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Warum widerspricht der Gnadenstuhl nicht dem Bilderverbot?
Warum ist die Sonne ein Symbol für Jesus Christus?
Warum gründet die Kirche im Traum von der Himmelsleiter?
Warum ist das Herz Jesu verehrungswürdig?
Warum ist die heilige Eucharistie die Mitte der Kirche?
Warum ist das Salböl das Symbol des Heiligen Geistes?
Warum ist die Farbe von Pfingsten auch das Grün?
Warum wird Thomas erst gläubig durch Berühren der Wunden Jesu?
Warum findet Jesu Auferstehung zum Frühlingsbeginn statt?
Warum geht Jesus zur Erlösung den Weg des Leidens?
Warum ist Jesus am Kreuz der Herr der Herrlichkeit?
Warum heilt Jesus den Blinden?
Warum offenbart sich Jesus der Frau am Jakobsbrunnen?
Warum will Petrus auf dem Berg Tabor drei Hütten bauen?
Warum kann David Goliath töten?
Warum ist der Mensch die Krone der Schöpfung?
Bild: Nach Ludger Schwienhorst-Schönberger ist der Bildtypus des Gnadenstuhls und generell die „menschengestaltige Darstellung von Gottvater“ eine „Missachtung der Lehre vom Christomorphismus“ des Zweiten Konzils von Nizäa (787); danach sind nur Bilder erlaubt, die Christus, das fleischgewordene Wort, und damit auch Maria, Engel und Heilige erlaubt. „Gottvater, der Heilige Geist oder gar die Trinität werden nicht zu den erlaubten Bildern gerechnet. Diese Regel wurde vor allem in der Kirche des Westens nicht immer beachtet. (…) Nur insofern die christliche Kunst die Regel des Christomorphismus beachtet, bleibt das alttestamentliche Bilderverbot unangetastet“ (Der eine Gott und die Götter, 2023, 252f).Das Mittalter sah das noch anders: Gnadenstuhl, spätgotische Wendelinusbasilia, St. Wendel (Saarland).
‚Thron der Gnade‘ oder ‚Gnadenstuhl‘ war Martin Luthers Übersetzung von hilasterion (Röm 3,25; Hebr 9,5) oder kapporet, dem Sühnedeckel der Bundeslade. Der Bildtypus des Gnadenstuhls – der thronende Gottvater, die Geisttaube auf seiner Schulter, hält vor seinem Schoß seinen gekreuzigten/geopferten Sohn als Schmerzensmann – entwickelt sich zu Beginn des Mittelalters aus miniaturhaften Ausmalungen des Te igitur, der Anfangsworte des römischen Messkanons in der Eucharistiefeier. Für den Kunsthistoriker Wolfgang Braunfels ist er „die bedeutendste Bildschöpfung zur Darstellung der Dreifaltigkeit“ (zit. nach Josef Sudbrack, Der göttliche Abgrund. Bilder vom dreifaltigen Leben Gottes, 1991, 29-32: Der Gnadenstuhl, 29). Josef Sudbrack schreibt zum Gnadenstuhl als trinitarisches Altarbild in der Schlosskapelle der Blutenburg in München (erbaut 1488): „Mit dieser – immer noch Christus-bezogenen Darstellung – wagte man es, Gott als Vater des Sohnes und Uranfang aller Wirklichkeit mit einem menschlichen Antlitz darzustellen. (…) Es ist sicher kein Zufall, dass gerade die Eucharistie den Mut gab, Gott aus seiner allumfassenden Unerkennbarkeit gleichsam herauszunehmen und in Menschengestalt abzubilden. Gerade im Messopfer, das sich in seiner Grundintention an Gott, den Vater Jesu Christi, richtet, feierte die mittelalterliche Frömmigkeit das Mitleid Gottes mi seinem ‚geopferten Sohn‘ und den Menschen, die Jesu Schwestern und Brüder sind. Das Bild des Gnadenstuhls wird erst im Vollzug der Eucharistie be-‚griffen‘; das ‚hilasterion‘ (Sühnegeschenk, Bundeslade) er-‚greift‘ mich. Was einem puristischen Denken von Gott zu ‚menschlich‘ vorkommt und was im heutigen Gespräch zwischen den Religionen als typisch christliches Ärgernis empfunden wird, kann vom Mitleid Gottes mit uns Menschen verständlich werden. (…) Das Blutenburger Tafelbild entspricht als spätgotisches Kunstwerk in seltener Geschlossenheit der Intention des Bildursprungs. (…) Die alttestamentliche Bundeslade ist zum Altar geworden“ (29f). Das Bild der Dreifaltigkeit ist eine Transformation des Bildes der Bundeslade, die dann auch zum ‚Tabernakel‘ (‚Zelt‘) für die konsekrierten Hostien wird; eine gewissen Analogie besteht zur Dreiheit des Inhalts der Lade: Der eucharistische Christus entspricht dem Manna, der Vater den Gesetzestafeln, der Geist dem ‚grünenden‘ Stab Aarons (Hebr 9,4; Num 17,23).
Bild: Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge faszinieren den Menschen seit jeher. Im Griechischen und Lateinischen ist das Wort für ‚Sonne‘ (Helios, Sol) jeweils ‚männlich‘, das für ‚Mond‘ (Selene, Luna) jeweils ‚weiblich‘; in Mexiko werden die Toiletten für Mann und Frau durch die Symbole von Sonne und Mond gekennzeichnet. Der tägliche Untergang der ‚männlichen‘ Sonne galt in den alten Kulturen als Symbol des Todes, die Nachtfahrt des Helios war ein Bild für die jenseitige Existenz der Seelen. In der christlichen Deutung erscheint Christus häufig als „Sonne der Gerechtigkeit“ (Mal 3,20), gerade auch in seinem ‚Untergang‘ am Kreuz, wenn sich die kosmische Sonne für drei Stunden ‚verfinstert‘ (Mk 15,33). Seine Auferstehung geschieht am Sonn-tag am frühen Morgen: „am ersten Tag der Woche…, als eben die Sonne aufging“ (Mk 16,2). Sonnenuntergang an der Westküste von Ischia mit (Geist-)Vogel.
Theophilus von Antiochien (2. Jh.) schreibt zur Erschaffung von Sonne und Mond am vierten Schöpfungstag (Gen 1,14-18): „Diese Lichter, Sonne und Mond, sind Träger und Bilder eines großen Mysteriums. Die Sonne ist das Bild Gottes, der Mond das des Menschen; und wie die Sonne an Kraft und Glanz den Mond bei weitem übertrifft, so übertrifft Gott bei weitem den Menschen. Und wie die Sonne fortwährend ihre volle Scheibe behält, ohne kleiner zu werden, so bleibt Gott stets vollkommen …, der Mond aber verschwindet allmonatlich und stirbt sozusagen – ein Sinnbild des Menschen; dann wird er (der Mond) wiedergeboren und wächst wieder – ein Vorbild unserer künftigen Auferstehung“ (Ad Autolykus II, 15). Für Bonaventura symbolisieren Sonne und Mond die Gottheit und die Menschheit Christi, wobei er den Mond auch mit der Jungfrau Maria identifiziert (De Reductione, 21). Dargestellt hat man dieses sich in Helios und Selene abbildende Mysterium von ‚Gott und Mensch‘ „in seiner christlichen Einmaligkeit“ im Mysterium von Christus und der Kirche, die gerade im Sterben, „in dieser liebenden Vernichtung der tiefsten Vereinigung mit dem Bräutigam teilhaft“ wird (Hugo Rahner, Griechische Mythen in christlicher Deutung, 1984, 93). Joseph Ratzinger greift auf Rahners Studien zurück, wenn er schreibt: Der christliche Sonn-tag galt „in der heidnischen Planetenwoche als Tag des Helios … und nun des Auferstandenen, dessen Sieg an diesem Tag begangen wurde, als das aufgehende Licht…, was sich wiederum zusammenfügte mit dem biblischen Wort vom ‚Aufgang aus der Höhe‘ (Lk 1,78) und mit der Erschaffung des Lichtes am ersten Tag (Gen 1,3). Von solchen Motiven her hat Rom gegen die kleinasiatische Praxis auch die Osterfeier am Sonntag durchgesetzt. Wie die Planetenwoche, so sollte auch der Umschwung des Sonnenjahres Christus, der wahren Sonne, dienstbar werden (H. Rahner, …, 194).“ Im nächtlichen Weg der Sonne erblickte man „ein Bild der Hadesfahrt Christi: ‚Wie nämlich die Sonne vom Wesen zum Osten zurückkehrt, so ist auch der Herr von den Tiefen des Hades zum Himmel der Himmel aufgestiegen‘ (Athanasius…; H. Rahner, 155). Das Paschafest wird demgemäß in der Liturgie als Mysterium des sterbenden und auferstehenden Lichtes dargestellt, gipfelnd im Taufvollzug, in dem aus den Wassern des Todes der Christ geboren wird durch die Kraft des Lichtes, das die Nacht überwindet“ (Art. Licht, in: Handbuch theologischer Grundbegriffe, 1970, 46-55, 50f).
Zum Bild: Nach seinem Traum ruft Jakob aus: „Wie ehrfurchtgebietend ist doch dieser Ort! Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels“ (Gen 28,17). Er salbt den Stein, auf dem er schlief, mit Öl und nennt den Ort Bet-El (Haus Gottes, V.18f). In der Orthodoxie wird der Kirchen-Grundstein gesalbt: „1. Jakobs Opfertisch, Fußpunkt der Himmels-leiter, Ort, wo das vom Himmel ausgehende Göttliche auf die Erde hinabsteigt. 2. Christus als der Eckstein, auf dem die Kirche ruht. 3. Jungfrau Maria, die der Grundstein, Ort der Vereinigung Gottes mit den Menschen ist“ (G. Spitzing, Lexikon byzantinisch-christlicher Symbole, 1989, 182). Eingangsportal der Evangelischen Stadtkirche in Schiltach/Schwarzwald.
Die Kirche wird mit der Geistausgießung an Pfingsten gegründet, im Johannesevangelium aber im Geheimnis des Kreuzes. In Joh 1,51 verheißt Jesus am Ende der Berufung der ersten fünf Jünger: „Ihr werdet den Himmel geöffnet und die Engel Gottes auf- und niedersteigen sehen über dem Menschensohn.“ Diese Öffnung des Himmelstores geschieht mit der Öffnung der Seite des Gekreuzigten, worauf der als erster berufene Lieblingsjünger eindringlich hinweist (Joh 19,34f). Von daher kann die Kirche im Osterlied „Freu dich, erlöste Christenheit“ singen: „Die Seite, die geöffnet war,/ zeigt sich als Himmelspforte klar“ (GL 337,4). Der Jesuit Richard Gutzwiller bezieht Joh 1,51 und Gen 28,17 mit der Herz-Jesu-Litanei (vgl. GL 564) ebenfalls auf das geöffnete Herz Jesu, aus dem „Blut“ (Eucharistie) und „Wasser“ (Taufe) hervorströmen und damit die durch diese beiden Sakramente konstituierte Kirche geboren wird: „So ist das Wort vom Haus Gottes und von der Pforte des Himmels in tiefsinniger Weise hier erfüllt“ (Vom biblischen Charakter der Herz-Jesu Litanei, in: Josef Stierli [Hg.], Cor Salvatoris, 1954, 221-247, 228). Der Ort des Himmelsleiter-Traums Jakobs heißt auch „Lus“ (Gen 28,19), was ‚Mandel‘ bedeutet, die als ‚achte‘ Frucht gezählt wird (der Mandelbaum blüht als erster noch im Winter und ist daher Symbol der Auferstehung); Friedrich Weinreb schreibt: „Jakob legt sich also an den Ort der Mandel, den Ort des achten Tages, den Ort der Erlösung. Dann sieht er den Himmel sich öffnen und schaut Gott“ (Die Astrologie in der jüdischen Mystik, 1982, 162). „Jeder Traum drückt also schon aus, dass der Mensch dieses Sehen nach droben hat, zum Ursprung hinaus, wenigstens wenn es ein Traum aus dem Bereich jenseits der Schwelle ist. (…) Träumen ist Auserwähltheit, in dem Sinn, dass der Traum von jenseits der Schwelle kommt. Vor der Schwelle wird es eigentlich auch nicht ‚Träumen‘ genannt, sondern Bilder der Geister, die den Menschen verwirren. (…) Das ist die erste Bedingung auf dem Weg der Erlösung: das Freiwerden von der Bindung an diese Welt“ (Weinreb, Der Weg durch den Tempel, 91; 95; 99). Im katholischen Gesangbuch „Gotteslob“ (Nr. 294,4) heißt es: „Du (Kreuz) bist die sichre Leiter, darauf man steigt zum Leben, das Gott will ewig geben.“
Bild: Der Verehrung des Herzens Jesu (mit einem Hochfest am 16. Juni) geht zurück auf die Öffnung der Seite (des Herzens) des Gekreuzigten, so dass „Blut“ und „Wasser“ hervortreten (Joh 19,34), was auf die Sakramente der Eucharistie und der Taufe gedeutet wird und damit auf die Geburt der Kirche als neuer Eva aus dem Gekreuzigten als neuem Adam (vgl. Gen 2,21f). Für Paulus bedeutet die Hinwendung zum Herrn die Wegnahme der „Hülle“ vom Herzen (2 Kor 3,14f): „Wo der Schleier vom Herzen fällt, kommt das Eigentliche und Endgültige des Gesetzes zum Vorschein; es wird selbst Geist und wird so mit der neuen Ordnung des Lebens aus dem Geist identisch“ (Joseph Ratzinger). Bibel des Jan von Selmberk, 1440 (Prag, Kloster Strahov).
Die Verwandlung des menschlichen Herzens in seiner affektiven Tiefe wird von Ezechiel angekündigt, wenn er verheißt, dass Gott „ein anderes Herz“ oder ein „neues Herz“ und einen „neuen Geist“ schenken und „reines Wasser“ über Israel ausgießen wird zur Reinigung „von allen euren Götzen“ (Ez 11,19f; 18,31; 36,25f). Ludger Schwienhorst-Schönberger schreibt über den vom Himmel her bei seiner Taufe bezeugten Sohn Gottes: „In ihm ist jene Verwandlung des menschlichen Herzens Wirklichkeit geworden, die von den Propheten verheißen wurde (vgl. Jes 11; Jer 30–33; Ez 11,17-21; 34–37)“ (Mein geliebter Sohn bist du, in: CiG 45/ 2020, 507). Dasselbe sagt auch Richard Gutzwiller in seiner Deutung der biblischen Grundlagen der kirchlichen Herz-Jesu-Litanei, wenn er das prophetische Wort vom neuen Herzen in Christus erfüllt sieht: „Er hat das neue Herz. Und die andern haben es, insoweit und insofern als sie an ihm Anteil haben, als sie, paulinisch gesprochen, ‚in Christus’ leben. So ist sein Herz, sein königliches Herz, die Mitte aller Herzen. Von ihm strahlt die Kraft der Liebe auf die andern aus. Von ihm werden sie alle angezogen [Joh 12,32]. In ihm haben sie Bestand“ (Vom biblischen Charakter der Herz-Jesu-Litanei, in: Stierli, Cor Salvatoris, 221-247, 233; zur Herz-Jesu-Litanei vgl. GL 564). Der Jesuit verweist dazu mit der Litanei auch auf Kol 2,3 („In ihm sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen“): „Die wahre Sophia, die in Christus zu finden ist, stammt von oben, von Gott. Der Logos ist die eigentliche Sophia. Sie ist in Christus Mensch geworden. So birgt er in sich die Fülle der Weisheit.“ Die Litanei deute damit an, „das wahre Philosophie und Weisheit auf die Liebe stößt und in ihr das Geheimnis, den Schlüssel aller Dinge findet. Und schließlich wird neben diesem mehr objektiven Element auch das subjektive angedeutet, dass nämlich das Herz, genauer die Liebe, zu Erkenntnissen führt, die dem bloßen Verstand verschlossen sind“ (233f). Als einer der ersten in der frühen Kirche redet Origenes vom Herzen als „dem ‚Hegemonikon’, dem Innersten, dem Quell der Gedanken und der Weisheit, aus der der wahre Gnostiker, der mystisch begnadete Geistmensch, das lebendige Wasser der Weisheit trinkt“ (Hugo Rahner, Die Anfänge der Herz-Jesu-Verehrung in der Väterzeit, in: Stierli, Cor Salvatoris, 46-72, 52). Ähnlich sagt Paulinus von Nola im Gefolge des Origenes: „Johannes, der selig an der Brust des Herrn ruhte, wurde trunken vom Heiligen Geist, weil er ein alle Geschöpfe überragendes Verständnis unmittelbar aus dem Herzen der alleserschaffenden Weisheit getrunken hat“ (zit. ebd. 65).
Bild: Die junge Augustinernonne Juliana von Lüttich schaute im Jahr 1209 in einer Vision die Mondscheibe mit einem dunklen Fleck, was ihr als
Fehlen eines eigenen Festes zu Ehren der Eucharistie gedeutet wurde. Ihr Beichtvater wurde später Papst Urban IV., der 1264 das Fest Fronleichnam (= lebendiger Leib des Herrn) universalkirchlich
einführte. Während die Eucharistie am Gründonnerstag unmittelbar vor Jesu Passion eingesetzt wird, feiert man Fronleichnam mit Prozessionen im Grünen und in der Stadt am zweiten Donnerstag
nach Pfingsten und damit 60 Tage nach Ostern am 1. Sonntag nach dem Frühlingsvollmond, das heißt in zeitlicher Nähe zum dritten Frühlings-Vollmond (2023 am 4. Juni). Nach Taufe und Firmung ist
die Eucharistie das dritte Sakrament der christlichen Initiation; sie führt diese „zu ihrer Fülle und stellt die Mitte und das Ziel des gesamten sakramentalen Lebens dar“ (Benedikt XVI.,
Sacramentum caritatis, 2007, 17). Amman, Jordanien, koptisch-orthodoxe Kirche nahe Abdullah-Moschee.
Jede vor allem am Sonntag als ‚achtem Tag‘ gefeierte Eucharistie löst „einen Prozess der Verwandlung der Wirklichkeit“ aus mit dem Ziel der „Verklärung der gesamten Welt … bis zu jenem Zustand, in dem Gott alles in allem sein wird (vgl. 1 Kor 15,28)“ (Sacramentum caritatis 11). Sie antizipiert damit die Vollendung der ganzen Schöpfung in der Verklärung des Leibes und Überwindung des Todes, in der Partizipation an der ewigen Lebens- und Liebesgemeinschaft der Dreifaltigkeit. An dieser innergöttlichen ewigen Liebe schenkt das „Sakrament der Liebe“ Anteil, indem die ganze Schöpfung in der Kraft des Geistes verwandelt wird, die in den sechs Wasserkrügen (= sechs Schöpfungstagen) beim Wandlungswunder auf der Hochzeit zu Kana angedeutet ist: das Weinwunder als „erstes Zeichen“ wird besonders in der Orthodoxie als Vorbild der Eucharistie gesehen. Denn diese ist „Vorwegnahme jener ‚Hochzeit des Lammes‘ (Offb 19,7-9), die das Ziel der gesamten Heilsgeschichte ist“ (81). Den bräutlichen Charakter der Eucharistie hat Johannes Paul II. bekräftigt: „Die Eucharistie ist das Sakrament unserer Erlösung. Sie ist das Sakrament des Bräutigams und der Braut“, das heißt der Kirche (zit. ebd. 27). In den Zeichen von „Wasser“ (Taufe) und „Blut“ (Eucharistie) wird die durch sie konstituierte Kirche als neue Eva aus der geöffneten Seitenwunde des neuen Adam geboren (Joh 19,34; Gen 2,21-23); „Denn aus der Seite des am Kreuz entschlafenen Christus ist das wunderbare Geheimnis der ganzen Kirchen hervorgegangen“ (SC 5). „Die Möglichkeit der Kirche, die Eucharistie zu ‚verwirklichen‘, ist ganz und gar verwurzelt in der Selbsthingabe Christi an sie“ (Sacramentum caritatis 14). Die Geburt der Kirche aus dem Herzen Jesu ist zugleich ihre Hochzeit mit ihrem göttlichen „Blutbräutigam“ (Ex 4,26): „Wie der Kreuztod in der Vätertheologie zugleich als Hochzeitstag erscheint, so ist auch die Eucharistie wesentlich hochzeitliches Sakrament, höchste innerweltliche Teilnahme der Seele an der Hochzeit zwischen Christus und der Kirche. Weil sie hochzeitliches Sakrament ist, darum auch Herzenssakrament im eminenten Sinn. In den beiden Hauptsakramenten Taufe und Eucharistie ist die Fülle der Siebenzahl eingeschlossen: Immerfort geht der siebenfache Strom vom durchbohrten Herzen des Gekreuzigten aus, und so erfüllt sich hier die Verheißung Jesu vom letzten Laubhüttenfest“ (Josef Stierli, Dogmatische und religiöse Werte der Herz-Jesu-Verehrung, in: ders. [Hg.], Cor Salvatoris, 1954, 259).
Bild: An Pfingsten, dem 50. Tag, dem Beginn der achten Woche nach Ostern, sind die Apostel mit Maria und den Frauen einmütig im Gebet versammelt und erwarten den Beistand von Oben, der dann in Sturmbraus und Feuerzungen auf sie herabkommt (Apg 1,14; 2,1-4). Die Osterzeit dauert fünfzig Tage von Ostersonntag bis Pfingsten, wird aber in der Liturgie wie ein einziger Festtag gefeiert“ (GL 317). Die Auferstehung am ‚achten Tag‘ (Sonntag) und Pfingsten am ‚50. Tag‘ zielen gleichermaßen auf die Vollendung als ‚Vergöttlichung‘ (theosis, deificatio) der Welt durch den Geist Gottes, das heißt auf die Hochzeit oder ‚Vermählung‘ von Geist und Materie, von ‚männlichem‘ Feuer (esch) und ‚weiblichem‘ Wasser‘ (majim) im Himmel (scha-majim ≈ esch-majim). Im Judentum wird an Pfingsten (Wochenfest, Erntedankfest; Ex 34,22) der Empfang der gesamten Thora am Sinai, das heißt der schriftlichen Thora und ihres Verständnisses in der mündlichen Thora, gefeiert. St. Georg, Madaba, Jordanien.
Das Neue Testament identifiziert Jesus als Geist-Gesalbten (Messias) mit der Gestalt des Gottesknechts bei Jesaja, wo Gott sagt: „Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Völkern das Recht“ (Jes 42,1; Mt 12,18). Der Gottesknecht selbst sagt von sich: „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt“ (Jes 61,1; Lk 4,18). Das Salböl, schemen, 300-40-50 = 390, ist das Symbol des Geistes, denn schemen ist verwandt mit ‚acht‘, schmonah, 300-40-50-5, und hat den gleichen Zahlenwert wie ‚Himmel‘, schamajim, 300-40-10-40 = 390 (= 3 x 130; die Zahl 130 ist auch der Wert von Sinai, 60-10-50-10, als Ort der Offenbarung und von der ‚Leiter‘ Jakobs zum Himmel, sulam, 69-30-40). Friedrich Weinreb schreibt: „Dass also ‚Öl‘ zur Salbung verwendet wird, geschieht nicht, weil Öl etwas Nützliches und gut für die körperliche Ernährung und ein Zeichen von Wohlstand ist, sondern vor allem, weil im Wesen ein ganz besonderer Zusammenhang besteht zwischen ‚Öl‘ als Erscheinungsform hier und dem Begriff ‚Himmel‘, wie er sich uns zeigt. Der König wird durch den ‚Himmel‘ gesalbt, und das Bild dafür ist genau das, was hier als ‚Öl‘ erscheint. Unsere Sicht auf die Dinge ist äußerlich, irdisch geworden, und so ist auch Öl für uns nur etwas Irdisches“ (Schöpfung im Wort, ³2012, 237f). Die Herstellung des Öls aus der Olive, der ‚sechsten‘ Frucht (Dtn 8,8), dauert acht Tage: „Öl ist ja Acht, Öl kommt erst am achten Tag“ (239). Von daher ist der Messias der „König des achten Tages“ (247), des Sonntags der Auferstehung jenseits der Sieben-Tage-Schöpfung. Mit Taufe und Firmung werden die Gläubigen mit dem heiligen Chrisam gesalbt, das sie zu „Gesalbten“ (= Christen) macht in der Teilhabe an der Sendung des Königs Messias oder des Christus (KKK 1241; 1289). Bei der Chrisam-Weihe in der Chrisam-Messe (Montag der Karwoche) betet der Bischof im Weihegebet: Du (Gott) hast „das Zeichen der Salbung einzigartig erfüllt in deinem geliebten Sohn Jesus Christus. Nach seiner Taufe im Jordan hast du ihn gesalbt mit dem Heiligen Geiste“; die Getauften und Gefirmten machst du „Christus ähnlich, deinem Gesalbten, und lässt sie teilhaben an seiner Sendung als Prophet, als Priester und König“ (vgl. KKK 1241; 1268). Das Öl des Geistes stärkt in der Schwachheit des Fleisches zum Kampf gegen die Mächte des Bösen und des Todes. Die „Salbung“ lehrt von innen her die Wahrheit des österlichen Glaubens als „Sieg“ über die „Welt“ (1 Joh 2,27; 5,4).
Bild: Nur Lukas berichtet von einer Aufnahme des Auferstandenen vor den Apostel als Augenzeugen „40 Tage“ nach Ostern in den Himmel (Apg 1,3): „Eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken“ (V.9). Schon in Lk 24,51f heißt es: „Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben; sie aber fielen vor ihm nieder.“ Die Zahl 40 steht in der Bibel für die Zeit überhaupt: Israels Wüstenzug dauert 40 Jahre, Mose ist 40 Tage auf dem Berg Sinai; König David regiert 40 Jahre; bei der Sintflut ist mehrfach vom Zeitmaß 40 Tage die Rede. Der 13. Buchstabe Mem hat den Zahlenwert 40; hebr. majim ist das Wasser als Symbol der Zeit, die als ‚linke Seite‘ des Gerichts und des ‚Weiblichen‘ der rechten Seite des Lichts (der Gnade, des ‚Männlichen‘) gegenübersteht. Der männliche Geist zur Verwandlung der ‚weiblichen‘ Zeit und Welt kommt am „50. Tag“ auf die Apostel mit Maria in ihrer Mitte herab (Pentecoste,Pfingsten). St. Georg, Madaba, Jordanien.
Die in den Psalmen vorgebildete Himmelfahrt Jesu als „Inthronisation des Messiaskönigs“ und „Einzugs Christi ins himmlische Heiligtum“ war ursprünglich kein eigenes Fest, sondern gehörte zum einen mysterium pascale (Jean Daniélou, Liturgie und Bibel. Die Symbolik der Sakramente bei den Kirchenvätern, 1963, 306-321: Christi Himmelfahrt). Ursprünglich umfasste das Osterfest „das ganze Mysterium Christi: Menschwerdung, Leiden, Auferstehung, Himmelfahrt und Geistsendung“ (322). „Himmelfahrt ist das Fest der Inthronisation des Messiaskönigs, wie sie in den Psalmen vorgebildet ist. Der biblische Ort für Christi Himmelfahrt ist also in erster Linie der Psalter“ (306). Messianisch in diesem Sinn gedeutet werden die Psalmen 24 (Der Einzug des Königs der Herrlichkeit in sein Heiligtum), 67,5 („der auf den Wolken einherfährt“), 67,19 („Du zogst hinauf zur Höhe“ – vgl. Eph 4,8-10) und 67,34 („der aufsteigt über den Himmel gen Osten“) sowie 110,1 („Setze dich mir zur Rechten“). Andere neutestamentliche Schriften sehen den Gekreuzigten und Auferstandenen auf dem Hintergrund der alttestamentlichen Weisheits- und Tempeltheologie: „Wenn der Hebräerbrief Psalm 23 [= 24] auf die Himmelfahrt als den Einzug Christi ins himmlische Heiligtum anwendet, so bestätigt er damit nur, dass sich das in Christus vollendete, was schon im Tempelkult angekündigt war“ (319). An dieser Inthronisation des Messiaskönigs, der zugleich Priesterkönig ist, gewinnt der Gläubige Anteil in der Taufe. Ein Vorausbild für die Himmelfahrt Christi ist der mit dem Feuerwagen zum Himmel auffahrende Elija/Ilias (vgl. Helios = Sonne; 2 Kön 2,11). „So gleicht der auffahrende Elias auf frühchristlichen Darstellungen dem Helios auf dem Sonnenwagen“ (Günter Spitzing, Lexikon byzantinisch-christlicher Symbole, Art. Elias und Elisa, 90). Auch von Henoch, Esra, Baruch und Mose werden Entrückungen und Himmelfahrten erzählt. Die Fahrt zum ‚Himmel‘ auf dem kreuzförmigen kosmischen Thronwagen (Ez 1; s. u.) meint das Eins-Werden des Menschen mit Gott: „Feuer hebt das Wasser auf, es kompensiert das Element Zeit und lässt erkennen, dass Zeit, auch wenn wir sie völlig überblicken, doch nur eine Seite der ganzen Schöpfung ist. Das Wort für Himmel, ‚schamajim‘, ist eine Zusammenfügung von ‚esch‘ und ‚majim‘, von Feuer und Wasser. Der Gegensatz ist dort aufgehoben, Feuer und Wasser sind dort eine Einheit“ (Friedrich Weinreb, Der Weg durch den Tempel, 2000, 384).
Bild: In der Ostkirche wird in der pfingstlichen Hoch-Zeit des Frühlings (Mai/Juni) der Boden der Gotteshäuser mit Gras, Kräutern und Blumen bedeckt; so entsteht eine Wiese, „die mystischer gar nicht sein könnte als hier, wo das Mysterium sich vollzieht“ (Gertrud und Thomas Sartory, Wenn Himmel und Erde sich begegnen. Feste und Zeiten im Jahreskreis, 1979, 103-115: Pfingsten: Der unvergessliche Garten, 115). Mit der durch die pfingstliche Geistsendung offenbar werdenden einen und heiligen, katholisch-universalen und apostolische Kirche im pfingstlichen Sprachenwunder (Apg 2,5-12) wird zugleich die beim Turmbau zu Babel zerstörte Einheit der Sprache (vgl. Gen 11,1-9) wiederhergestellt; daher ist die biblische Erzählung von der Zerstörung der einen Sprache durch Gott liturgischer Lesungstext am Vorabend zum Hochfest. In der Präfation vom Pfingsttag betet die Kirche: „Dein Geist schenkt allen Völkern die Erkenntnis des lebendigen Gottes und vereint die vielen Sprachen im Bekenntnis des einen Glaubens.“ „Die Sprachverwirrung und der Abbruch des Turmbaus sind das typologische Gegenstück zu Pfingsten“ (Günter Spitzing, Lexikon byzantinisch-christlicher Symbole, 1989, 304). Taufstamm aus Tansania mit Pfingstszene, St. Jakobus, Rothenburg ob der Tauber.
„Die Osterzeit dauert fünfzig Tage von Ostersonntag bis Pfingsten, wird aber in der Liturgie wie ein einziger Festtag gefeiert“ (GL 317). Die Auferstehung am ‚achten Tag‘ (Sonntag) und Pfingsten am ‚50. Tag‘ (7 x 7 +1) zielen gleichermaßen auf die Vollendung als ‚Vergöttlichung‘ (theosis, deificatio) der Welt durch den Geist Gottes, das heißt auf die Hochzeit oder ‚Vermählung‘ von Geist und Materie, von ‚männlichem‘ Feuer (esch) und ‚weiblichem‘ Wasser‘ (majim) im Himmel (hebr. scha-majim ≈ esch-majim). Weg des Feuers ist die liturgische Farbe an Pfingsten das Rot. Im Judentum wird an Pfingsten (Schawuot = Wochenfest) der Empfang der gesamten Thora, der schriftlichen und ihres Verständnisses in der mündlichen Thora, am Sinai gefeiert: „Beim Erhalt der Tora sei der Berg Sinai plötzlich ergrünt. Deshalb schmücken jüdische Gemeinden bis heute den Ort, von dem aus die Tora empfangen wird, nämlich den Toraschrein, mit grünen Pflanzen und Blumen. In manchen Gemeinden sieht man dann viel Palmengrün, immergrüne Bäumchen, prächtige Zitrusbäume oder wie in einigen italienischen Synagogen sogar wunderschöne Rosenarrangements“ (Levi Israel Ufferfilge, Bilder jüdischen Lebens, in: Bibel heute 1/2023, Jüdische Feste, 14f). Grün ist die Verbindung von Gelb/Gold im Osten (Ursprung, Vergangenheit) und Blau im Westen (Zukunft), somit die Gegenwart in der ‚Mitte‘. „Das Grüne ist die Freude, die Ruhe, der Frieden, weil Zukunft und Vergangenheit im Jetzt sich treffen. Es ist das grüne Kleid der Welt, es ist die in der Überlieferung genannte grüne Farbe des Sinai. … jetzt … kommt der neue Mensch, der neue Adam, als Bräutigam der Braut entgegen“ (Friedrich Weinreb, Wunder der Zeichen – Wunder der Sprache, ²1999, 185). Im Christentum tritt an die Stelle der Thora der auferstandene Jesus und der Geist Gottes in „Zungen wie von Feuer“, den die mit Maria versammelten zwölf Apostel als innerster Kern der Braut-Kirche empfangen (Apg 2,1-4). Durch die Sendung der Fülle des Heiligen Geistes vom Himmel an Pfingsten ‚grünt und erblüht‘ die im Geist lebendige Kirche ganz neu. Um das Kommen dieses Geistes betet sie mit Psalm 104,30: „Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu“ (GL 312,2), das heißt im Frühling und Wonnemonat Mai auch grün.
Bild: Ein unbekannter (europäischer) Maler hat im 17. Jahrhundert diese Szene des Berührens der Seitenwunde des auferstandenen Jesus durch Thomas zusammengesehen mit der Szene des Nicht-Berührens Jesu in seiner Begegnung mit Maria Magdalena. Maria sieht in Jesus erst den „Gärtner“, bevor er ihre ‚Blindheit‘ wegnimmt und sie dabei als „Frau“ bezeichnet wie zweimal seine Mutter Maria (Joh 2,4; 19,26; 20,15). Das Weibliche ist biblisch das Äußere und Sichtbare, die ‚Umhüllung‘, das Männliche ist das Innere und Unsichtbare, der ‚Kern‘. Maria aus Magdala soll deshalb Jesus in seiner sichtbaren Erscheinung nicht berühren: „Halte mich nicht fest (noli me tangere) (Joh 20,17). Auch Maria hat so „den Herrn gesehen“ (V.18), doch erst Thomas kann das Bekenntnis des Glaubens aussprechen: „Mein Herr und mein Gott“ (V.28). Prag, Kloster Strahov, Gemäldesammlung des Prämonstratenserordens.
Im Johannesevangelium ist Jesus der ewige Logos (Vernunft, Wort, Wahrheit) des himmlischen Vaters, der als solcher das ewige Leben und wahre Licht der Menschen ist, „das jeden Menschen erleuchtet“, der glaubt, das heißt Jesus in Liebe aufnimmt in sein Herz (Joh 1,4.9; 14,23). Die Menschen aber sind nicht gläubig, sondern „liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse“ (Joh 3,19). „Die Liebe zu Gott (ist) nicht in euch“; sie können nicht „zum Glauben kommen, wenn ihr eure Ehre voneinander empfangt, nicht aber die Ehre sucht, die von dem einen Gott kommt“ (Joh 5,44). Jesus sucht und gibt Gott, dem Vater, seine Ehre, indem er den Willen dessen tut, der ihn gesandt hat und der seine „Speise“ ist (Joh 4,34; 6,38) und ihn so verherrlicht. Es ist aber „der Wille meines Vaters, dass alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, das ewige Leben haben und dass ich sie auferwecke am Letzten Tag“ (Joh 6,40). Dieser ‚Letzte Tag‘ ist jetzt schon gekommen, wie die Auferweckung des Lazarus zeigt, den Jesus nach ‚vier‘ Tagen aus dem Grab ruft, als der Verwesungsgeruch schon zu riechen ist; so lässt er „die Herrlichkeit Gottes sehen“ (Joh 11,39f). „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“, der in Jesus ist, wie er im Vater ist und mit ihm eins ist (Joh 14,9f; 10,30; 17,21f). Das Sehen Jesu ist kein äußeres Sehen, das durch die Sünde (den Sündenfall) „blind“ ist, wovon Jesus die Menschen erst heilen muss: „Jetzt aber sagt ihr: Wir sehen. Darum bleibt eure Sünde“ (Joh 9,41). Diese Heilung von der Blindheit geschieht durch seinen Tod am Kreuz, der in der tiefsten Entehrung die höchste Erhöhung zur Ehre und Herrlichkeit des Vaters ist, weil Jesus so erhöht in „Blut“ und „Wasser“ aus seiner geöffneten Seite den Geist der Wahrheit ‚überliefert‘ (Joh 19,30.34; vgl. 1 Joh 5,5-8). Dieser Geist kann erst kommen, wenn Jesus ‚geht‘, das heißt stirbt (Joh 16,7). In diesem Geist sagt der Lieblingsjünger mit Blick auf die durchbohrte Seite: „Der es gesehen hat, hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr…, damit auch ihr glaubt“ (Joh 19,35). Denn: „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben“ (V.37; vgl. Sach 12,10). Thomas, der bei der Begegnung mit dem Auferstandenen nicht dabei ist, will seine Finger in die durchbohrte Seite legen, um zu glauben, was ihm Jesus ermöglicht: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29).
Bild: Nach Psalm 19,6 tritt am Frühlingsbeginn die junge Frühlings-Sonne aus ihrem Gemach und beginnt ihren Jahreslauf frohlockend wie ein Bräutigam; so tritt Christus bei seiner Fleischwerdung aus dem ‚Brautgemach‘ der Jungfrau (am 25. Dezember); neun Monate früher, dem Frühlings-Äquinoktium am 25. März, verkündet der Engel diese Fleischwerdung des Logos. Sie setzt sich ‚horizontal‘ fort in der Feier der Eucharistie als ‚Einsseins‘ von Christus und seiner „makellosen“ Braut-Kirche (Eph 5,27-31), wozu die Taufe befähigt: Wie der Mond (Luna) als Urbild des Weiblichen (in enger Beziehung zum Wasser) sein Licht und Leben von der Sonne erhält, so empfängt in der Osternacht die Ekklesia am ersten Sonn-tag nach dem Frühlingsvollmond als der ‚wahre Mond‘ das ewige Licht und Leben des auferstandenen Sonnen-Christus zur Wiedergeburt der Gläubigen aus dem Lebensbrunn des vom Geist befruchteten Wassers der Taufe. Astronomische Uhr, Altstädter Rathaus, Prag (1410), darunter das Kalendarium mit Monatsbildern.
Auf der Sonnen-Pyramide von Chichén Itzá auf der Halbinsel Yucatán/Mexiko lassen zur Sonnenwende im Frühling und im Herbst die Sonnenstrahlen den Lichtschatten der Großen Schlange auf der Pyramidentreppe (Himmelsleiter) hoch- und niedergleiten (vgl. Hildegard Marcus, Spiritualität und Körper, ³2008, 97f). Anthropologisch symbolisiert die Schlange die Triebkräfte (Libido), die bei ‚irdisch gesinnten‘ Menschen fallen, beim ‚himmlisch gesinnten‘ hingegen steigen: „Wenn der Meditierende eins mit der Weltachse, ganz im Lot mit leicht geöffneten Augen dasitzt und sich vom Himmelslicht überfluten lässt, dann werden die aufwallenden Triebkräfte sich umkehren (metanoia) und an der Wirbelsäule aufsteigen in die offene Weite des Himmels. Der Mensch wird ganz Atem, ganz Leib, ganz Licht“ (Detlef Witt, Die Evolution des menschlichen Bewusstseins, 1999, 112). In diesem Sinn ist das Paschafest mit dem rettenden Blut des Lammes, das dem Blut der Beschneidung der jüdischen Knaben am ‚achten Tag‘ entspricht, ein Frühlingsfest (Dtn 16,1-8). Das Lamm hat sein kosmisches Vorbild im Widder, den Abraham anstelle des geliebten Sohnes Isaak opfert (Gen 22,13); dabei trägt Isaak auf Illustrationen das Feuerholz in der Form eines Chi-Kreuzes: „Das kosmische Gefüge des Chi (= X) oder des gedoppelten Kreises wird als Inbegriff der geistigen Struktur des Kosmos aufgefasst. Das Eingebundensein der Planeten in die Wendekreise und die Rückkehr der Sonne aus dem Winter in den Frühling, aus dem Tod in das Leben, und der alles durchwirkende Prozess des Lichtes in der Biosphäre werden als staunenerregender Vorgang dargestellt, als das große Geheimnis des Daseins. Im Zeichen des X sieht man den Ursprung der Erkenntnis und des Lebens“ (Herbert Schade, Lamm Gottes und Zeichen des Widders, 1998, 61). Jesus stirbt am Kreuz als „Lamm Gottes“ (Joh 1,29) parallel zu den geschlachteten Lämmern im Tempel und wird von der Lanze durchbohrt (Joh 19,34.37): „Das Lamm oder das Tierkreiszeichen des Widders wurde durchbohrt, aber es galt – da es im nächsten Jahr wiederkam – als nicht zerstörbar; deshalb durfte man kein Gebein an ihm (bei der Paschamahlfeier) zerbrechen [Ex 12,46; Joh 19,36]. Seine Wiederkunft am Himmel zeigt die Auferstehung der ganzen Welt im Frühling und das Wiedererwachen des Lebens. Als Vorgang im Weltall war dieses Ereignis auch Symbol einer natürlichen Offenbarung“ (Schade, Der „Lanzenstich“, in:GuL 2/1987,99-124).
Bild: Wer nicht hören will, muss fühlen – nach diesem Grundsatz verhängten die Römer drakonische Strafen für alle, die sich ihrer Ordnung und Herrschaft widersetzten. Die öffentliche Kreuzigung für nicht-römische Aufständische und Rebellen war die am meisten den Pönitenten entehrende Strafe. Der dritte, letzte und für Rom gefährlichste Sklavenaufstand war der des Spartacus im Jahr 73 v. Chr., der mit anderen Gladiatoren ausbrach und bald ein Heer von 40.000 Mann aufstellen konnte; nach mehreren Siegen gelang es dem Sklavenhändler Crassus, Spartacus zu töten; die überlebenden 6000 Sklaven – rechtlich eine ‚Sache‘ – ließ er an der Via Appia ans Kreuz schlagen. Als es nach dem Tod des Herodes im Jahr 4 v. Chr. in Palästina zu Unruhen kam, ließ der Statthalter Publius Quinctilius Varus 2000 Juden kreuzigen. Bei den ‚Gladiatorenspielen‘ in der Arena in Rom ab 80 n. Chr. verloren in 320 Jahren 300 000 Sklaven ihr Leben, u. a. durch „Bestien“. Der Schöpfer und Erlöser zwischen Sonne und Mond, dem Lieblingsjünger und seiner Mutter; am Fuß der Totenschädel Adams und das letzte Wort Jesu nach Joh 19,30: „Consummatum est: Es ist vollbracht“, Prag, St. Heinrich und Kunigunde.
Am Karfreitag gehen jährlich Tausende von christlichen Pilgern auf der Via Dolorosa in Jerusalem von der Burg Antonia über den Tempelberg zur Grabeskirche den schmerzhaften Leidensweg Jesu nach, um sich an den 14 Kreuzweg-Stationen (acht auf dem Prozessionsweg) tiefer mit der erlösenden Passion Jesu zu verbinden; dabei tragen sie auch ein großes Holzkreuz, wie es Jesus auf dem Weg getragen hat (Joh 19,17). Eine andere Form der Erinnerung sind die Passions-Oratorien, die das stumme Leiden ist gesungene Wort bringen. Wenn Jesus, erhöht am Kreuz, mit dem „Es ist vollbracht“ sein Leben aushaucht, sein Haupt neigt und seinen Geist aufgibt (wörtlich: überliefert), da fragen Chor und Bass-Arie in der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach nach der Bedeutung für den Gläubigen: „Es ist vollbracht, bin ich vom Sterben frei gemacht? Kann ich durch deine Pein und Sterben das Himmelreich ererben? Ist aller Welt Erlösung da?“ Der tote Jesus kann zwar nichts mehr sagen, aber mit dem Neigen seines Hauptes spricht er „stillschweigend: ja“. So wird die Bitte des Chors am Eingang erhört: „Zeig uns durch deine Passion, dass du, der wahre Gottessohn, zu aller Zeit, auch in der größten Niedrigkeit, verherrlicht worden bist!“ Denn die Passion ist nicht nur die Exekution der römischen Strafe für Rebellen beziehungsweise in jüdischer Lesart für Gotteslästerer („denn er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht“), sondern Erweis der Liebe Gottes für die Welt bis zur Vollendung (Joh 3,16; 13,1), wie der erste Choral betont: „O große Lieb, o Lieb ohn alle Maße, die dich gebracht auf diese Marterstraße! Ich lebte mit der Welt in Lust und Freuden, und du musst leiden!“ Auch heute lässt sich die ‚Welt‘ in Deutschland nicht von ihrer Tanzlust bei der „Heidenspaß-Party“ als „zünftige Karfreitagssause“ abbringen, das gesetzliche Tanzverbot unterläuft die Giordano-Bruno-Stiftung mit Wortbeiträgen zum „Humanismus“. Die Gläubigen betrachten dagegen Jesu Schmerzen „mit bittrer Lust und halb beklemmtem Herzen“ (Arioso-Bass); im Unterschied zur ‚Welt‘, zu Pilatus, der seine Hände in Unschuld wäscht, und zu den jüdischen Autoritäten stellen sie sich ihrer eigenen Schuld, die durch (Mit-)Leiden gesühnt wird: „Ich, ich und meine Sünden, die sich wie Körnlein finden des Sandes an dem Meer, die haben dir erreget das Elend, das dich schläget, und das betrübte Marterheer“ (3. Choral).
Bild: Im Jahr 1556 kamen die ersten zwölf Jesuiten nach Prag, um gegenüber der Karlsbrücke im schon verfallenen Dominikanerkloster eine philosophisch-theologische Fakultät zu errichten als Konkurrenz zur protestantischen Karls-Universität. Im Nov. 1620 in der ersten großen Schlacht im Dreißigjährigen Krieg siegten die Habsburger am Weißen Berg über den böhmischen Ständeaufstand; die Rekatholisierung des Landes wurde getragen von den Jesuiten. Das in den Jahren 1653 bis 1726 entstandene Jesuiten-Collegium Klementinum prägte die geistige Elite Böhmens nach dem jesuitischen Wahlspruch: „Omnia ad maiorem Dei gloriam“ (Alles zur größere Ehre Gottes). 1696 wurden zwei Juden wegen angeblich blasphemischen Äußerungen gegen das Kreuz auf der Karlsbrücke zu einer Geldstrafe verurteilt, was für die jetzt am Kreuz angebrachte hebräische Umschrift verwendet wurde: „Kadosch Kadosch Kadosch JHWH Sebaoth“ – „Heilig, Heilig, Heilig ist der Herr der Heere“ (Jes 6,3).
Paulus verkündet im Kreuz Jesu „das Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes, die Gott vor allen Zeiten voausbestimmt hat für unsere Verherrlichung. Keiner der Machthaber dieser Welt hat sie erkannt; denn hätten sie die Weisheit Gottes erkannt, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt“ (1 Kor 2,7f). Als Herr der Herrlichkeit erscheint im Alten Bund JHWH, den Jesaja in seiner Berufungsvision schaut, wenn die Serafim das dreimal „Heilig“ einander zurufen, denn: „Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt“ (Jes 6,3). ‚Herrlichkeit‘ steht für Größe, Großartigkeit, Ruhm, Pracht, (Licht-)Glanz und Glorie, auch für Schönheit, Kostbarkeit, Erhabenheit, Anziehung, Zauber und Nimbus (im Mittelhochdeutschen stand ‚Herrlichkeit‘ auch für Herrschaftsgebiet und Rechte eines Herrschers). Der Begriff ist verwandt mit Heiligkeit, Göttlichkeit, Hoheit, Majestät, Machtfülle, Kraft, Unvergänglichkeit und Ewigkeit. Das 1. Vatikanische Konzil betont: „Die Welt ist zur Ehre Gottes geschaffen“ (DS 3025): „Wie der hl. Bonaventura erklärt, hat Gott alles erschaffen, ‚nicht um seine Herrlichkeit zu mehren, sondern um seine Herrlichkeit zu bekunden und mitzuteilen‘ (sent. 2,1,2,2,1)“ (KKK 293). Bei Menschen drückt sich der soziale Status neben dem Tragen von Ehrentiteln im Namen auch durch die jeweilige Kleidung aus, die früher stark reglementiert war. Gottfried Kellers Novelle „Kleider machen Leute“ (1874) handelt von einem armen Schneidergesellen, der durch seine Kleidung für einen polnischen Graf gehalten wird, an dem die Tochter eines Amtsrates Gefallen findet; sie hält auch nach Aufdeckung des ‚Missverständnisses‘ an ihm fest, weil sie an seine Liebe glaubt, so dass es der Schneider am Ende zu einem Atelier, zu Wohlstand und Ansehen bringt. Umgekehrt hat man Gefangene oder Rebellen dadurch entehrt und entwürdigt, dass man sie entkleidet und nackt zur Schau gestellt hat wie bei einer römischen Kreuzigung. Die Menschen suchen ihre eigene Ehre, Jesus aber die Ehre Gottes (Joh 5,41.44; 17,4). Darum lässt er sich erniedrigen, dem Willen Gottes „gehorsam bis zum Tod am Kreuz“ – „zur Ehre Gottes, des Vaters“, der ihm umgekehrt den Namen verleiht, „der größer ist als alle Namen“, das heißt JHWH (Phil 2,8-11), und ihn so erhöht zum ewigen König der Herrlichkeit (Ps 47,6-10). „Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren“ (Joh 17,26).
Bild: Das im Sündenfall erblindete innere (dritte) Auge der Kontemplation findet Heilung im Glauben an Jesus (Joh 9,1-12), als „Licht, das jeden erleuchtet“ (Joh 1,9). Das Auge, Ajin, 70-10-50 = 130, ist heil, wenn es nicht nur die sichtbare Vielheit (= 7 oder 70) sieht, sondern auch die jenseitige Einheit (echad, 1-8-4 = 13 analog 130). Damit das Herz Gott schaut, muss es rein sein (Mt 5,6). Jesu Jüngern werden den Himmel offen sehen wie Jakob in seinem Traum von der Leiter (Joh 1,51; Gen 28,17): dem Kreuz, „drauf man steigt zum Leben, das Gott will ewig geben“ (GL 294,4). Maiestas Domini, Seitenportal Stiftskirche, Innichen, Pustertal.
Bei Jesu Kreuzigung reißt der Vorhang vor dem Allerheiligsten „von oben bis unten entzwei“ (Mt 27,51), so dass die im Tempel symbolisiert „Mitte der Welt“ (Ez 38,12) für alle Gläubigen zugänglich wird. Jeru-salem heißt ‚Sehen des Friedens‘ (schalom), des Ganzen. Die Mitte des Auges ist die Pupille; F. Weinreb schreibt: „Diese Erde ist das Schwarze, in dem sich die Iris befindet: Das sind die Völker. Und der dunkle Teil der Iris ist das ‚Land‘, dessen Mittelpunkt, wo sich das Bild formt, wo man also mit dem Auge sieht, wiederum Jerusalem mit dem Tempel ist.“ „Mit der ‚galgal‘ (wird) das Bild im Auge geformt.“ Im Auge drückt sich „das ganze Weltall“ aus: „Das Auge ist beim Menschen tatsächlich Jerusalem und der Tempel“ (Das Opfer in der Bibel, 2010, 621; 623). Galgal ist auch das „Räderwerk“ des kosmischen Thronwagens Gottes mit der „Herrlichkeit des Herrn“ (Ez 1,26-28; 10,13). Die Kirchenväter identifizieren diese Gestalt mit dem Messias-König auf dem Kreuzesthron; Herbert Schade bemerkt: „In der Maiestas Domini, das heißt, im Bild des im Himmel thronenden Herrn der Herrlichkeit, beobachten wir oft förmlich die Kreisbahnen des Lichtes. Manchmal erkennen wir sogar zwei Kreise, die aus den Lenden des Herrn hervorgehen und auf uns wie eine Acht (= 8) wirken. Diese Kreise bezeichnen den Lauf der Planeten und grenzen den Himmelsglobus ein, einen Bereich, den wir heute als Biosphäre ansprechen könnten. (…) Das Aufsteigen des Feuers aus den Lenden des Himmlischen Menschen (Ez 1,27) bietet der alten Theologie einen Ansatz, die Geschlechtlichkeit theophorisch zu erklären. So schreibt Origenes: ‚Die Lenden sind das Symbol der Zeugung.‘ Der Bericht des Propheten soll zeigen, dass diejenigen, die durch Geburt entstanden sind, das Feuer nötig haben. Ähnlich äußert sich auch Gregor der Große über den Ursprung des Feuers: ‚Was wird mit dem Begriff Lenden ausgedrückt, wenn nicht das Geschlecht.‘ Sehr deutlich formuliert es Hrabnus Maurus: ‚Das, was von den Lenden abwärts geht, wo der Geschlechtsverkehr und die Zeugung stattfindet und sich der Zündstoff für die Laster befindet, bedarf der Feuerflammen, damit, wenn alles gereinigt ist, dieser Bereich dem Regenbogen ähnlich wird, den man gemeinhin Iris nennt, und der in den Wolken an Regentagen erscheint.‘ Damit wird die Maiestas bzw. die Ezechielvision geradezu zum Motiv, die Geschlechtlichkeit als göttlichen Auftrag zur Integration der Sinnlichkeit und ihrer Sublimierung anzusehen“ (Der „Himmlische Mensch“, 1980, 30).
Vom Thron Gottes und vom Lamm geht ein Strom aus, „das Wasser des Lebens, klar wie Kristall“ (Offb 22,1). Ambrosius wie auch die Kabbala identifiziert den einen Paradiesquell (Gen 2,10), der sich in die vier Ströme teilt, mit der göttlichen Weisheit (Chokmah): „Sie ist Quell gemäß dem Evangelium, das sagt: ‚Wenn einer Durst hat, komme er zu mir und trinke‘ (Joh 7,37)… Wie also die Weisheit Quelle des Lebens ist, Quelle der christlichen Gnade, so ist sie Quelle der übrigen Tugenden, die uns auf dem Weg des ewigen Lebens leiten. Deshalb entspringt dieser Quell einer verfeinerten, nicht einer rohen Seele, um das Paradies zu bewässern, das ein Zweigwerk von verschiedenen Tugenden ist, von denen es vier grundlegende gibt, in die sich die Weisheit aufteilt. Welche sind die vier grundlegenden Tugenden, wenn nicht als erste die Klugheit, als nächste die Mäßigung, als dritte die Tapferkeit und als vierte die Gerechtigkeit?“ (Über das Paradies, 2013, 34f; vgl. Weish 8,7). Jesus am Jakobsbrunnen, griechisch-orthodoxe Pfarrkirche in Eloundas, Ostkreta.
Das Tragen von Wasser in Krügen und das Holen von Wasser aus Brunnen (Schoß der ‚Mutter Erde‘) ist in den alten Kulturen Sache der Frauen, das Entzünden des Feuers ist dagegen Sache der Männer. Bevor Abraham seinen geliebten Sohn Isaak auf dem Berg Mori-jah (= JHWH ist mein Lehrer) darbringen will, gerät er mit Abimelch wegen eines Brunnens in Beerscheba (Sieben-Brunnen) aneinander (Gen 21,25-33). Zum ersten Mal begegnet Isaak seiner Frau Rebekka, wo er von einem Brunnen kommt (Gen 24,62-64). Das Wort für ‚Brunnen‘ und ‚Quelle‘, be-er, 2-1-200, hat dieselben Komponenten wie bara, ‚erschaffen‘, und bari, 2-200-10-1, ‚gesund‘. „Darin lässt sich der Stamm von ‚Schöpfung‘ wiedererkennen: Der gesunde Mensch ist, wie jeder neue Tag, eine Schöpfung. (…) Er ist im Ursprung, bei ‚chochmah‘ [Weisheit], ‚binah‘ [Verstand] und ‚daath‘ [Erkenntnis], und ist zugleich auch hier. Er ist hier [im Bund] verbunden mit Dort, dann nennt man ihn ‚gesund‘“ (Weinreb, Der Weg durch den Tempel, 2000, 111f). Am Jakobsbrunnen trifft Jesus um die Mittagsstunde eine samaritanischen Frau, die fünf Männer hatte und der jetzige, der sechste, „ist nicht dein Mann“ (Joh 4,18). Jesus offenbart sich hier wie auf der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-11) als der wahre Bräutigam der menschlichen Seele; ihr erschließt er den lebendig machenden Quell des Geistes, so dass sie „niemals mehr Durst“ hat, weil das Wasser, das Jesus gibt, „zur sprudelnden Quelle“ im Menschen wird (Joh 4,12-14). Dieses Wasser ist der Heilige Geist (Joh 7,38f), aber auch sein eucharistisches „Blut des Bundes“, das „wirklich ein Trank“ ist (Joh 6,55). Im Hohelied der Liebe erscheint die Braut als „verschlossener Garten“ und „versiegelter Quell“: „Die Quelle des Gartens bist du, ein Brunnen lebendigen Wassers, Wasser vom Libanon“ (Hld 4,12.15). Einen Garten gibt es nur, wenn eine Quelle da ist, die von Kabbalisten wie Rabbi Pinchas auf die oberen Sefirot bezogen wird: „Die Quelle, verborgen und versiegelt, die diese Gärten [die fünf unteren Sefirot] bewässert, ist Binah“, der göttliche Verstand auf der linken Seite des Symbol-Systems der Sephirot (wobei Tipheret und Jesod auf der Mittalachse als eins gesehen werden): „In den Höhen der Sephirot, in Chokmah [Weisheit] und Binah, ist die Quelle des lebendigen Wassers“ (R.Umbach, Deine Liebe ist süßer als Wein. Das Hohelied, kabbalistisch gelesen, 2005,159).
Bild: Jesu Verklärung zwischen Mose und Elija bezieht sich mittelbar auf das Laubhüttenfest. Mit dem Bau der provisorischen Laubhütten beginnt man im jüdischen Festkalender nach Ablauf des 10. Tages im 7. Monat Tischri am Ende des Versöhnungstages Jom Kippur. Die zum Himmel hin offenen Hütten waren Hinweis auf das Wohnen der „Gerechten im Paradies“ – „und dass das Laubhüttenfest diese Hoffnung wachhalte“ (Jean Daniélou, Liturgie und Bibel, 377). Israels Feste dauern wie die Schöpfung sieben Tage, das Laubhüttenfest hat aber noch einen ‚achten Tag‘: Hinweis auf die jenseitige Welt – Mosaikbild des „Altars der Transfiguration“ (Ausschnitt), Petersdom (1757-67 nach Raffaels Meisterwerk angefertigt).
Die drei biblischen Wallfahrtsfeste Ostern (Pesach), Pfingsten (Schwuoth) und Laubhütten (Sukkoth) haben ihr Ziel im Jerusalemer Tempel. Das dritte Fest Laubhütten ist das einzige, das mit einem achten Tag abschließt. Bei der Verklärung Jesu zwischen Mose und Elija will Petrus „drei Hütten“ bauen (Mt 17,4), und zwar „sechs Tage“ (V.1) nach seinem Bekenntnis zu Jesus als Messias (Mt 16,16), so „wie der Hohepriester am Kippurfest … den ‚Namen des einzigen Sohnes Gottes‘“ ausruft und das Laubhüttenfest beginnt, „das Fest der Aufrichtung des messianischen Gottesreiches“; Israels Glaubensbekenntnis „Höre Israel“ (Dtn 6,5) wird auf Jesus übertragen: „Auf ihn sollt ihr hören“ (Mt 17,5) (Juan-Miguel Garrigues, Das messianische Israel, in: IKaZ 24 [1995], 209-224, 209-214). Auf dieses Messias-Bekenntnis des Petrus als ‚Felsen‘ baut Jesus seine Kirche, die von den „Mächten der Unterwelt“ nicht überwältigt wird (Mt 16,18); das heißt, sie unterliegt nicht der Vergänglichkeit der Zeit, sondern verbindet diese mit der Ewigkeit. Diese Aufhebung der Zeit in der Ewigkeit wird auch schon im Laubhüttenfest avisiert, Friedrich Weinreb schreibt: „Das Laubhüttenfest ist in der Ausdrucksweise dieser Welt die Zeit des Endes. Die Welt des siebten Tages hört dann zu bestehen auf. Darum findet während dieses Festes das sogenannte ‚Ausgießen des Wassers‘ statt (Mischnajoth Sukka IV und V). Unter großer Freude wird Wasser in den Tempel gebracht und auf dem Altar ausgegossen. Das heißt also, dass an dieser Stelle, wo Bild und Wesen ‚eins‘ sind, das Wasser, die Zeit, ausgegossen wird, also dort, wo der Körper infolge der Zeit immer wieder wegging, wo er von dieser Welt in die andere überging. Jetzt nimmt die Zeit ein Ende, und das wird an diesem Ort mit großer Freude erlebt“ (Schöpfung im Wort, ³2012, 900). Auf diesen Ritus des Wasserausgießens bezieht sich Jesu Ruf am letzten oder „großen Tag“ (achten Tag) des achttägigen Laubhüttenfestes: „Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt. Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen. Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben; denn der Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war“ (Joh 7,37-39). Die Verherrlichung Jesu durch seinen himmlischen Vater geschieht in der „Stunde“ seines Todes am Kreuz, die in der tiefsten Erniedrigung seine ‚Erhöhung‘ über die Erde darstellt; so kann er „alle“ zu sich ziehen (Joh 12,28-29.32).
Bild: Wolodymyr Selenskyj hat den Krieg Russlands gegen sein Land knapp ein Jahr danach mit dem Kampf Goliaths gegen David verglichen: „Goliath wird auf jeden Fall dieses Jahr fallen“ (SWP, 18. 2. 2023). In der Bibel geht es aber um den Kampf zwischen Geist und Materie. Das Auflegen eines Aschenkreuzes am Aschermittwoch erinnert nicht nur daran, dass der Mensch „nur Staub ist und zum Staub der Erde zurückkehrt“ (vgl. Gen 3,19); vielmehr weist die Form des Kreuzes über den Tod hinaus zur Auferstehung. David besiegt Goliath, St. Jakobus, Tramin (Südtirol).
Der Kampf des kleineren und vermeintlich schwächeren David gegen den Riesen Goliath (1 Sam 17,1-58) ist sprichwörtlich. Am Ende besiegt der junge, „blonde“ Hirtenknabe David mit den „schönen Augen“ und der „schönen Gestalt“, der jüngste und ‚achte‘ Sohn Isais (1 Sam 16,9-13), den starken Philister bloß mit seiner Schleuder und einem von insgesamt fünf Steinen (nach dem 1–4-Prinzip), mit dem er ihn an der Stirn trifft (1 Sam 16,12; 17,40.49f). Für Cäsarius, Erzbischof von Arles (gest. 542), symbolisiert dieser eine Stein Christus selbst: „Der wahre David, Christus, trifft den geistigen Goliath, den Teufel, gerade auf der Stirn, die das Zeichen des Kreuzes nicht trägt, mit dem Stein, der IHN selber vorgebildet hatte.“ Mechthild Clauss versteht dieser Präfiguration des Steines so, dass „die Kraft des Heiligen Geistes, welche die Menschwerdung des Gottessohnes bewirkte“, ihn allegorisch verkörpert hat (Illustration als Textauslegung. Der karolingische Stuttgarter Psalter um 830, 2013, 33). Im Stuttgarter Psalter besiegt David den Goliath allerdings nicht mit dem 5. Stein (als Quint-essenz), sondern mit dessen eigenem Schwert (vgl. die Darstellung S. 285). Mit Bezug auf Ps 151,7 („Ich zog von der Seite ihm das Schwert, / Und hieb ihm das Haupt…“) heißt es: „Der Miniator knüpft seine Darstellung von Davids Kampf mit Goliath an eine Bemerkung des Psalmisten (V.7), die schon im ersten Samuel-Buch auftaucht (17,51). David zieht nämlich mit beiden Händen das riesige Schwert des Goliath aus der Scheide, um – so heißt es in Bibel und Psalm – den Gegner mit dessen eigener Waffe zu töten.“ „Das bedeutet: das Böse wird vernichtet durch das Böse, – durch sich selbst! David hat Goliath entmachtet, indem er ihm die Todeswaffe nahm. (…) Er kämpft nicht mit den gleichen Mitteln wie sein Gegner – nicht mit körperlicher, sondern mit geistiger Überlegenheit“ (278). Goliath ist ein Sohn der Orpa, die in Moab, 40-6-1-2 = 49 (= 7 x 7), einen Sohn der Naomi heiratet, während ihr anderer Sohn sich mit Ruth vermählt, der Ahnfrau König Davids (vgl. Rut 1,4; 4,21), der den Messias präfiguriert: „Der Name Orpa, 70-200-80(-5), zeigt in seiner Struktur ebenfalls die Dreihundertfünfzig, den Begriff der Dreieinhalb... Orpa hat also das, was die Materie auch hat, ‚aphar‘, 70-80-200 [= 350], Staub“ (Friedrich Weinreb, Das Opfer in der Bibel, 2010, 145f).
Wer in der Taufe „sein Gewand wäscht“ (Offb 22,14), das im Sündenfall beschmutzt wurde, und im Glauben über die Welt siegt (1 Joh
5,4), „der darf mit mir auf meinem Thron sitzen, so wie auch ich gesiegt habe und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe“ (Offb 3,21). Siegerin über die Welt (Schlange) ist mehr als
alle anderen Maria als neue Eva, weshalb ihr Sohn sie im Himmel krönt. Apsismosaik, Basilika Maria Maggiore (unter den Füßen von Christus und Maria die Symbole von Sonne und Mond).
In Psalm 8,1-7 betet der Psalmist: „Herr, unser Herr, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde; der du deine Hoheit gebreitet hast über den Himmel. (…) Seh ich deine Himmel, die Werke deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Pracht und Herrlichkeit gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über die Werke deiner Hände, alles hast du gelegt unter seine Füße.“ Der Mensch im Bild und in der Ähnlichkeit Gottes steht nicht auf der gleichen Stufe wie die mit ihm am ‚sechsten Tag‘ erschaffenen Tiere des Feldes oder der Erde. Denn diesen gibt der Mensch Adam ihre jeweiligen Namen, was ihn als Träger von Sprache und Logos (Vernunft) ausweist; eine ihm ebenbürtiger ‚Hilfe‘ für sein ‚nicht gutes‘ Allein-sein findet er unter den Tieren aber nicht (Gen 2,19f). Erst der ‚Bau‘ der Frau aus seiner ‚Rippe‘ im ‚Tiefschlaf‘, die Gott ihm als Brautführer zuführt, lässt ihn in Jubel ausbrechen: „Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“ (V.23). Nach Bonaventura ist der Mensch „die Krönung des Weltwerdungsprozesses, und Christus ist die Krönung des geschichtlichen Prozesses: das sechste Weltalter, da Gott Mensch wird, entspricht dem sechsten Schöpfungstag, da der Mensch entsteht und als König der Welt eingesetzt wird“ (Hans Urs von Balthasar, Herrlichkeit, Bd. II/1, 265-361: Bonaventura, 311). Aber wie Adam diese ‚Krönung‘ nicht allein ist, so auch nicht der neue Adam Christus allein (solus Christus), sondern nur in Einheit mit Maria als neuer Eva beziehungsweise der einen Kirche als neuer Eva, von der Paulus als Brautführer sagt: „Ich liebe euch mit der Eifersucht Gottes; ich habe euch einem einzigen Mann verlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen“ (2 Kor 11,2). Durch die Fleischwerdung des Wortes (Joh 1,14) und die Eucharistie als Jesu „Fleisch“ und „Blut“ (Joh 6,53-56) wird die Kirche als Jesu mystischer Leib erbaut mit dem Ziel, das Bräutigam und Braut „ein Fleisch“ (Eph 5,30) und „ein Geist“ (Eph 4,4) sind, nach Adrienne von Speyr „vielleicht das größte Geheimnis innerhalb der Christenheit“ (Kinder des Lichts. Betrachtungen Epheserbrief, 206-209).