braucht es unsere Mithilfe: Indem wir menschengemachte Ungerechtigkeiten beseitigen. Einseitige männliche Herrschaft überwinden. Berufungen und Charismen aller Getauften und Gefirmten ernst nehmen. Überlebende von sexualisierter Gewalt in die Mitte stellen. Die Menschenrechte in den eigenen Reihen respektieren. Frauen den Zugang zu allen Ämtern und Diensten ermöglichen. Ein neues Miteinander zwischen den Geschlechtern und ökumenische Geschwisterlichkeit leben. Durch unseren Glauben und unser Handeln gestalten wir Kirche und Welt. So helfen wir Gottes Gerechtigkeit zum Durchbruch. (…) Ohne Wehen und Schmerzen wird es nicht gehen. Aber das Leben besiegt den Tod. Daran glaube ich.“
Von welchem Leben und von welchem Tod ist hier die Rede? Und von welcher Gerechtigkeit? Der sündlose Jesus kommt zu Johannes dem Täufer und lässt sich mit der ‚Bußtaufe‘ von ihm taufen, denn „nur so können wir die Gerechtigkeit (die Gott fordert) ganz erfüllen“ (Mt 3,15). Abraham lässt sich mit 99 Jahren beschneiden, weil nur dieses Bundeszeichen ihn „vollkommen“, „ganz“, „fehlerlos“, „makellos“ (hebr. tamim; Gen 17,1) macht, was die Befähigung zum vollkommenen Kult meint wie auch analog dazu die Taufe zur Eucharistie befähigt. Die gottgewollte Gerechtigkeit und Heiligkeit ist die des Adam paradisus im reinen Paradies-Tempel, die zugleich vollkommenes Eins-Sein ist (vgl. Gal 3,28).
So bringt die Beschneidung als Zeichen des Bundes und dann christlich universalisiert die Taufe als Zeichen des Neuen Bundes Gottes Gerechtigkeit wahrhaft zum Durchbruch, nämlich durch den Tod des der Sünde verfallenen Lebens hindurch zur Auferstehung und zur Anbetung Gottes „im Geist und in der Wahrheit“ (Joh 4,23; Röm 6). Das hat mit den Menschenrechten (der Französischen Revolution) oder dem Zugang von Frauen „zu allen Ämtern“ nichts zu tun. Die Taufweihe schenkt die Teilhabe an den ‚drei Ämtern‘ Christi, dem Königtum (Gerechtigkeit), Priestertum (Heiligkeit) und Prophetentum (Erkenntnis des Willens Gottes) und damit auch zur ‚Repräsentanz‘ Christi, aber innerhalb des ‚Leibes‘ (4) der Kirche, nicht zur Repräsentanz des einen ‚Hauptes‘ (1) im Gegenüber zur Kirche.
Hat Papst Franziskus ein „völlig überholtes Frauenbild“?
Die Befürworter einer Frauenweihe wollen die ‚gleichberechtigte‘ Teilhabe an ‚Macht‘ und ‚Herrschaft‘ in der Kirche. Die ZdK-Vizepräsidentin Claudia Lücking-Michel verglich beim Ökumenischen Kirchentag die Debatte um die Frauenweihe mit der Lage der DDR vor dem Mauerfall: Die Mauer des Nein zur Zulassung von Frauen zu allen Ämtern stehe zwar noch, aber sie werde zunehmend brüchig. Die Kirche könne es sich mit Blick auf die Gleichheit aller Menschen vor Gott nicht mehr leisten, die „Hälfte der Menschheit“ [!] von den wichtigsten Diensten und Ämtern auszuschließen. Auch für sie handle es sich beim Ausschluss von Frauen vom Weiheamt um eine reine Machtfrage. Der Publizist Andreas Püttmann kritisierte den DDR-Vergleich als „unhistorisch, unsensibel und destruktiv“. Zur „Machtfrage“ stellte er fest: „Theologische Argumente bei sich selbst zu monopolisieren und der Gegenseite bloß Machtmotive zu unterstellen, vergiftet das Klima“ (katholisch.de, 18. Mai 2021).
Verkannt wird vor allem, dass es beim besonderen ‚Weiheamt‘ in keiner Weise um weltliche ‚Herrschaft‘, sondern um einen geistlichen Dienst geht. Jesus sagt: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein“ (Mt 20,26f). Ähnlich sagt Paulus von den Amtsträgern: „Wir sind nicht Herren über euren Glauben, sondern Diener zu eurer Freude“ (2 Kor 1,24; vgl. 1 Petr 5,3). Das Priesteramt ist kein ‚Recht‘, deshalb ist seine Vorenthaltung auch kein Unrecht. Daher ist es irreführend zu sagen, die getauften Frauen wollen nicht nur die gleiche Würde, sondern auch die gleichen Rechte wie die geweihten Männer. Ein ‚Recht‘ auf die Priesterweihe haben auch die getauften Männer nicht, ohne dass dafür jemand auf die Barrikaden ginge.
Auf das Apostolische Schreiben Querida Amazonia (2. Febr. 2020) von Papst Franziskus reagierte die Theologin und stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands, Agnes Wuckelt, regelrecht wütend, weil es nicht die erhoffte Frauenweihe brachte: Es sei „unerträglich, dass die Amtskirche weiterhin Frauen gleiche Rechte [!] abspricht und sie aus biologistischer [!] Argumentation heraus zu Dienstleisterinnen degradiert“. Auch mit Blick auf die vom Papst erneut eingerichtete Kommission zur Erforschung des Frauendiakonats in der Kirchengeschichte, wovon sie nichts halte, wiederholte Wuckelt ihre Kritik am „völlig überholten Frauenbild“ des Papstes: „Dass es zwei generell unterschiedliche Formen des Menschseins gibt. Männer haben Christus zum Vorbild und Frauen Maria. Frauen ist die Nachfolge Jesu nur im Nachahmen des dienenden Wirkens möglich“ (Frauen und Corona, katholisch.de, 14. April 2020).
Dagegen zeigte sich die Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz und Missionsschwester vom Kostbaren Blut, Anna Mirijam Kaschner, „sehr froh über diese klaren Worte des Papstes zum ‚eigenen Charisma’ der Frau. In der Diskussion über das Priestertum der Frau, die ja zum Teil sehr vehement geführt wird, und sich auch in der Bewegung Maria 2.0 ausdrückt, empfinde ich den ‚Weihe-Neid’ der Frauen als entwürdigend. Ich möchte meine Stellung und meinen Wert als Frau in der Kirche nicht davon abhängig machen müssen, ob ich geweiht werden kann oder nicht. Ich denke, dass es unbedingt einer Stärkung der Rolle der Frau innerhalb der Kirche bedarf, insbesondere in Bezug auf die Öffnung von Leitungsämtern und -diensten für Frauen“ (Domradio Köln, 12. Febr. 2020).
Die eine göttliche Berufung aller Menschen
Letzteres geschieht ja längst, auch und besonders im Vatikan. Leitungsamt und Priesteramt ist aber nicht dasselbe. Der Priester verkörpert sakramental und ikonal Christus als den gekreuzigten „Blutbräutigam“ (Ex 4,26) der Kirche bei der eucharistischen Feier des neuen und ewigen Bundes, das heißt der antizipierten ewigen „Hochzeit des Lammes“ (Offb 19,7). Den göttlichen Bräutigam durch eine Frau verkörpern zu lassen, ist nur dann möglich, wenn man der ‚natürlichen‘ Geschlechter-Symbolik der Schöpfung und dem von Gott eingestifteten Sinn der Doppelgeschlechtlichkeit des Menschen als Vorausbildung des ewigen ‚hochzeitlichen‘ Bundes im „Heilsplan“ Gottes nicht vertraut. Wo die Genderideologie und die Homoeuphorie herrscht, da hat Gottes Herrschaft ausgedient.
Maria ist in der katholischen und orthodoxen Kirche die Größte aller Heiligen, „Königin der Engel“, ja „Königin des Alls“ (Lumen gentium 59), die „Allheilige“, die höher steht als jede andere Kreatur. Sie ist die „Schönste aller Frauen“, weil sie reiner Spiegel der Herrlichkeit und Schönheit des Allerhöchsten ist. Sie hat teil an der himmlischen Herrlichkeit ihres Sohnes und ist doch zugleich die demütigste Mutter der Menschen, auf deren „Niedrigkeit“ (humilitas) Gott schaut, weil er in ihr die ganze Erde (Humus) nach dem ‚Fluch‘ von Sünde und Tod wieder neu gesegnet hat „mit allem Segen seines Geistes“ (Eph 1,3).
Marias ‚Überschattung‘ mit dem Heiligen Geist, was an die Wolke der Gegenwart Gottes im Stiftszelt erinnert (Ex 40,34f), wird besonders in der Orthodoxie als Vorwegnahme von Pfingsten verstanden; die Theologin Marie-Louise Gubler schreibt: „Das Wirken des Geistes geht auch dem Christusgeschehen voraus und ermöglicht es. So wird das erste ‚Pfingsten‘ in der Verkündigung an Maria gesehen. Maria, von ‚der Kraft des Geistes überschattet‘, wurde als Theotokos, als Gottesgebärerin, Mutter des ewigen Lebens. Die Gottesmutterschaft ist jedoch nicht auf Maria beschränkt, sondern Berufung der ganzen Schöpfung. An Pfingsten entsteht die ‚Mutter Kirche‘, die die Geburt Jesu Christi in der Kraft des Geistes in seiner vollendeten Gestalt vorbereitet“ (Der Heilige Geist in der Orthodoxen Kirche, in: Diakonia 2/ 2005, 117-119, 117).
Nach Gaudium et spes 22 erschließt Christus als neuer Adam dem Menschen „seine höchste Berufung“, nämlich in Einheit mit ihm wieder dem Bild des Sohnes „gleichförmig“ zu werden (Röm 8,29) und „die Erstlingsgabe des Geistes“ zu empfangen (Röm 8,23), „durch die er fähig wird, das neue Gesetz der Liebe zu erfüllen“ (Rom 8,1-11). Durch diesen Geist „wird der ganze Mensch innerlich erneuert bis zur ‚Erlösung des Leibes‘ (Röm 8,23)“, der so wieder zum „Tempel des Heiligen Geistes“ wird (1 Kor 6,19). Da „Christus für alle gestorben ist und da es in Wahrheit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt, die göttliche, müssen wir festhalten, dass der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein“ (GS 22).
Klaus W. Hälbig
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