Übersicht (um zu einem Bibel-Impuls zu gelangen, bitte klicken)
Warum will Jesus Feuer auf die Erde werfen?
Warum ist Beten und Bitten keine Verschwendung von Zeit?
Warum ist nur der gekreuzigte Jesus der gute Hirte?
Warum feiert Fronleichnam keinen toten Leichnam?
Warum sind es drei und nicht vier göttliche Personen?
Warum wird mit der Geistsendung an Pfingsten die Kirche gegründet?
Warum fährt der Auferstandene erst nach 40 Tagen zum Himmel?
Warum wird Isaak nicht auf natürliche Weise gezeugt?
Warum darf Thomas die fünf Wundmale Jesu berühren?
Warum ist das geschlachtete Lamm der göttliche Bräutigam?
Warum reitet Jesus auf einem Esel in seine Stadt Jerusalem?
Warum ist das christliche Ostern im jüdischen Pascha vorgebildet?
Warum gleicht das Herz Mariens dem brennenden Dornbusch?
Warum erstrahlt Jesu Gesicht bei der Verklärung wie die Sonne?
Warum küssen sich Gerechtigkeit und Friede?
Warum dauert die vorösterliche Fasten- und Bußzeit 40 Tage?
Warum preist Jesus nicht alle Liebenden selig und segnet sie?
Warum wird Jesus 40 Tage nach seiner Geburt Gott übergeben?
Warum wurde Saulus zum Völker-Apostel Paulus berufen?
Warum verwandelt Jesus Wasser in Wein auf der Hochzeit zu Kana?
Bild: Jesus sagt: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen“ (Lk 12,49). Jesus ist kein Brandstifter – seine Jünger weist er streng zurecht, als sie ihn im Hinblick auf die ungastlichen Samariter fragen: „Herr, sollen wir befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet?“ (Lk 9,54f). Er ist auch nicht einfach ein neuer Prometheus, der das Feuer als Inbegriff der (Ess-)Kultur bringt, das für die Menschwerdung des Menschen (für die Entwicklung seines Gehirns) von größter Bedeutung war. An Pfingsten kommt das Geist-Feuer („in Feuerzungen“) auf die Kirche herab als erste „Epiklese“ (Herabrufung des Geistes auf die Opfergaben), die sich in jeder Eucharistiefeier wiederholt. Griechisch-orthodoxe Kirche des heiligen Konstantin und der heiligen Helena in Elounda, Kreta (der alte König am Boden in der Mitte zwischen den Zwölf Aposteln, die auch für die zwölf Tierkreiszeichen stehen, ist der personifizierte Kosmos).
Jesu Feuer ist das Liebesfeuer des Heiligen Geistes, der bei aller Feurigkeit, Lebendigkeit und Energiegeladenheit doch auch der Geist der Besonnenheit und Mäßigung ist (vgl. GL 343,4). In der ganzen Heiligen Schrift tritt Gott – durchaus sonnenähnlich – als liebender Bräutigam (Jes 62,5; vgl. Ps 19,6) und feuriger Liebhaber (Dtn 4,24) mit einem „feurigen Charakter“ und einer „feurigen Persönlichkeit“ in Erscheinung (Dominik Markl, Ein „leidenschaftlicher Gott“. Zu einem zentralen Motiv biblischer Theologie, in: Zeitschrift für katholische Theologie 2/2015, 193-205, 202). „Der leidenschaftliche Eifer des Herrn entbrennt immer dann, wenn Israel in Gefahr steht, seine Identität zu verlieren. Es ist also letztlich ein Eifer, der nicht vernichten, sondern retten will“ (Ludger Schwienhorst-Schönberger, „Ein eifersüchtiger Gott ist er“. Die biblische Rede von der Eifersucht Gottes: Zumutung oder Zusage?, in: Inspiration 3/2016, 16-22, 20). Klaus Berger spricht von der „‚archaischen‘ Pyrophanie des Heiligen Geistes“, die „sich mit dem ethischen Ansatz vom Geist (verbindet), wenn vom Feuer der Liebe die Rede ist“ (Geist Gottes, 2017, 95). Wenn Gott in einem Atemzug als ‚verzehrendes Feuer‘ und als ‚eifersüchtiger Gott‘ bezeichnet wird, dann ist sein leidenschaftlicher Feuereifer für das Zwölf-Stämme-Volk Israel (als Repräsentant seiner geliebten Schöpfung) der Eifer einer feurigen Liebe des Bundes, die gerade auch im Zentrum der neutestamentlichen Botschaft vom wiederhergestellten Bund im Kreuz Jesu und der Eucharistie als seiner Frucht steht. „Das Feuer – Esch (Aleph-Schin) – befindet sich im Zentrum des Bundes, der im Prinzip das Ungeschaffene mit dem Geschaffenen vereinigt. Bereschith (‚im Prinzip‘), das erste Wort der Genesis, von dem die hebräische Tradition sagt, es enthalte die ganze Thora, kann auch Berith-Esch gelesen werden: ‚Bund des Feuers‘. Dieses Feuer zeigt sich auf allen Ebenen der Vereinigung und in ganz herausragender Weise in der Mitte der Schmiede. Es ist das Leben selber. Es ist der Atem des Schöpferwortes…“ (Annick de Souzenelle, Le symbolisme du corps humain, 1999, Kap. XII.4). Die Vereinigung der Gegensätze von Feuer und Wasser (Geist und Materie), hebr. esch und majim, ergibt esch-majim, d. h. schamajim = Himmel (em-pyreum: Feuerhimmel).
Zum Bild: Beten ist Aufatmen der Seele, Unterbrechen des Alltags, Hören auf Gott statt unaufhörlich zu arbeiten. Maria und Marta stehen in der Tradition für das kontemplative und das aktive Leben (Lk 10,38-42). Beides ist nicht gegeneinander auszuspielen, aber in der Leistungsgesellschaft muss der Stellenwert von Kontemplation und Muße gestärkt werden. Die Bibel tut dies gleich in der ersten Schöpfungserzählung, wenn auch Gott nach der ‚Arbeit‘ der Welterschaffung einen besonderen Tag für die ‚Arbeitsruhe‘ festlegt und ihn ‚heiligt‘ (Gen 2,2f). Maria empfängt, ganz vom Heiligen Geist erfüllt, beim Beten im Betrachten des Wortes Gottes durch die Botschaft des Engels das lebendige Schöpferwort Gottes: Hans Multscher-Museum, Sterzing, Südtirol.
In der Neuzeit führt ein lineares Zeitverständnis zu einer Fortschrittsideologie, wodurch die Arbeit als bloßer Mittelgebrauch der alles beherrschende Begriff wird. Ausdruck des Nihilismus der Moderne ist „ihre Überhöhung des Arbeitsbegriffs“: „Die Moderne ist das Zeitalter des totalen Arbeiters und seiner Wandlung der Welt“ (Peter Koslowski, Philosophien der Offenbarung, Antiker Gnostizismus, Franz von Baader, Schelling, 2001, 842-849: Arbeit statt Schöpfung: der überarbeitete Arbeiter des Weltgeistes, 842). Die Verherrlichung der Arbeit und Überfrachtung „zum einzigen Konstituierungsprinzip“ der Subjektivität des Menschen hat ihren Grund in der Ablehnung des Begriffs der Schöpfung in der Philosophie des 19. Jahrhunderts. „Die Welt wird dem Gnostizismus des Idealismus zum bloßen Objekt der Arbeit des sich herausbildenden Geistes, das nur durch die Arbeit des Geistes wertvoll wird. Damit rückt die Arbeit in einem bisher unbekannten Maße in die Mitte des Seins“ (842) an die Stelle der religiös-kultischen Verehrung des Schöpfers, der durch den Menschen als „Demiurgen“ (846ff) ersetzt wird: „Der arbeitende Mensch als Erlöser der Welt, Erlöser seiner selbst und Erlöser Gottes erhebt sich über die Werke des Schöpfers. (…) Für Marx wie für Hegel gilt, dass der Mensch der Erlöser seiner selbst durch Arbeit ist“ (845). Gottfried Friedrich Wilhelm Hegel erklärte die (preußische) Schule und Universität als Stätten von Bildung und Geistesarbeit zur eigentlichen Kirche des Protestantismus; in Briefen an Niethammer (von 1810 und 1816) schreibt er: „Sie wissen selbst am besten, wie sehr die Protestanten auf gelehrte Bildungsanstalten halten; und diese ihnen so teuer sind als die Kirche… Unsere Universitäten und Schulen sind unsere Kirche“ (Rudolf Lennert, Art. Bildung, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. VI, 1980, 569-582, 575). Martin Luther, obwohl selbst Augustinermönch, schaffte im Zug der Reformation die Orden als Stätten von Gebet und Arbeit ab. 1782 ließ Kaiser Joseph II. alle kontemplativen Orden aufheben, die er als „unnütz“ erachtete. Auch das Gebet erscheint als unnütz und Verschwendung von Zeit. Jesus dagegen fordert zu einem beharrlichen Bitten auf im Vertrauen auf Gott (Lk 11,9-13), der die Gabe des Hl. Geistes schenkt als „Kraft aus der Höhe“ (Lk 24,49).
Bild: Die vier das Paradies durchströmenden Flüsse sind bei Ambrosius von Mailand Sinnbild für die vier Kardinaltugenden Gerechtigkeit, Klugheit, Tapferkeit und Zucht und Maß: „Also ist das Paradies gleichsam fruchtbare Erde, das heißt eine fruchtbare Seele, die in Eden, das heißt in der Wonne oder einem kultivierten Land, angelegt ist, in dem die Seele Lust empfindet. (…) Es gab eine Quelle zur Bewässerung des Paradieses (Gen 2,10). War diese Quelle nicht vielleicht der Herr Jesus Christus, der wie der Vater Quell des ewigen Lebens ist? Da geschrieben steht: ‚Weil bei dir die Quelle des Lebens ist‘ (Ps 36,10) und weiter: ‚Ströme lebendigen Wassers werden aus seinem Leibe fließen‘ (Joh 7,38; Jes 58,11)“ (Über das Paradies, 2013, 33). Romanische Miniatur eines Zwiefaltener Codex (um 1250) mit den vier Evangelisten und ihren Symbolen aus der Vision des Ezechiel vom kosmischen Thronwagen Gottes (Ez 1) und den vier Kardinaltugenden, personifiziert als Halbfiguren in den Medaillons in den vier Ecken.
Es bedeutet eine völlige Verkennung des Sinns des mit der Auferstehung untrennbar verbundenen Kreuzes, wenn aus der Kreuzestheologie gefolgert wird: „Nur ein toter Jesus ist ein guter Jesus“ (so Friedel Kriechbaum bei der Akademietagung Kreuz und Mandala im Okt. 2005 in Stuttgart-Hohenheim). Ähnlich äußerte sich der evangelische Theologe Klaus-Peter Jörns in einem Streitgespräch mit Kirchenpräsident Peter Steinacker: „Die Aussage, Jesus sei einen Sühnetod gestorben, stellt Jesu Verkündigung auf den Kopf. Frieden mit Gott haben wir nicht durch Jesu Blut, sondern durch Gottes freie Liebe“ (Streit um den wahren Gott, in: Publik-Forum 14/ 2006, 30-35, 35; vgl. Jörns, Notwendige Abschiede. Auf dem Weg zu einem glaubwürdigen Christentum, Gütersloh ³2006). Jesus beruft seine Jünger in seine Nachfolge als der Gekreuzigte: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk 9,23). Das Kreuz meint nicht einfach Leiden, sondern ‚Selbstverleugnung‘ in dem Sinn, dass der ‚äußere Mensch‘ der ‚Begierden und Leidenschaften‘ hinter den ‚inneren Menschen‘ zurücktreten soll und muss. Paulus sagt noch drastischer: „Alle, die zu Christus Jesus gehören, haben das Fleisch und damit ihre Begierden und Leidenschaften gekreuzigt. Wenn wir aus dem Geist leben, dann wollen wir dem Geist auch folgen“ (Gal 5,24f). Jesus ‚überliefert‘ den Geist zusammen mit ‚Blut‘ und ‚Wasser‘ aus seiner durchbohrten Seite (Joh 19,30.34); denn nur wenn Jesus fortgeht, das heißt stirbt, „wird der Beistand zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden“ (Joh 16,7). Jesu Tod ist deshalb die conditio sine qua non für das Kommen des lebenspendenden Geistes, der nicht das irdische-sterbliche Leben schenkt, sondern das himmlisch-unsterbliche oder ewige Leben. Der bleibende sprudelnde Quell dieses Geistes als göttliche Gnade ist das geöffnete Herz Jesu: „Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen. Damit meinte er den Geist…“ (Joh 7,28). Vier Ströme lebendigen Wassers fließen im Paradies aus dem einen Urquell der Weisheit Gottes und bilden eine Kreuzform mit dem makellosen Lamm Gottes in der heiligen Mitte, in dessen „kostbarem Blut“ (1 Petr 1,19) der neue und ewige Bund gestiftet wird. Als Lamm gibt der gute Hirte sein Leben hin für seine Schafe (Joh 10,11).
Bild: Mittelalterlich ‚Fronlichnam‘ ist der ‚lebendige Leib des Herrn‘ (Fron, Vogt), nicht ein toter Leichnam. Das „Hochfest des Leibes und Blutes Christi“ wurde im 13. Jahrhundert eingeführt. Dabei spielt die Vision von einer ‚befleckten‘ Mondscheibe eine große Rolle. Die Schlange im Paradies galt wegen ihres Sich-Häutens als Mondtier; Luna wiederum ist „Urgrund aller Geburt“ (Joh. Lydos), weil ihr Zyklus und Gestaltwandel Urbild für den Menstruationszyklus des Weiblichen (mit dem Leiblichen und Zeitlichen) ist, wobei Geburt und Tod reziprok sind. Eva wird deshalb aus Adams „Rippe“ (= Mondsichel) „gebaut“ und so zur „Mutter aller Lebendigen“ (Gen 3,20), ein Titel, den nach Sir 40,1 die mit Luna eng verbundene Erde (Terra, Gaia) trägt. Die am Gründonnerstag eingesetzte Eucharistie wird am zweiten Donnerstag nach Pfingsten noch einmal besonders in den Mittelpunkt gerückt – Fronleichnamsfeier 2022 in Rottenburg am Neckar mit Bischof Gebhard Fürst.
Die Eucharistie führt als Engels-Speise vom Himmel (vgl. Weish 16,20) aus der Vielheit und Vergänglichkeit der irdischen Materie heim zur Einheit und Unvergänglichkeit des himmlischen Geistes (Joh 6,27). Diese Heimkehr geschieht mit Ostern: Es vereint im luni-solaren Festkalender am ersten Sonn-tag nach dem Frühlingsvollmond auf höherer Ebene ‚hochzeitlich‘ die beiden gegensätzlichen Prinzipien Geist und Materie, kosmisch: Sonne und Mond (Sol und Luna). Dasselbe macht Fronleichnam sinnfällig: die weiße Hostie in der sonnenartigen Monstranz wird getragen von der Lunula (Möndlein). Das Hochfest geht zurück auf die mehrmalige Mond-Vision der jungen Augustinerchorfrau Juliana von Lüttich. Sie schaut im Jahr 1209 den Erdtrabanten mit einem dunklen Fleck oder „kleinen Bruch“ und bat „inständig den Herrn, ihr die Bedeutung zu offenbaren. Er eröffnete ihr, in dem Mond sei die Kirche dargestellt, die dunkle Stelle aber in der Scheibe deute an, dass noch ein Fest fehle, das er von allen Gläubigen gefeiert sehen wolle“ (Peter Browe, Die Verehrung der Eucharistie im Mittelalter, München 1933, 71). Papst Urban IV. (ihr Beichtvater) führte das Fronleichnamsfest 1264 universalkirchlich ein, erwähnt in der Bulle „Transiturus de hoc mundo“ Julianas Vision als Anlass aber nur indirekt; dafür erklärt er ausführlich den Sinn der Eucharistie: Sie ist „Genuss vom Baume des Lebens“, der Tod kommt vom „Genuss“ der „verbotenen Frucht“ vom Baum der Erkenntnis: „Der Genuss hat verwundet, der Genuss hat geheilt.“ Die alte Kirche verstand die Eucharistie als Umkehrung oder Aufhebung des Sündenfallessens (vgl. Offb 2,7). Nach Gregor von Nyssa hat der Mensch im Paradies „eine tödliche Speise genossen. Er muss daher ein Heilmittel in sich aufnehmen, wie derjenige, der Gift genommen hat, ein Gegengift empfangen muss. Dieses Heilmittel unseres Leibes ist kein anderes als der Leib Christi, der den Tod überwunden hat und die Quelle unseres Lebens ist und der durch Mitteilung seiner Unsterblichkeitskräfte den Schaden jenes Giftes wieder aufhebt.“ Marias „von keinem Zweifel verfälschter Glauben“ gegenüber der Verkündigung des guten Engels wiederum kehrt Evas Hören auf das Lügen-Wort der Schlange (gefallener Engel) um, die Zweifel an Gottes Güte sät (Gen 3,1; vgl. Lumen gentium 63). Als neue Eva (und ‚unbefleckte‘ geistliche Luna) zertritt sie – auf dem Mond stehend – der „alten Schlange“ den Kopf (Gen 3,15; Offb 12,1.9) durch ihre jungfräuliche Geburt als Urbild der Wiedergeburt in der Taufe.
Bild: Die drei göttlichen Personen Vater, Sohn und Heiliger Geist sind nicht drei Götter, sondern der eine Gott in lebendiger Beziehung. Der Psychologe Carl Gustav Jung hat anlässlich des Dogmas von der ‚Himmelfahrt Mariens‘ die Mutter Jesu als ‚vierte Person‘ vorgeschlagen, was statt der Trinität eine Quaternität ergäbe. Damit würde aus dem Monotheismus ein Pantheismus, weil Gott und Welt nicht mehr unterscheidbar wären. Sohn und Geist sind jeweils Schöpfungsmittler (wie im Alten Testament die Gestalt der Weisheit), während Maria die erlöste (Neu-)Schöpfung oder ‚neue Erde‘ verkörpert, die in der geschaffenen Weisheit/Sophia präfiguriert ist. Die Mutter Erde (Terra, Gaia) hat in der Mutter Gottes ihre Ursprungs- und Zielgestalt, ohne dass Maria selbst zur göttlichen Person wird. Drei himmlische Personen besuchen Abraham und Sarah, Kloster Aretíou, Kreta.
Durch sein Bekenntnis zum drei-einen Gott unterscheidet sich das Christentum von allen Religionen, insbesondere auch von den beiden anderen monotheistischen Religionen Judentum und Islam.
Verborgen und verschattet findet es sich eine trinitarische Vorstellung aber doch in gewisser Weise im Alten Testament sowie beispielsweise auch im alten China. Dort durfte nur der Kaiser als
‚Sohn des Himmels‘ das Opfer zur Versöhnung von ‚väterlichem‘ Himmel und ‚mütterlicher‘ Erde darbringen. Der chinesische Autor Hu Hsiang-fan vergleicht dieses chinesische „Prinzip der Dreiheit“
von Himmel, Mensch und Erde mit der christlichen Trinität. Allerdings widersprechen sich seiner Meinung nach die (vermeintliche) ‚Unterwerfung’ der Erde im Christentum und ihre religiöse
Verehrung als ‚Mutter’ in China (China – Land zwischen Himmel und Erde. Einführung in Philosophie und Weltsicht, 2008, 16f; 33f). Der in Taipeh/Taiwan lebende Jesuit Luis Gutheinz schreibt
dazu: „Das chinesische Grundparadigma (Himmel – Erde – Mensch) als Leitidee für eine theologische Vision zu übernehmen, darf bereits als ein Schritt der theologischen Inkulturation gelten“
(Chinesische Theologie im Werden. Ein Blick in die Werkstatt der christlich-chinesischen Theologie, 2012, 82). Durch die Reihenfolge Himmel – Erde – Mensch entgeht Gutheinz die mögliche
trinitarische Bedeutung dieser Grundformel, die er vielmehr im Taiji-Symbol (Yang-Yin-He) sieht (85-87). Zahlensymbolisch steht die Eins = Aleph für die eine Gottheit, während die Zwei = Beth
(Haus) die endliche Welt in ihrer gegensätzlichen Dualität darstellt (das Schriftzeichen für Beth ב zeigt einen oberen und unteren
Balken oder Himmel und Erde, die mit der rechten Vertikalen verbunden sind). Aleph ist ausgeschrieben 1-30-80 = 111, was sich als trinitarisches Symbol lesen lässt: Vater = 1, Sohn = 10, Hl.
Geist = 100, zusammen 111. Dass Gott Abraham und Sarah in drei Gestalten oder Engel besucht (Gen 18), ist immer als Vorausbild der Trinität
verstanden worden. Bei Ezechiel gewinnt der Geist (Ruach) eine gewisse Eigenständigkeit, in der Weisheitsliteratur die Weisheit (Sophia), die mit dem Logos identifiziert wird. Platon bezeichnet
den Logos als „zweiten Gott“ (vgl. Folker Siegert, Der Logos, „älterer Sohn“ des Schöpfers und „zweiter Gott“, in: Kontexte des Johannesevangeliums: Das 4. Evangelium in religions- und
traditionsgesch. Perspektive, 2004, 277-293).
Bild: Mit Sturm und Feuer kommt der Gottesgeist auf die Apostel (mit Maria in ihrer Mitte) herab – die Geburtsstunde der Kirche ist eine Theophanie (Apg 2,1-4). Die Orthodoxie versteht sie als Epiklese, als Herabkunft des Geistes auf alles Fleisch wie bei jeder Eucharistie, wo der erbetene Geist die eucharistischen Schöpfungsgaben Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt. Brot und Wein stehen stellevertretend für die ganze Schöpfung mit ihrer sichtbaren und unsichtbaren Seite. Sie ist es, die verwandelt werden soll, so dass sie die würdige Wohnstatt ihres Schöpfers wird, was bei Maria und ihrem Ja-Wort im Glaube zur ‚Einwohnung‘ des Schöpferwortes schon vorweg der Fall ist. Die pfingstliche Kirche und ihr österlicher Glaube stehen im Dienst dieser Verwandlung. Pentecoste (= 50. Tag) mit den vom Geist erleuchteten zwölf Aposteln, einem Kirchengebäude und dem gekrönten Kosmos im schwarzen Zentrum (als ehrwürdiger bärtiger Mann), der durch den Pfingstgeist zur neuen Schöpfung wird; orthodoxe Kirche von Elounda im Osten von Kreta.
Pfingsten, der „50. Tag“ nach Ostern, ist der krönende Abschluss des Osterfestkreises. „Die Osterzeit dauert fünfzig Tage von Ostersonntag bis Pfingsten, wird aber in der Liturgie wie ein einziger Festtag gefeiert“ (GL 317). Die Zahl 50 übersteigt die sieben Wochen (7 x 7 = 49) um Eins analog zur Zahl 8 des ‚achten Tages‘ (Sonntag) der Auferstehung als Symbol der kommenden Wlt, welche die Sieben-Tage-Schöpfung übersteigt. Besonders die Orthodoxie versteht das Pfingstfest als die Offenbarung des Geistes und damit der Dreifaltigkeit Gottes. „Die Trinität ist ein Glaubensmysterium im strengen Sinn, eines der ‚in Gott verborgenen Geheimnisse… die, wenn sie nicht von Gott geoffenbart wären, nicht bekannt werden könnten“ (KKK 237). Der feurige Pfingstgeist ist die Kraft des Glaubens und die innere Seele der von ihm genährten geisterfüllten Kirche, in der „alle Gerechten von Adam an, ‚von dem gerechten Abel bis zum letzten Erwählten‘ [Gregor der Große], … versammelt werden“ (Lumen gentium 2). Die Kirche ist „das im Mysterium schon gegenwärtige Reich Christi“ (LG 3) und deshalb schon von Anfang an im Heilsplan Gottes vorgesehen. Der Exeget und Mystiker Rupert von Deutz (um 1070–1129) sagt: „Schon vom Anfang her ist das Paradies gepflanzt; denn wie jeder weiß, ist die katholische Kirche von Christus, dem Anfang aller Dinge (principium omnium), gegründet worden“ (zit. nach Friedrich Wulf, Geistliches Leben in der heutigen Welt, 1960, 25, Anm. 29). Friedrich Wulf betont: „Die Stellen, an denen die Kirche ein Paradies genannt wird, sind überaus zahlreich“ (25, Anm. 27). Das irdische Paradies ist Vorausbild der Kirche, aber mit ihr kommt mehr noch das Eigentliche, wodurch das christliche Leben „eine doppelte Sinnrichtung erhält: es ist Hinausgehen aus dieser Welt und ebendarin die paradiesische Wiederherstellung dieser Welt. Das ist der Sinn aller Askese: die paradiesische Ordnung in Christus wieder zu erneuern“ (30) – mit dem Kreuz als neuem Baum des Lebens im Zentrum: „Christus selbst ist der Baum des Lebens im neuen Paradies [der Kirche], von dessen Früchte die Gläubigen essen dürfen, die heilige Eucharistie, die vor dem Tod bewahrt“ (Rupert, Kommentar zum Hohelied der Liebe). Vom Lebensbaum Christus „soll der Mensch essen, mit seinen Mysterien umgehen“ (Rupert, zit. 31). Wie die Taufe als Eingliederung in die Kirche und in den Glauben als „Erleuchtung“ verstanden wird (vgl. KKK 1216), so erleuchtet auch die Herabkunft des Geistes alle Gläubigen.
Bild: Mit seiner Rückkehr zum himmlischen Vater wird der Sohn Gottes als ‚Kyrios‘, als Herr der Welt in aller Öffentlichkeit eingesetzt. Jetzt erst wird mit der Geistsendung am „50. Tag“ (pentecoste = Pfingsten) die Kirche auf dem Fundament der zwölf Apostel und der Propheten gegründet (Eph 2,20), die auch im himmlischen Jerusalem ihr Symbol hat (Offb 21,14). Die Apostel sind als Zeugen von Auferstehung und Himmelfahrt der „Grund“ der Kirche (Petrus ist der Grundstein: Mt 16,18), aber nicht Teil; sie gehören „nicht eigentlich in die ekklesia“ (E. Peterson, Ekklesia, 2010, 72). Himmelfahrt Jesu, Wandteppich, Vatikan.
Nur Lukas berichtet von einer Aufnahme des Auferstandenen vor den Apostel als Augenzeugen 40 Tage nach Ostern in den Himmel (Apg 1,3): „Eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken“ (V.9). Schon am Ende des Lukasevangeliums heißt es: „Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben; sie aber fielen vor ihm nieder“ (Lk 24,51f). Die Zahl 40 steht in der Bibel für die Zeit überhaupt: Israels Wüstenzug dauert 40 Jahre, Mose ist 40 Tage auf dem Berg Sinai; König David regiert 40 Jahre; bei der Sintflut ist mehrfach vom Zeitmaß 40 Tage die Rede. Der 13. Buchstabe Mem hat den Zahlenwert 40; hebr. majim ist das Wasser als Symbol der Zeit, die als ‚linke Seite‘ des Gerichts und des Weiblichen der rechten Seite des Lichts, der Gnade und des Männlichen gegenübersteht. So beginnt die erste Schöpfungserzählung mit dem einen Licht (Gen 1,3), die zweite ist charakterisiert durch die Frau, die mit der männlichen Schlange (hebr. nachasch) einen Dialog führt, während der Mann schweigt und dann passiv die ihm gereichte Frucht isst (Gen 3,1-6). In den Zahlen 4, 40 und 400 (die Zeit der Jahre Israels in Ägypten: Gen 15,13) äußert sich „stets die ‚Zeit dieser Welt‘“ (F. Weinreb, Schöpfung im Wort, ³2012, 135). Der 4. Buchstabe Daleth (= 4), in Zahlen 4-30-400 = 434, bedeutet auch „Tür“; rückwärts gelesen wird daraus Toled: Geburt; toledoth sind die Stammbäume. Der Auferstandene geht durch verschlossene Türen (Joh 20,19), so auch schon bei seiner Jungfrauengeburt, so wie die Herrlichkeit des Herrn durch das verschlossen bleibende Osttor des Tempels wieder einzieht (Ez 43,1f; 44,1f). Bei Jesu Fleischwerdung sehen seine Jünger seine „Herrlichkeit“ (Joh 1,14), die dann in der ‚Erhöhung‘ am Kreuz aufscheint: „Ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32), zahlensymbolisch: von der Vier wieder zur Eins des Himmels (in der Summe 5, 50 und 500 als Zahl der Auferstehung: 1 Kor 1,6). So ist Jesus selbst die „Tür“ (Joh 10,9) als Verbindung von 4 zu 1 (40 zu 10, 400 zu 100) oder Geist und Materie. Darin besteht der Bund, in den Adam (a-d-m = 1-4-40) eingesetzt ist. Er wird im Sündenfall gebrochen, in der Erlösung wiederhergestellt. Der Auferstandene durchmisst in den 40 Tagen die ganze Welt, so wie er zuvor 40 Stunden im Reich des Todes ist: 4 Stunden am Karfreitag (einschließlich der Todesstunde) plus 24 Stunden am Ostersamstag plus 12 Stunden bis zum Ostermorgen um sechs Uhr = 40 Stunden (so schon Augustinus).
Bild: Vor dem Besuch Gottes in Gestalt von „drei Männern“ (Engel) bei Abraham und Sarah (Gen 18) wird der Bund wiederhergestellt im Zeichen der Beschneidung am ‚achten Tag‘ (jenseits der Sieben-Tage-Schöpfung); dabei erhalten Abram und Sarai jeweils den 5. Buchstaben He aus dem Gottesnamen JHWH in ihre Namen eingefügt, so werden sie zu Abraham und Sarah (Gen 17,5.15). Der Gottesname JHWH wird Mose erst im nicht verbrennenden Dornbusch offenbart (Ex 3), was christlich Vorausbild für die jungfräuliche Empfängnis Jesu (= JHWH rettet) ist. Vorgebildet ist diese auch in der ‚übernatürlichen‘ Geburt Isaaks. Patriarchen-Fenster im Alten Chor von St. Martin, Cochem an der Mosel, 2009 gestaltet von Graham Jones (Farbe) u. Patrick Reyntiens (Figuren); der obere Teil zeigt Mose mit dem Dornbusch.
Der zweite der drei Erzväter, Isaak, ist ‚Sohn der Verheißung‘ von Abraham und Sarah, den sie im hohen Alter von 99 bzw. 89 Jahren erst nach dem Besuch der „drei Männer“ erhalten, die als Engel oder symbolischer Hinweis auf die drei göttlichen Personen der Trinität verstanden werden (Gen 18,1-33). „Sara erging es längst nicht mehr, wie es Frauen zu ergehen pflegt“ (V.11); wegen ihres Alters lacht Sarah „still in sich hinein“ bei der Ankündigung von der Geburt eines Sohnes (V.12). Für Paulus bedeutet dies, dass Isaak im Unterschied zu seinem Halbbruder Ismael „kraft des Geistes gezeugt“ wurde und nicht auf natürliche Weise (Gal 4,29). Die zwei Söhne Abrahams, Ismael und Isaak, von zwei verschiedenen Frauen, der Sklavin Hagar und Sarah, sind Sinnbild des Alten und des Neuen Bundes wie die beiden Städte, das gegenwärtige und das obere Jerusalem (Gal 4,21-27). Nur das himmlische Jerusalem ist „die Freie“ (V.31) und „unsere Mutter“ (V.26). Weil Zeugung/Geburt und Tod reziprok sind, können auf sexuellem Weg keine unsterblichen Gotteskinder gezeugt werden. Deshalb ist die Aussage falsch, im Paradies „war Eva dazu bestimmt, der Menschheit auf dem Weg der Zeugung den Gnadenschatz der Erhöhung des Menschen zur Gotteskindschaft zu übertragen“ (Stefano Manelli Biblische Mariologie, 2018, 57). Kind Gottes wird man durch die Wiedergeburt der Taufe, die in der Beschneidung am ‚achten Tag‘ als Zeichen des Bundes vorausgebildet ist. Sie ist zuerst ein „Exorzismus“ (KKK 1237) in der Absage an den Satan: „Widersagt ihr dem Satan, dem Urheber des Bösen?“ (GL 573,8). Jesu Sieg am Kreuz über Sünde, Tod und Teufel beginnt schon mit seiner Jungfrauengeburt aus Maria, der neuen Eva, als Zeichen der Auferstehung und Urbild der Taufgeburt: „Jesus, der neue Adam, leitet durch seine jungfräuliche Empfängnis die neue Geburt ein, die im Heiligen Geist durch den Glauben Menschen zu Kindern Gottes macht. (…) Dieses [neue] Leben wird jungfräulich empfangen, denn es wird dem Menschen gänzlich durch den Geist geschenkt. Der bräutliche Charakter der Berufung des Menschen durch Gott ist in der jungfräulichen Mutterschaft Marias vollkommen verwirklicht“ (KKK 505). „Maria ist Jungfrau, weil ihre Jungfräulichkeit Zeichen ihres Glaubens ist, ‚der durch keinen Zweifel verfälscht war’ (Lumen gentium 63), und wegen ihrer ungeteilten Hingabe an den Willen Gottes“ (KKK 506). Das himmlische Jerusalem als Mutter und Braut des Lammes ist in Maria vorgebildet.
Bild: Die katholische und orthodoxe Form des Christlichen ist ausgesprochen bilder-, sinnen- und leibfreundlich. Dabei wird nicht die verborgene Geistseele vernachlässigt, sondern Liturgie und Institution (Kirchenrecht) zielen auf eine Verleiblichung des Unsichtbaren. Die im Credo genannte eine und heilige Kirche ist nicht nur die unsichtbare, sondern auch und notwendig die sichtbare, weil der Mensch eine Ganzheit von Leib und Seele ist. Die Erlösung geschieht leibhaft in Jesu Leben, Sterben und Auferstehen, in dem er zeigt, dass der Leib „zur himmlischen Hochzeit berufen“ ist (Eugen Mederlet, Die Hochzeit des Lammes, 1983, 184). Thomas berührt die fünf Wundmale Jesu, romanische Wandmalerei in St. Jakob in Kastelaz, Tramin, Südtirol.
Thomas will ‚handfeste‘ Beweise für die Auferstehung Jesu (Joh 20,24-29); dessen verklärten fünf Wundmale bewahren seine Liebeshingabe für die Welt (Joh 3,16) am Kreuz in alle Ewigkeit. Um den Auferstandenen in seiner neuen Geist-Leiblichkeit mit den Sinnen wahrnehmen zu können, braucht es die spirituelle Erkräftigung der Seele durch den Geist, so dass sie ihre im Sündenfall verlorene integrale Einheit zurückgewinnen. Nach dem hl. Bonaventura (1221–1274) wird die Seele dann wieder zur Braut Christi, wenn sie ihre geistliche Sinnlichkeit wieder ausbildet: „Hat die Seele die Sinne wieder erlangt, kann sie wie die Braut im Hohelied singen, die ihren Bräutigam sieht und hört, riecht, schmeckt und umfängt“ (Itinerarium IV, 3). Über die fünf Sinne in Entsprechung zu den fünf Elementen bei Bonaventura schreibt Hans Urs von Balthasar: „Erde zu Getast, Wasser zu Geschmack, Luft zu Gehör, Feuer (Dampf) zu Geruch, Quintessenz (Licht) zu Gesicht, wobei hinzuzufügen ist, dass, wie die Elemente selbst (wieder nach Augustinus) aus verschiedenen Mischungen des Lichts mit der Materie sich diversifizieren, so die fünf Sinne Abstufungen eines einzigen Grundvermögens, der Schau, sind. Die Schau ist der geistigste Sinn, das Getast der materiellste. Die drei mittleren zwischen Wurzel und Krone des Sinnenbaumes lassen die mittleren Mischungen ein“. „Hier wird der geistliche Sinnenbaum auf die ganze Höhe der Offenbarungsgestalt Gottes bezogen“ (Herrlichkeit II/1, 322). Thomas erkennt in dem von den Wunden gezeichneten Auferstandenen die Offenbarung Gottes: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28), doch wird er auch getadelt: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (V.29). Der hl. Franziskus empfängt nach einem 40-tägigen Fasten drei Tage nach dem Fest Kreuzerhöhung (am 17. September 1224) auf dem Berg Al Verna in einer Vision des Gekreuzigten als sechsflügeligem Seraphen (vgl. Jes 6,2) die fünf Wundmale Christi selbst: Sein liebendes Herz ist zur ursprünglichen Schaukraft der Kontemplation durchgebrochen. Franziskus „erkannte, wie aus den Wunden Jesu das himmlische Jerusalem [als Braut] mit seinen geheimnisvollen Maßen hervorging, die Kirche mit ihren Sakramenten und priesterlichen Ordnungen. (…) Alles Sichtbare ist der Brautschleier der unsichtbaren Herrlichkeit“ (E. Mederlet, Die Hochzeit des Lammes. Franziskus und die bräutliche Kirche, 118).
Bild: Der heilige Franziskus hat die gekreuzigte Liebe Gottes in zärtlicher Verbundenheit mit der ganzen Schöpfung bis in die fünf Wundmale des Gekreuzigten hinein verkörpert und gelebt. Er hat „jedes Schreiben mit dem ‚Tau‘ unterzeichnet“, dem T-Kreuz (Taw, Tau) als Zeichen der Rettung (Ez 9,4.6; Offb 7,2), das „zum Siegel der franziskanischen Familie geworden“ ist; er ist „wahrhaftig die irdische Gestalt jenes himmlischen Engels des sechsten Siegels. Er trägt das Siegel des lebendigen Gottes, die Wundmale, in seinem ganzen Wesen und drückt das Siegel des Kreuzes allen auf die Stirn, die sich retten lassen. Er schmückt mit dem ‚Tau‘ die Welt zur Hochzeit“ (Eugen Mederlet, Die Hochzeit des Lammes, 153; 157). Das ursprünglich kreuzförmige Taw ist der letzte Buchstabe des hebräischen Schöpfungsalphabets in der Bedeutung von „Zeichen“ und mit dem Zahlenwert 400 (= Materie); Jesus verbindet das Taw als „Alpha und Omega“ (Offb 21,6) am Kreuz wieder sakramental mit dem Aleph (= Eins, Geist). Auf dem Berg La Verna im Osten der Toskana empfängt Franziskus mit 42 Jahren, 18 Jahre nach seiner Berufung kurz nach dem Fest Kreuzerhöhung (14. Sept. 1224), die fünf Wundmale des gekreuzigten Auferstandenen in Gestalt eines sechsflügeligen Seraphen: des aus Liebe „brennenden“, weil Gott am nächsten stehenden Engels; Darstellung der Stigmatisierung in La Verna.
Im letzten Buch der Bibel ist Jesus als das geschlachtete Lamm Gottes der Bräutigam des himmlischen Jerusalem. In seinem Blut des neuen Bundes haben die Blutzeugen des Glaubens ihr Gewand „weiß gemacht“ (Offb 7,14), das heißt ihren Körper ‚gottfähig‘. „Er liebt uns und hat uns von unseren Sünden erlöst durch sein Blut; er hat uns zu Königen gemacht und zu Priester vor Gott, seinem Vater (Offb 1,5f; vgl. 5,10). Zum herrschenden König (Freiheit) und Gott lobenden Priester (Menschenwürde) ist der Mensch als „Bild Gottes“ ursprünglich erschaffen „in Heiligkeit und Gerechtigkeit“ zur „Unvergänglichkeit“ (Weish 2,23; 9,2). Die Ursünde als erster Bruch des Bundes hat den ‚gottähnlichen‘ Menschen (Ps 8,6) ‚tierähnlich‘ und damit sterblich gemacht („Tierfell“: Gen 3,21). Jetzt rettet ihn das göttliche Osterlamm, dessen Urbild am Himmel der Widder als erstes Tierkreiszeichen im Frühling ist, weshalb das Paschalamm mit dem „Blut des Bundes“ (Ex 24,8; Mt 26,28) am ersten Frühlings-Vollmond im Monat Nissan zu schlachten ist (Ex 12,2). In diesem Zeichen beginnt die junge Frühlingssonne ihren Jahreslauf: „Sie tritt aus ihrem Gemach hervor wie ein Bräutigam; sie frohlockt wie ein Held und läuft ihre Bahn“ (Ps 19,6). Die frühe Kirche deutet diesen Vers christologisch und bezieht das (Braut-)Gemach auf Maria, aus deren Schoß Christus am 25. Dezember (Wintersonnenwende) als „Sonne der Gerechtigkeit“ (Mal 3,20) jungfräulich hervorgeht. Für den heiligen Franziskus ist „Bruder Sonne“ ein „Sinnbild des Höchsten“ – und Sinnbild Christi (Cantico di frate Sole, 33 Zeilen!, vgl. GL 19,2). Der Franziskaner Eugen Mederlet schreibt: „Das Fest aber, zu dem die Heiligste Dreifaltigkeit uns einlädt, ist Hochzeitsfest. ‚Ein König hielt seinem Sohne Hochzeit‘ (Mt 22,2). Zu diesem Hochzeitsfest ruft Franziskus die ganze Schöpfung auf. Sein Flehen um die Reinheit der Priester, sein Ringen um die Bekehrung der Menschen, sein eigenes strenges Bußleben, sein Wachen über die Keuschheit, seine Armut, sein Gehorsam, sein Beten, alles zielt immer auf die Eucharistie hin, alles ist Zubereitung der Braut. Denn die himmlische Hochzeit, zu der die ganze Schöpfung hin pilgert, reift, sakramental verborgen, heran in der Eucharistie. In jeder Messefeier schreitet die bräutliche Verwandlung der Erde voran und wird der Himmel herrlicher, bis die ganze Schöpfung in den eucharistischen Opfertod Christi verwandelt wird“ (Die Hochzeit des Lammes. Franziskus und die bräutliche Kirche, 1983, 146).
Bild: In der Antike ist der Esel „eines der ambivalentesten Tiere überhaupt“ (Jutta Person); er ist nicht nur der „demütige Lastenträger“, sondern ein auch „im erotischen Sinne potentes Tier“: „Der Esel ist eben auch der geile Bock“ (Dlf, 5. April 2020). Christlich sei er jedoch umgedeutet worden in „ein Tier, das den Frieden verkörpert“. Jesus sei von daher „nicht der Kriegsgott“, „sondern der friedliche, der versöhnende und somit eben einer, der auch ein entsprechendes Tier sich aussucht“. Ambivalent ist auch das Pferd als ‚Tier Ägyptens‘: „Die Israeliten waren [beim Exodus] sozusagen die weiblichen Pferde, und die Pferde der bösen Ägypter waren brünstige Hengste, die hinter ihnen herrannten, bis sie im Meer versanken“ (Hohelied-Kommentar Canticum rabba). Gott klagt über Israels „Unzucht“ in „Ägypten“: „Und es erwachte in ihr die Gier nach ihren Liebhabern [= Göttern], deren Glieder wie die Glieder der Esel und deren Erguss wie der Erguss der Hengste waren“ (Ez 23,20). Palmsonntagsumzug, Addis Abeba.
Als messianischer König und Bräutigam reitet Jesus am Palmsonntag nicht auf einem Pferd, sondern auf einer Eselin in seine Stadt Jerusalem, die ikonographisch manchmal als königliche Jungfrau personifiziert wird, zur mystischen Hochzeit. Im Segen Jakobs über seine zwölf Söhne heißt es: „Er (Juda) bindet an den Weinstock seinen Esel, an die Rebe das Füllen seiner Eselin“ (Gen 49,11). Diese auf den Messias bezogene Stelle greift Mt 21,2 auf: Jesus sagt zu seinen Jüngern, sie finden „eine Eselin angebunden und ein Fohlen bei ihr“; Mk 11,2 ergänzt: „auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat“. Von Juda heißt es zuvor, von ihm weicht nicht „das Zepter, der Herrscherstab von seinen Füßen, bis der kommt, dem er gehört, dem der Gehorsam der Völker gebührt“ (V.10). Gemeint ist „eine königliche Gestalt mit endzeitlicher Bedeutung aus dem Königsgeschlecht Juda, dem Haus Davids“ (Ralf Rothenbusch). Diese Stelle findet Widerhall beim Propheten Sacharja: „Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers. Er vernichtet die Streitwagen aus Efraim... Er verkündet für die Völker den Frieden“ (Sach 9,9f; Mt 21,5). Der endzeitliche Friedensfürst kommt demütig und in den Palmsonntagsikonen immer im Damensitz auf einem Esel, nicht hoch zu Ross wie ein Kriegsheld. Die Stadt begrüßt ihn bei seinem Einzug als messianischen König: „Hosanna [Gott hilf doch]! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn!“ „Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt“ (Mt 21,9; Mk 11,9f; vgl. Ps 118,25f). In der Orthodoxie ist der Palmsonntag eines der zwölf Hochfeste des Kirchenjahres und vermittelt schon eine Vorahnung von Christi triumphierender Wiederkunft. Nach Benedikt XVI. ist schon sehr früh „auch das Benedictus in die Liturgie eingegangen: Für die werdende Kirche war der ‚Palmsonntag‘ nichts Vergangenes. Wie der Herr damals auf dem Esel in die Heilige Stadt einzog, so sah ihn die Kirche in der demütigen Gestalt von Brot und Wein immer neu kommen. Die Kirche begrüßt den Herrn in der heiligen Eucharistie als den, der jetzt kommt, der in ihre Mitte getreten ist. Und sie begrüßt ihn zugleich als den, der immerfort der Kommende bleibt und uns auf sein Kommen zuführt“ (Jesus von Nazareth II, 2010, 25).
Bild: Glauben heißt nach Joseph Ratzinger, „mit Jesus Christus hinausgehen, das Chaos nicht [des Todes] fürchten, weil er der Stärkere ist. (…) Er hat sich als der Stärkere dem Starken – dem Tod – entgegengestellt (Lk 11,21-23). Die Liebe Gottes – seine Kraft – ist stärker als die Mächte der Vernichtung“ (Das Pascha Jesu und der Kirche. Mediation zum Gründonnerstag, 1984, 92). Diese lebensschaffend und (all-)mächtige, zugleich aber auch ganz ohnmächtige, weil auf die glaubende Zustimmung des Menschen angewiesene Liebe Gottes wird am christlichen Osterfest gefeiert. Jesus ruft alle Gläubigen in seine Kreuzesnachfolge (Lk 9,23f), weil nur durch sie der Mensch wirklich geheiligt und neugeschaffen wird „nach dem Bild Gottes in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24). Jesu Ruf „Folget mir nach“ über dem Westportal der evangelischen Markuskirche in Stuttgart.
Das Alte Testament folgt der Idee, den einzelnen Juden in der Gemeinschaft des ganzen Volkes Israel durch das ‚Lernen‘ der Thora, das Bundeszeichen der Beschneidung, das Gedenken des Sabbats und das Opferwesen im Tempel so zu heiligen und gerecht zu machen, dass Gottes ursprüngliches Bild vom Menschen tatsächlich realisiert wird. Das aber ist wegen Sünde und Tod unmöglich, weshalb die hebräische Bibel in eine Aporie führt, die erst mit der ‚Fleischwerdung‘ des ewigen Schöpfer-Wortes und heiligen Urbildes des Menschen in Jesus Christus aufgelöst (erlöst) wird: Jesus ist als Gott und Mensch zugleich der Sohn, an dem der Vater im Himmel Gefallen gefunden hat (Mk 1,11), der also seiner Vorstellung vom gottebenbildlichen Menschsein vollkommen entspricht. Diese Entsprechung wird durch Taufe und Eucharistie als Feier des Heilmysteriums von Christi Passion, Tod und Auferstehung allen Gläubigen sakramental als ‚Gnade‘ zugänglich, die dann existentiell jeder Getaufte in seinem Leben wirksam werden lassen muss. Vorbereitet ist das österliche Glaubensmysterium durch das jüdische Paschafest mit der Erzählung von der Befreiung des Volkes Israel aus ‚Ägypten‘, das für ‚Götzendienst‘, Sünde und Tod steht. Wie schon die Erschaffung des einen Urlichts (Gen 1,3) am ‚Anfang‘ eine „Kampfansage“ (Renate Brandscheidt) gegen die (vier) widergöttlichen Mächte von Finsternis und Urflut, Tohu Wabohu-Erde und die „Wasser“ (Gen 1,2) ist, so steht dieser Urkampf auch im Hintergrund des jüdischen Paschafestes: „Im Kalender der Nomaden, von denen Israel das Paschafest übernommen hat, war Pascha der Neujahrstag, der Tag also, an dem die Schöpfung von neuem gegründet werden, an dem sie neu verteidigt werden musste gegen das heraufbrandende Nichts. (…) Pascha sollte diese jährliche Rückkehr Israels aus den Gefährdungen jenes Chaos, die in jedem Volke lauern, zu dem sein, was es trägt und gründet, seine immer wiederkehrende Verteidigung und Neuschaffung von seinem Ursprung her“ (J. Ratzinger, Das Pascha Jesu, in: Schauen auf den Durchbohrten, 1984, 87f). Diese Rückkehr in der Neuschöpfung (Taufe: 2 Kor 5,17) bedeutet den ‚Sieg‘ über den Tod durch Jesu ‚Abstieg‘ Jesu in das Totenreich: Jesus „ging hinaus in die Nacht. Er hat das Chaos nicht gefürchtet, sich vor ihm nicht versteckt und verborgen, sondern ist hineingegangen bis in seinen tiefsten Grund, bis in den Rachen des Todes: ‚hinabgestiegen in das Reich des Todes‘ – beten wir“ (91). Paulus preist diesen ‚Sieg‘ (1 Kor 15,54f; Jes 25,8) als Triumph des (Oster-)Lichts vom „ersten = achten Tag“ (2 Kor 4,6).
Bild: Am 25. März (alte Tagundnachtgleiche als Frühlings- und Schöpfungsanfang) feiert die Kirche das Hochfest „Mariä Verkündigung“ – in diesem Jahr ganz unter dem Zeichen der Weihe der unter der Invasion Russlands leidenden Ukraine an das Unbefleckte Herz Mariens durch Papst Franziskus. Bei der Marienerscheinung in Fatima 1917, mitten im Ersten Weltkrieg, teilte Maria drei Geheimnisse mit, wovon zwei erst am 13. Mai 1942 veröffentlicht wurden. Sie handeln vom Ende des Ersten und der Ankündigung eines Zweiten Weltkriegs sowie der Rettung der armen Sünder durch Förderung der Andacht zum unbefleckten Herzen Mariens. Das im Juni 2000 veröffentlichte dritte Geheimnis kündigte ein (Papst-)Attentat an und forderte die Weihe Russlands an das Herz Mariens, um es zu bekehren: „Mein Unbeflecktes Herz wird siegen.“ Maria mit unbeflecktem, brennenden Herzen, Klosterkirche Mariä Himmelfahrt in St. Märgen, Hochschwarzwald.
In der alten Kirche wird die Offenbarung des Gottesnamens JHWH an Mose im brennend nicht verbrennenden Dornbusch (Ex 3) als Typos der jungfräulichen Empfängnis Jesu (= JHWH rettet) bei der Verkündigung verstanden, bei der die Jungfrau vom Heiligen Geist ‚überschattet‘ wird wie das alttestamentliche Zeltheiligtum (Lk 1,35; Ex 40,34f). Maria bewahrt alle Worte des Engels in ihrem Herzen (Lk 2,19.51), das rein und ohne ‚Erbsünde‘ von Anfang an und so ‚unbefleckt‘ ist, weil von Gottes Liebesfeuer ganz erfüllt. Mehr als alle anderen Gläubigen ist die „vor der Erschaffung der Welt“ Erwählte (Eph 1,4) „voll der Gnade“ (Lk 1,28) und voll des Heiligen Geistes, der an Pfingsten in Feuerzungen auf sie und die Apostel herabkommt (Apg 2,1-4). Nach 1 Petr 1,9 ist das „Ziel eures Glaubens … die Rettung der Seelen“. Als Weg dazu nennt die Marienerscheinung von Fatima die Verehrung des unbefleckten Herzens Mariens. Mit ‚Herz‘, so Joseph Ratzinger bei der Veröffentlichung der dritten Botschaft, sei „die Mitte der menschlichen Existenz, das Zusammenströmen von Verstand, Wille, Gemüt und Sinnen (gemeint), in dem der Mensch seine Einheit und seine innere Richtung findet. Das ‚unbefleckte Herz‘ ist gemäß Mt 5,8 ein Herz, das ganz zu einer inneren Einheit von Gott her gefunden hat und daher ‚Gott sieht‘. ‚Devozione‘ (Verehrung) zum Unbefleckten Herzen Mariens ist daher Zugehen auf diese Herzenshaltung, in der das ‚Fiat‘ - dein Wille geschehe - zur formenden Mitte der ganzen Existenz wird.“ Wladimir Putin rechtfertigt seinen Ukraine-Krieg mit der Kiewer Rus als Keimzelle aller ‚russischen Völker‘ und der Annahme des christlichen Glaubens 988 in seiner orthodoxen Gestalt; von daher leitet er die ‚Einheit‘ der ‚russischen Völker‘ ab. Sein Stichwortgeber ist der Religionsphilosoph Iwan Iljin (1883–1954) mit deutscher Mutter, der die ‚Erlösung‘ von der Politik erwartete. Nach seinem „Organischen Modell“ des russischen Staates ist die Ukraine „ein untrennbares Glied des jungfräulichen Körpers“ Russlands, der „reinen und unschuldigen russische Nation“ als „beseelter Organismus“, „ohne von der Erbsünde belastet zu sein“ (Norbert Matern, Stichwortgeber des Bösen, DT 17. März 2022, 18). Das aber ist nur Maria, die ideologisch mit dem (orthodoxen) Russland gleichgesetzt wird – mit ‚brennenden‘ Folgen für die Ukraine u. andere vermeintlich ‚russischen Völker‘.
Bild: Jesus in weißem Lichtkleid erscheint bei seiner Verklärung in der Mitte zwischen Mose und Elija, den Repräsentanten von Gesetz und Propheten im Alten Bund. Er wird „vor ihren Augen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden blendend weiß wie das Licht“ (Mt 19,2). In 2 Petr 1,16f dient die Verklärung Jesu als Unterpfand für die Wirklichkeit der erhofften Parusie: der machtvollen Wiederkunft Christi zum Weltgericht und zur Weltvollendung. Diesen Zusammenhang von Verklärung und Parusie stellt noch stärker die Petrus-Apokalypse (vermutlich Mitte 2. Jh.) heraus. Lukas betont, dass Jesus verklärt wird „während er betete“ (Lk 9,29), seine Begleiter Petrus, Johannes und Jakobus „aber waren eingeschlafen“ wie beim Gebet im Garten Getsemani (Lk 9,32; 22,44-46). Krippenausstellung Hofburg Brixen, Südtirol.
Das jüdische Laubhüttenfest fünf Tage nach dem Großen Versöhnungstag (Jom Kippur) ist „das Fest der Aufrichtung des messianischen Gottesreiches“ (Juan-Miguel Garrigues OP). Das Wohnen der Gerechten in den Laubhüten wurde als Erinnerung an das Paradies verstanden. Israels Glaubensbekenntnis „Höre Israel“ (Dtn 6,5) wird bei der Verklärung, wo Petrus „drei Hütten“ bauen will, auf Jesus übertragen: „Auf ihn sollt ihr hören“ (Mt 17,5). Zuvor hat Petrus, „wie der Hohepriester am Kippurfest … den ‚Namen des einzigen Sohnes Gottes‘“ ausgerufen: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Diese Messias-Bekenntnisses geschieht „‘in Cäsarea Philippi‘ (Mt 16,13), im ‚Galiläa der Heiden‘ (Mt 4,12-16), an der Grenze zwischen dem Land Israel und den heidnischen Gebieten… Das weist darauf hin, dass die messianische Gemeinde von Israel nunmehr den aus den heidnischen Völkern stammenden Menschen offen steht, wie dies die Propheten angekündigt hatten (vgl. Jes 56,7; 66-18-21)“ (Garrigues, Das messianische Israel, in: IKaZ 24 [1995], 209-214). Nach Paul Evdokimov ist der jeder Sonn-tag „auch Vorausnahme und Verkündigung der Wiederkunft, wenn das ganze All im Feuer der endlichen Verklärung ewige Eucharistie wird“ (Das Gebet der Ostkirche, 1986, 33). Erwartet wurde die Wiederkunft vom Osten als Aufgang der „Sonne der Gerechtigkeit“ (Mal 3,26; Apg 1,11). Daher waren die frühen Kirchen geostet, richteten die Christen ihr Gebet in diese Himmelsrichtung der Vollendung wie des Anfangs. Nach Matthias Joseph Scheeben (1835–1888) wird die geschaffene Verherrlichung Gottes im Gottesdienst der Kreatur dadurch vollendet, „dass die menschliche Natur Christi, die die ganze Schöpfung repräsentiert, in die unendliche Verherrlichung einbezogen wird, die dem Vater von seinem natürlichen Sohn geleistet wird“. Der Akzent dieses Opferverständnisses liegt nicht auf der „Zerstörung und Vernichtung“ der Opfergabe, sondern auf deren „Verklärung und Erhebung derselben; die letztere geschieht eben durch das Feuer, welche die Opfergabe umwandelt und als Opferflamme Opferduft gen Himmel aufsteigen lässt“ (Matthias Joseph Scheeben, Die Mysterien des Christentums, Freiburg ²1951, 296f und 358f).
Bild: Durch die Hingabe seines Sohnes aus Liebe zur Welt (Joh 3,16) hat Gott den Menschen mit sich versöhnt und heimgeholt in sein ewiges Reich der Wahrheit und Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens. In seinem Kreuzesopfer ist Jesus der ewige Hohepriester „nach der Ordnung Melchi-sedeks“ (Hebr 7,16; Ps 110,4), des ‚Königs der Gerechtigkeit‘ und ‚Königs des Friedens‘ (von Salem). Als der neue Adam reißt Jesus die trennende Mauer der „Feindschaft“ zwischen Juden und Heiden am Kreuz nieder, „um die Zwei in seiner Person zu einem neuen Menschen zu machen“, und um durch sein „Blut des Bundes“ (Mt 26,28; Ex 24,8) den „Frieden“ zu stiften, den die Welt nicht geben kann (Joh 14,27). „Durch ihn haben wir beide (Juden und Heiden) in dem einen Geist Zugang zum Vater“ (Eph 2,13-18; vgl. Kol 1,20). Jesus preist die Friedensstifter selig sowie alle, die „um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden“ (Mt 5,9f). Darstellung der acht Seligpreisungen, Portal-Vorhalle Freiburger Münster (Die nach Gerechtigkeit hungern).
„Es begegnen einander Huld und Treue; Gerechtigkeit und Friede küssen sich“ (Ps 85,11). Friede muss auf Gerechtigkeit basieren, denn ohne sie ist es bloß ein fauler Friede; deshalb sagt Jesus: „Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert“ (Mt 10,34), nämlich der Entscheidung zwischen Glauben und Unglauben: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig“ (V.37). Die Liebe hat ihre Ordnung und Hierarchie: Die erste und höchste Liebe gebührt Gott. Der Mensch ist immer geneigt, relative Werte zu verabsolutieren: die Nation, das Volk, die eigene Familie, den Körper… Das führt zu falscher ‚Affenliebe‘ und zu Unrecht, das „wie ein zweischneidiges Schwert“ ist (Spr 21,4), weil es einen immer auch selbst trifft. Aber niemand kann sein Recht selbst herstellen; denn man sieht das Unrecht, den Splitter, im Auge des anderen, das Unrecht, den Balken, im eigenen Auge sieht man nicht (Mt 7,3-5). Deshalb sagt Jesus: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ (V.1). Über andere zu richten, sich über sie zu erheben, gar Selbstjustiz zu üben, geht meist ins Auge. Menschen müssen richten und Recht sprechen (durch dafür bestellte neutrale Richter); aber absolute Gerechtigkeit gibt es in der ‚gefallenen‘ Welt nicht, auch keinen absoluten Frieden, hebr. schalom, 300-30-40 = 370, was ein Name Gottes ist. Joseph Ratzinger sagt (mit Gottfried Quell und Johannes Behm): „Der Bund bewirkt eine Ganzheit, die Friede ist“ (Der Neue Bund, in: IKaZ 24 [1995], 193-208, 199). Dieser Friede und Friedensbund ist letztlich der Paradiesfriede auch zwischen Mensch und Tier (vgl. Jes 11,6-9), das heißt die Vollkommenheit und Ganzheit vor dem Sündenfall (Bundesbruch), die Jesus durch seine Kreuzeshingabe wiederherstellt. Im Glauben hat jeder Zugang wieder zum himmlischen Jeru-salem (Gal 4,26): dem Sehen des Friedens oder des Ganzen. Jeru-Schalajim bedeutet: „Ihr werdet den Frieden zwischen den Gegensätzen sehen.“ „Jerusalem ist auch das Symbol für den Menschen, wenn er selber zum Haus Gottes wird, zum irdischen Heim der himmlischen Neschama (…) Der Schabbat kommt, und die Neschama (Seele) erfüllt die Nefesch (Leibseele). Frieden und Harmonie der Gegensätze tritt ein. Es herrscht tiefe Freude“ (Gabriel Strenger, Die Kunst des Betens, 2019, 285; 314).
Bild: Die beiden Bäume in der „Mitte“ des Gartens Eden (Gen 2,9) haben eine gemeinsame Wurzel, sind aber zu unterscheiden; die Summe der Zahlenwerte der hebr. Buchstaben von „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ ist 932, der vom „Baum des Lebens“ ist 233, das Verhältnis ist 4 zu 1. Die Schlange verführt Eva dazu, die verbotene Frucht vom Baum ‚Vier‘ zu essen, was den Tod (hebr. maweth, 40-6-400) bringt, weil der Mensch dann von der ‚Eins‘ abgeschnitten ist (Gen 3,21-24). Die österliche Eucharistie als Frucht vom Kreuz als neuem Baum des Lebens (Offb 2,7) bringt die Umkehr u. Wiederherstellung des ‚Bundes‘. Sündenfallszene in der Mitte des goldenen Kreuzes (mit über 20 Szenen auf den Kreuzbalken aus dem Buch Genesis) im Museum der Lateranbasilika in Rom.
Die vorösterliche Fasten- und Bußzeit (‚Reinigungszeit‘) vom Aschermittwoch bis zum Ostersonntag dauert 46 Tage; da die sechs Sonntage der Fastenzeit nicht mitgezählt werden, sind es 40 Tage. Die Zahlen 4, 40 und 400 bezeichnen biblisch und allgemein die Materie, die Erde als viertes Element und den sterblichen Körper mit seinen vier Gliedmaßen und vier Teilen (Brust, Unterleib, Beine, Füße), die dem Kopf als ‚Eins‘ (Geist) gegen-überstehen: „Der Hals verbindet den Kopf mit dem Rumpf, die ‚Eins‘ mit der ‚Vier‘. Diese Verbindung darf den Unterschied nicht verwischen. Die ‚Eins‘ muss ‚Eins‘ bleiben und eben dadurch der ‚Vier‘ ihren Sinn geben. Darum ist der Hals auch der biegsame, bewegliche Teil, durch den die ‚Eins‘ und die ‚Vier‘ sowohl verbunden als auch auseinandergehalten werden. Nur so ist die Harmonie der Gegensätze möglich. Wenn aber der Nacken ‚hart‘ ist, so bedeutet das, dass kein Unterschied zwischen Kopf und Rumpf besteht, zwischen der ‚Eins‘ und der ‚Vier‘… Das Wort für diesen Ausdruck ‚hart‘ hat als Stamm die Buchstaben 100-300, als Gesamtwert somit 400, die das Ganze kennzeichnet“ (Friedrich Weinreb, Schöpfung im Wort, 789). Das Volk Israel ist „400 Jahre“ in der Gefangenschaft in ‚Ägypten‘ (Gen 15,13) unter der Herrschaft der ‚Vier‘, des Körpers, der die Geistseele (hebr. neschamah), repräsentiert durch Israel, unterdrückt. Hebr. nephesch, 50-80-300 = 430, ist die Körper- oder Blutseele, die auch die vierbeinigen Tiere haben; nach Ex 12,41 dauert die ‚Gefangenschaft‘ in ‚Ägypten‘ „430 Jahre“. Abraham erhält die Mitteilung der 400 Jahre im Alter von 70 Jahren; die Gefangenschaft beginnt schon mit der Geburt Isaaks, der ‚Körperseite‘, wenn Abraham „100 Jahre“ alt ist (Gen 21,5); daher werden 430 Jahre gezählt, bis es zum Auszug aus ‚Ägypten‘ kommt, dem Exodus in die ‚Wüste‘, wo die ausziehenden „600 000 Mann“ (Ex 12,37) 40 Jahre bleiben, bis Josua, der Sohn des „Nun“ (Dtn 34,9), das heißt der Fünfzig, sie ins Gelobte Land führt. Der Weg der Fastenzeit bildet die ‚Wüstenwanderung‘ Israels und die „40 Tage“ Jesu in der Wüste (Mk 1,13) nach; mit der Auferstehung am ‚8. Tag‘ mündet er in die 50-tägige Osterzeit (bis Pfingsten = „50. Tag“) und stellt damit die im Fall verlorene Harmonie zwischen ‚Vier‘ und ‚Eins‘ (= 5, 50, 500) wieder her.
Bild: Die eheliche Verbindung von Mann und Frau ist eines von sieben heiligen Zeichen oder Sakramenten. Nach Johannes Paul II. ist sie der „Prototyp“ aller Sakrament des Neuen Bundes. Beim Vermählungsritus in der Ostkirche hält der Priester über den Brautleuten einen kronenförmigen Kranz und betet: „Herr, unser Gott, kröne sie mit Ruhm und Ehre.“ Die Neugetrauten umrunden dreimal den Tisch mit einem Becher Wein, aus dem sie zuvor dreimal gemeinsam getrunken haben. Im Judentum wird die Hochzeit sieben Tage lang gefeiert, die Vereinigung findet am ‚achten Tag‘ statt. Das schwäbisch-alemannische Brauchtum hat die prächtigen Kranel zu den Trachten bewahrt, die bei hohen Feiertagen oder als Hochzeitskronen getragen wurden: Fasnets-Umzug in Rottenburg.
Am Tag des heiligen Valentin, des Patrons der Liebenden (14. Februar), laden diverse Kirchen zu ökumenischen Segnungsgottesdiensten ein. Das Angebot richte sich zum Beispiel in Erfurt an „alle Menschen, die über Liebe und Partnerschaft nachdenken wollen“, wie das Bistum am 9. Februar ankündigte. Im Dom zu Essen sind ausdrücklich alle Paare eingeladen, auch Homosexuelle und wiederverheiratete Geschiedene; auch in anderen Kirchen im Bistum Essen soll es am Sonntag und Montag Segensfeiern für Liebende geben. Am Anfang seiner Bergpredigt preist Jesus acht verschiedene Gruppen von Menschen selig: solche, die arm (und deshalb empfänglich) sind vor (und für) Gott, die trauern und keine Gewalt anwenden, um ihre Interessen durchzusetzen (‚mein Wille geschehe‘), die nach der Gerechtigkeit, die Gott schenkt, hungern und dürsten, die barmherzig sind wie ihr Vater im Himmel, die ein reines Herz haben, in dem Gott wohnen kann, und die Frieden stiften als Einheit von Himmel und Erde (Kol 1,20) – ihnen alle gehört das Himmelreich (Mt 5,3-10). Die Gläubigen sollen heilig und vollkommen sein, „wie es auch euer himmlischer Vater ist“, was sich vor allem in der Liebe zu den ‚Feinden‘ zeigt (Mt 5,44.48). „Vollkommen“ meint, beide Seiten, Diesseits und Jenseits, im Glauben zu verbinden. Nur die zu lieben, „die euch lieben“, ist dagegen weder verdienstvoll noch Ausweis des Glaubens: „Tun das nicht auch die Heiden?“ (Mt 5,46f). Die ehelichen Liebe gilt in der katholischen Kirche seit jeher als der natürliche Ort der Zeugung und Erziehung von Kindern. „Die Geschlechtlichkeit ist eine Quelle der Freude und der Lust. (…) Somit begehen die Gatten nichts Böses, wenn sie diese Lust anstreben und sie genießen“ (Pius XII., 1951, vgl. KKK 2362). Aber Sinn und Zweck der sexuellen Begegnung ist eben immer auch die Weitergabe des Lebens (KKK 2263). Nur die Lust zu suchen, ohne für die dem sexuellen Akt vom Schöpfer eingestiftete Sinnfunktion der Weitergabe offen zu sein, wird hingegen schnell zum Selbstzeck(Lüsternheit). Tobias betet in der Hochzeitsnacht mit Sarah mit Bezug auf Gen 2,18 („Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt“): „Darum, Herr, nehme ich diese meine Schwester nicht aus reiner Lust zur Frau, sondern aus wahrer Liebe“ (Tob 4,4-9). Denn mit dem ‚lüsternen Blick‘ auf das nur Äußere beginnt der Ehebruch im Herzen, wovor Jesus ausdrücklich warnt (Mt 5,28).
Bild: Das Weihnachtsfest wird heute mit dem Fest der Taufe Jesu im Jordan abgeschlossen, vor der Liturgiereform war das Fest „Darstellung (Übergabe) des Herrn im Tempel“ am 2. Februar, 40 Tage nach Weihnachten, der Abschluss und Übergang zur Passion (noch früher am 14. Februar, 40 Tage nach Epiphanie am 6. Januar). Die Ostkirche feiert das Hochfest der Hypapante: Begegnung des Herrn mit Simeon, dem Propheten (Lk 2,25-35). „Hypapante ist das dritte Hochfest der Feier der Menschwerdung und Erscheinung des Gottessohnes. Es schließt den Festzyklus ab und weist bereits voraus auf Kreuz und Pascha durch die prophetischen Worte des Simeon.“ Der greise Prophet erkennt in Jesus das von Israel erwartet Heil, sieht aber auch, dass durch ihn „in Israel viele zu Fall kommen“: „Er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird“ (V.34). Marias Seele wird ein Schwert durchdringen (V.35). Weihnachtskrippe in der Wallfahrtskirche Weggental in Rottenburg.
Jesus kommt einerseits vertikal vom himmlischen Vater in der Kraft des Heiligen Geistes vom Himmel auf die Erde herab, andererseits steht er horizontal am Ende einer langen Heilsgeschichte, getragen von einer „Wolke von Zeugen“ des Glaubens. Sie beginnt mit dem erschlagenen Abel und führt über Noah, die Erzväter, Mose und Josua, David und Salomo, Hiob und den Gottesknecht Israel bis hin zu Jesus „den Urheber und Vollender des Glaubens“ (Hebr 12,1f). „Alle, die aufgrund des Glaubens (von Gott) besonders anerkannt wurden, haben das Verheißene nicht erlangt, weil Gott erst für uns etwas Besseres vorgesehen hatte; denn sie sollten nicht ohne uns vollendet werden“ (Hebr 11,39f). Vom Heiligen Geist erfüllt erkennt der Prophet Simon in Jesus, den Maria und Josef zur Entsühnung und Reinigung 40 Tage nach der Geburt in den Tempel ‚zum Herrn’ bringen, das Heil, das Gott „vor allen Völkern bereitet“ hat, „ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Verse 30-32). Wie bei Johannes dem Täufer und Jesus begegnen sich auch hier Alter und Neuer Bund. Die Völker sind aber hier schon in den Neuen Bund einbezogen, in dem der Alte Bund seine Vollendung findet. Im Alten Bund musste der Hohepriester einmal im Jahr den Sühnedeckel der Bundeslade und anderes mit dem Blut des Bundes zur ‚Reinigung‘ besprengen (Hebr 9,18-22.25). Ebenso musste eine gebärenden Frau 40 Tage nach einer männlichen Erstgeburt und 80 Tage nach der Geburt eines Mädchens gereinigt werden (das Verhältnis von 40 zu 80 ist 1 zu 2): „33 Tage soll die Frau wegen ihrer Reinigungsblutung zu Hause bleiben“ – bei einem Mädchen 66 Tage (Lev 12,4f); hinzu kommen dann 7 bzw. 14 Tage. Mit einem Brandopfer eines einjährigen Schafs sowie einer jungen Taube als Sündopfer soll das Neugeborene vor den Herrn im Offenbarungszelt übergeben werden, „so wird sie von ihrem Blutfluss gereinigt“ (Lev 12,6f). Mit Jesu Opfer am Kreuz (Hebr 9,26-28) als „unser Paschalamm“ (1 Kor 5,7) und mit seinem „Blut des Bundes“ (Mt 26,28; Ex 24,8) wird die wirkliche Reinigung von „toten Werken“ vollbracht, „damit wir dem lebendigen Gott dienen“ (Hebr 9,14). „Durch Deine Geburt hast Du den jungfräulichen Schoß geheiligt“ (Kondak 1). Entsprechend ist Maria die wahre Bundeslade, vor der Johannes im Schoß Elisabeths ‚hüpft‘ wie David vor der Lade (Lk 1,44; 2 Sam 6,14-17).
Bild: Bei der Begegnung mit Jesus Christus vor Damaskus um das Jahr 33 (oder 35) stürzt Saul zu Boden (Apg 9,4; 22,7). Dreimal berichtet die Apostelgeschichte die für den Fortgang der kirchlichen Mission so entscheidende ‚Bekehrung‘ (Apg 9,1-22; 22,5-16; 26,12-18). Denn als ‚Paulus‘ soll der gesetztestreue Jude Saul dem Volk Israel und den Heiden „die Augen öffnen. Denn sie sollen sich von der Finsternis zum Licht und von der Macht des Satans zu Gott bekehren und sollen durch den Glauben an mich Vergebung der Sünden empfangen und mit den Geheiligten am Erbe teilhaben“ (Apg 26,18). Als ‚letztberufener‘ Apostel und gleichsam „Missgeburt“ (1 Kor 15,8), der „die Kirche Gottes verfolgt“ hat (V.9), wird er doch zu ihrem größten Missionar in der Gründungsphase: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin“ (V.10). Die katholische Kirche feiert das Fest „Bekehrung des Apostels Paulus“ am 25. Januar. Kathedrale von Altamura in Apulien, Gemälde von Domenico Morelli (1876).
„Paulus, zum Apostel berufen, nicht von Menschen oder durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus und durch Gott, den Vater, der ihn von den Toten erweckt hat…“ So beginnt Paulus seinen Brief an die Galater. Seine Berufung, nicht Bekehrung, und sein Evangelium „stammt nicht von Menschen; ich habe es ja nicht von einem Menschen übernommen oder gelernt, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi empfangen. Ihr habt doch gehört, wie ich früher als gesetzestreuer Jude gelebt habe, und wisst, wie maßlos ich die Kirche Gottes verfolgte und zu vernichten suchte“ (Gal 1,11-13). Bei der Steinigung des Protomärtyrers Stephanus war er nicht nur dabei, sondern „mit dem Mord einverstanden“ (Apg 8,1). „Saulus aber versuchte die Kirche zu vernichten; er drang in die Häuser ein, schleppte Männer und Frauen fort und lieferte sie ins Gefängnis ein“ (Apg 8,3). Die Apostel erreichen ihn mit ihrer Predigt nicht, sondern „Paulus wütete immer noch mit Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn“ (Apg 9,1). Vom Hohepriester holt er sich in seinem Eifer sogar Briefe an die Synagogen, „um die Anhänger des (neuen) Weges … zu fesseln und nach Jerusalem zu bringen“ (V.2; Apg 22,5). Erst mit der Erscheinung eines „Lichts vom Himmel“, die ihn zu Boden stürzen lässt, und dem Hören der Stimme auf Hebräisch: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich? (…) Ich bin Jesus, den du verfolgst“ (Vv.4f; Apg 22,7f), bringt ihn zum Umdenken. Drei Tage ist er blind (vgl. Apg 22,11), dann legt ihm Hananias auf Anweisung des Herrn die Hände auf: „Du sollst wieder sehen und mit dem Heiligen Geist erfüllt werden“ (V.17). Paulus lässt sich taufen, verkündet „sogleich“ Jesus als Sohn Gottes (V.20) und beweist den Juden, „dass Jesus der Messias ist“ (V.22). Auch im Galaterbrief sagt er, dass Gott ihm „in seiner Güte seinen Sohn offenbarte, damit ich ihn unter den Heiden verkündige“ (1,15f; vgl. Röm 11,13). Dass er das Evangelium „unter den Heiden“ oder „Unbeschnittenen“ verkündigt, lässt er sich ca. 16 Jahre nach der ‚Umkehr‘ auf dem ersten Apostelkonzil von den „Säulen“ (Jakobus, Petrus und Johannes) bestätigen (Gal 2,9). Mit Petrus streitet er danach über die Freiheit der Heiden von der Beschneidung (Gal 2,11-18); denn Gottes Segen kommt durch den Glauben (Gal 3,5-9), während das Gesetz zum ‚Fluch‘ wird (V.10). Erst durch Paulus wird die Verkündigung der Gnade universal und die Kirche ‚katholisch‘.
Bild: Die Hochzeit als Vermählung von Mann und Frau ist biblisch das Bild für die Vereinigung von Gegensätzen im ‚Bund‘: Gott und Welt, Schöpfer und Schöpfung, Jahwe und Israel, Christus und die Kirche. Schon die Fleischwerdung des Logos ist ein bräutliches Mysterium, Marias Zustimmung ein ‚hochzeitliches‘ Ja-Wort. „Ist ja der Bräutigam das Wort [Logos], die Braut das menschliche Fleisch, beides in eins der eine Sohn Gottes, der zugleich der Menschen Sohn ist. Als er das Haupt der Kirche wurde, war der Schoß der Jungfrau das Brautgemach. (…) Aus dem Brautgemach tritt er hervor als Bräutigam – und eingeladen kommt er zur Hochzeit“ zu Kana (Augustinus). Die Hochzeit zu Kana ist Lesungstext an Epiphanie. Krippenmuseum in der Hofburg Brixen.
Alle auch den Körper und die Materie betreffenden Wunder im Neuen Testament sind transparent auf die ursprüngliche Schöpfung, auf ihre Vollendung in der Neuschöpfung sowie auf die sieben Sakramente der Kirche. So verweisen nach Augustinus die sechs Wasserkrüge zur Reinigung beim programmatischen ersten Weinwunder Jesu auf der Hochzeit zu Kana als Offenbarung seiner Herrlichkeit (Joh 2,1-11) auf die sechs Schöpfungstage beziehungsweise die sechs Weltzeitalter, während die noch nicht gekommene „Stunde“ (Joh 2,4) die Todesstunde am Kreuz antizipiert (Maria verbindet als „Frau“ oder neue Eva ebenfalls beide Szenen: Joh 2,4; 19,26). Mit den sechs Zeitaltern von Adam über Noah, Abraham, Mose, Daniel und Johannes den Täufer sind alle Zeiten der alttestamentlichen Verheißung aufgerufen: „Jene Weissagungen waren aber nur Wasser, solange in ihnen nicht Christus erkannt wurde. Denn im Wasser ist der Wein gewissermaßen verborgen“, so wie der geistige Sinn im Alten Bund ‚verhüllt‘ ist (2 Kor 3,14-16). „Lies all die prophetischen Bücher ohne Verständnis Christi: gibt es etwas Faderes und Törichteres? Siehst du Christus in ihnen, schmeckt das Gelesen nicht nur, sondern es berauscht dich sogar; es entzückt deine Seele über das Leibliche hinaus, so dass du vergisst, was hinter dir liegt [die Vergangenheit] und dich ausstreckst nach dem, was vor dir liegt (vgl. Phil 3,13). (…) So hat unser Herr Jesus Christus Wasser in Wein verwandelt, und schmackhaft wurde, was ehedem ohne Geschmack war, berauschend, was ehedem nicht berauschte“ (Kommentar zum Johannesevangelium, ²2019, 69). Ähnlich sagt schon Origenes: „Vor Jesus war die Schrift Wasser, von Jesus an ist sie uns Wein geworden“ (in IoC. 13,62). Ihm zufolge muss die Bibel als ‚rohe‘ Schrift im Feuer des Heiligen Geistes gewissermaßen ‚gebraten‘ werden, um sie nach ihrem inneren Schriftsinn zu verstehen, was er der göttlichen Anweisung zum Braten des Paschalammes (Ex 12,8) entnimmt. Denn erst das Feuer des Geistes verwandelt den buchstäblichen Sinn in eine wirklich schmackhafte und genießbare Speise der Seele (vgl. Weish 16,20f). Mose macht bei der Wüstenwanderung Israels das bittere, untrinkbare Wasser süß, indem er auf göttliche Anweisung „ein Stück Holz“ hineinwirft (Ex 15,23-25). Das ‚Holz‘ ist der Baum des Lebens oder die Thora, die wieder die fließende Zeit mit der Ewigkeit verbindet. Das vollendet Jesus in seiner ‚Erhöhung‘ am Kreuz als neuem Baum des Lebens.