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Verkündet die Heilige Schrift den Willen Gottes unfehlbar?
Warum hat der Auferstandene fünf verklärte Wundmale?
Warum ist Isaaks Opferung Vorausbild des Kreuzesopfers Jesu?
Warum ist Jesus am Baum des Kreuzes eins mit dem Vater?
Warum ist Jerusalem das Ziel des irdischen Weges Jesu?
Warum nimmt Gottes ewiges Wort sterbliches Fleisch an?
Warum lädt Jesus seine Jünger zur Kreuzesnachfolge ein?
Warum ist der Weg zum Paradies das Kreuz?
Warum heilt der Blick auf die erhöhte Schlange?
Warum ersteht Jesus am Sonn-tag nach dem Sabbat von den Toten?
Ist der erste Adam gottähnlich oder tierähnlich?
Warum soll der Mensch am Aschermittwoch umkehren?
Warum ist die wahre Liebe stärker als der Tod?
Warum ist die Welt mit Noahs Bundesschluss nicht gerettet?
Warum wird erst der blinde Saulus zum sehenden Paulus?
Bild: Für die Klöster der Frühen Neuzeit waren ihre Bibliotheken als Stätten der Wissenschaft ein architektonischer Höhepunkt. Im monumentalen Deckenfresko des barocken Bibliothekssaals der Prämonstratenser im oberschwäbischen Bad Schussenried steht das Lamm mit dem Buch der sieben Siegel im Zentrum als Inbegriff der göttlichen Weisheit; ihr untergeordnet ist das irdische Wissen, symbolisiert durch die Allegorien der Wissenschaften und Künste an der Galerie: So dient alles Wissen der Gotteserkenntnis im Glauben. Stuckfiguren vom Bildhauer Fidelis Sporer (vollendet 1766) zeigen vor den die Galerie tragenden Doppelsäulen Figuren der Kirchenlehrer und der personifizierten Häresien; bei Letzteren wird die höfische Eitelkeit betont, hier die Vertreter der Protestanten mit Bibel und Laienkelch.
Martin Luther habe auf dem Wormser Reichstag vor 500 Jahren mit seiner Weigerung, seine Schriften zu widerrufen, ein Beispiel für Zivilcourage und Gewissensfreiheit gegeben. Der angehende ‚Reformator‘ der Kirche, der mit all seinen Anhängern am 3. Januar 1521 von Papst Leo X. exkommuniziert worden war, berief sich auf die Autorität der Heilige Schrift, die höher steht als die des Papstes und der Konzilien; denn es sei offenkundig, „dass sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben“. Sein Fazit: „Und weil mein Gewissen durch die Worte Gottes gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es unsicher ist und die Seligkeit bedroht, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“ Kaiser Karl V. konterte: „Es ist sicher, dass ein einzelner Mönch in seiner Meinung irrt, wenn diese gegen die der ganzen Christenheit steht, wie sie seit mehr als tausend Jahren gelehrt wird.“ Die heutige, auch und gerade protestantische Exegese betrachtet die Heilige Schrift weder als inspiriert, noch als unfehlbar den Willen Gottes vermittelnd. Für die katholische Kirche war immer klar, dass die Schrift nur in der Kirche ihre unfehlbare Wahrheit haben kann, weil nur sie (von Pfingsten her) den Heiligen Geist in Fülle hat, der die Schrift im Zusammenspiel mit Tradition und Lehramt auslegt: „So ist Gott, der einst gesprochen hat, ohne Unterlass im Gespräch mit der Braut seines geliebten Sohnes, und der Heilige Geist, durch den die lebendige Stimme des Evangeliums in der Kirche und durch sie in der Welt widerhallt führt die Gläubigen in alle Wahrheit ein und lässt das Wort Gottes in Überfülle unter ihnen wohnen (vgl. Kol 3,16)“ (Dei Verbum 8). Das von Gott geoffenbarte, das in der Heiligen Schrift enthalten ist [nicht diese ist] und vorliegt, ist unter dem Anhauch des Heiligen Geistes aufgezeichnet worden“ (DV 11). Die Heilige Schrift muss „in dem Geist gelesen und ausgelegt werden, in dem sie geschrieben wurde“ (DV 12). Diesen Geist hat nicht ein einzelner Theologe allein, sondern immer nur die ganze Kirche als von Gott eingesetzte Auslegungsinstanz, repräsentiert durch den Papst in Rom, der für Luther nicht weniger als der „Antichrist“ war, weil er seine Auslegung nicht teilte: „Alles, was die Art der Schrifterklärung betrifft, untersteht letztlich dem Urteil der Kirche, deren gottgegebener Auftrag und Dienst es ist, das Wort Gottes zu bewahren und [unfehlbar] auszulegen“ (ebd).
Bild: Nach dem hl. Bonaventura ist der Tastsinn „der vollkommenste unter den geistlichen Sinnen, er ist der geistlichste von ihnen, weil er am tiefsten mit Dem vereint, der in höchster Weise Geist ist (Der Pilgerweg des Menschen zu Gott, 241f)“ (Marianne Schlosser). Thomas will den Auferstandenen mit seinen fünf Sinnen und seinen fünf Fingern ertasten; wie der Tastsinn eine Sonderstellung hat, so der Daumen als opponierbarer Gegenspieler zu den vier Fingern. Auch die fünf Wundmale des Gekreuzigten haben die Struktur 1–4 (eine Herzwunde, vier Male an Händen und Füßen) – wie die fünf Bücher der Thora als Buch des Bundes (Genesis = 1). Der Auferstandene zeigt sich Thomas, der zu dem Bekenntnis des Glaubens findet: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28). Vatikanische Museen.
Der Apostel Thomas darf die fünf verklärten Wundmale des Gekreuzigten nicht an einem beliebigen Tag betrachten und ‚berühren‘, sondern „acht Tage“ nach der Begegnung mit den anderen Aposteln (Joh 20,26). Die Zahlen sind in den biblischen Er-zählungen wesentlich, ihre Symbolik ist grundlegend und steht von Anfang an schon fest. Die Acht symbolisiert die Neuschöpfung der Sieben-Tage-Schöpfung in der Auferstehung. Adam ist in den Zahlenwerten der hebräischen Buchstaben 1-4-40; aus dem einen (Geist-)Quell des Paradieses entströmen vier Flüsse (Gen 2,10-14). Die Tradition identifiziert sie mit den vier Kardinaltugenden und den vier Evangelien, die von der einen Herzwunde Jesu kreuzförmig in die Welt ausströmen und sie wieder zum geistlich fruchtbaren Paradies machen. „Wie also die Weisheit Quelle des Lebens ist, Quelle der geistlichen Gnade, so ist sie Quelle der übrigen Tugenden, die uns auf dem Weg des ewigen Lebens leiten“ (Ambrosius, Über das Paradies, 2013, 34f). Der gekreuzigte Logos ist ja die Weisheit Gottes in Person, das ewige Wort des Schöpfers, das Fleisch geworden ist und ‚unter uns gewohnt‘ hat (Joh 1,14), damit – wie Paschasius Radbert (ca. 790–850) sagt – „durch das fleischgewordene göttliche Wort das Fleisch zum göttlichen Wort aufsteige, da ja das Fleisch des Wortes in diesem Mysterium Nahrung und Speise der Gläubigen wird“ (Vom Leib und Blut des Herrn, 1998, 17f). Gottes Wort vom „Anfang“ (Joh 1,1) wird nicht Fleisch, weil das sterbliche, sexuell bestimmte Fleisch ‚gut‘ wäre, im Gegenteil: Wohnt doch im Fleisch „nichts Gutes“ (Röm 7,18; vgl. Joh 6,63; Gen 6,11f). Die Rabbinen sprechen explizit vom „bösen Trieb“. Im (eucharistischen) Ein-Fleisch-Sein von Christus und Kirche (Gen 2,24; Eph 5,31f) wird das Fleisch im wiederhergestellten ‚hochzeitlichen‘ Bund des „Feuers“ (Lk 3,16) gereinigt und umgewandelt und so wieder gut gemacht in der Auferstehung als Vermählung von Geist und Materie im Symbol von Feuer (hebr. esch) und Wasser (majim), was den ‚Himmel‘ (hebr. scha-majim) ergibt. Der Mensch ist von Gott für das himmlische Paradies bestimmt; der Gekreuzigte ist der neue Adam, aus dessen durchbohrten Herzen mit „Blut“ und „Wasser“ die Sakramente Eucharistie und Taufe und damit die Kirche als neue Eva entspringt. Adam (Ani-dam‘ ‚Ich gleiche‘ Gott) ist durch den Sündenfall ‚tierähnlich‘ geworden (Gen 3,21); im neuen Adam soll er wieder ‚gottähnlich‘ werden – in der Teilhabe am Heiligen Geist als Wasser des Lebens aus dem einen Quell der Herzwunde Jesu (Joh 7,37-39; 19,34) als Quell „zur Reinigung von Sünde und Unreinheit“.
Zum Bild: Isaak ist bei seiner Opferung 37 Jahre alt (seine Mutter gebiert ihn mit 90 und stirbt mit 127: Gen 23,1). Die Summe der ersten 36 Zahlen ergibt 666 (= 6. Tag) als Symbol der reinen Diesseitigkeit, mit „37“ tritt Isaak in den 7. Tag (= Gegenwart). Die Öffnung des Himmels mit dem Widder verweist dann auf den 8. Tag (= Zukunft) jenseits der Sieben-Tage-Schöpfung. Der auf dem Holz gebunden liegende Isaak schaut „die unsichtbaren Heiligtümer der Schöpfung und die Chöre der Engel“, was Israels Tempelkult festhält: Der Blick in die Ewigkeit hebt die drei Zeitdimensionen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ins Sein hinein auf (Anamnesis). Eine von über 20 Genesis-Szenen auf einem Messingkreuz am Eingang des Museums der Lateranbasilika in Rom.
Die Bindung (Akedah) Isaaks erscheint in der typologischen Gegenüberstellung von Altem und Neuem Testament immer als das Vorausbild des Kreuzesopfers Jesu. Trägt doch Isaak sein Feuerholz zum Opfer „wie ein Kreuz“ (Midrasch). Der Ingeborg-Psalter (um 1200) zeigt Isaak, der sein Holz in X-Form den Berg Mori-jah (= Gott ist mein Lehrer) hinaufträgt, und den im X-Baum verfangenen Widder. Das Chi (= X) ist in Platons Naturphilosophie „Timaios“ das Symbol der Weltseele als Schnittpunkt von Himmelsäquator und Ekliptik. Die beiden Weltkreise scheiden sich zweimal und markieren so die beiden Tagundnachtgleichen im Frühjahr und im Herbst, nach dem Julianischen Kalender am 25. März (Fest Mariä Verkündigung). An diesem Tag, dem Beginn des Jahres und der Schöpfung, wird der Akedah Isaaks gedacht. Kosmisch tritt dabei die Sonne im ersten Tierkreiszeichen Widder in die Welt ein und beginnt ihres Jahreslauf, frohlockend „wie ein Bräutigam“ (Psalm 19,6). Die Kirchenväter beziehen den Sonnen-Bräutigam auf Christus, der am 25. Dezember aus seinem „Brautgemach“ (dem Schoß der Jungfrau Maria) hervortritt. Justin der Märtyrer (2. Jh.) hat Platons „Kreuzesprophetie“ im Chi rezipiert, indem er das X-Zeichen mit dem Kreuz Jesu identifizierte: „Dem Kosmos als Ganzen ist das Zeichen des Kreuzes eingeschrieben“ (Joseph Ratzinger, Der Geist der Liturgie, 2000, 155). Der Jesuit Herbert Schade hat in „Lamm Gottes und Zeichen des Widders“ (1998) die Bezüge zwischen Gotteslamm und Tierkreiszeichen herausgearbeitet: „Das Sternbild am Himmel schien im voraus und für alle Zeiten von dem ‚Lamm Gottes‘ zu sprechen, das die Sünde der Welt hinwegnimmt (Joh 1,29)“ (ebd. 87). Wegen des Bezugs zum Frühlingszeichen wird das jüdische Paschalamm im Frühlingsmonat Nissan geopfert (Ex 12,2). Opfern, hebr. korban, bedeutet, den Körper zu Gott in der Höhe hochbringen oder näherbringen. Isaaks im letzten Augenblick verhindertes Opfer wird als vollzogen betrachtet als Vollendung von Isaaks Beschneidung am „achten Tag“, mit dem nach Vollendung der Schöpfung am „siebten Tag“ (Sabbat) die Neuschöpfung beginnt – jenseits der vergänglichen Zeit und Körperwelt. Abrahams und Isaaks „gemeinsamer“ Aufstieg zielt auf den Ursprungs-Punkt, weil sich nur hier „Gott sehen“ lässt (Gen 22,14). Dieses „Sehen des Herrn“ (jirath), die eigentliche Bedeutung des Begriffs „Gottesfurcht“ als „Anfang der Weisheit“ (Ps 111,10), erprobt Gott als letzte, 10. Prüfung Abrahams (Gen 22,12).
Bild: Jesus ist ganz abhängig vom Vater und doch so ganz frei, der als „Wahrheit“ in Person alle von der „Sünde“ der seinsmäßigen ‚Unfruchtbarkeit‘ befreit, die mit ihm „eins“ sind (Joh 17,21), so wie er mit dem Vater „eins“ ist (Joh 10,30). Schon Adam (Ani dam = ‚Ich gleiche‘ Gott), der „von Gott“ stammt (Lk 3,38), hätte mit dem Vater eins sein und diese Einheit an alle Menschenkinder weitergeben sollen im „Segen“ des Himmels. Stattdessen gibt er mit dem ‚Sündenfall‘ an alle Nachkommen den „Fluch“ des Todes weiter (Gen 3; Röm 5,12; 1 Kor 15,48f). Im Zeichen des Kreuzes empfängt die geheiligte Welt wieder Gottes Segen in Fülle, vermittelt durch den Priester im Gebet, und wird so wieder zum ‚fruchtbaren‘ Paradies des Ursprungs. Armenisches „Blühendes Kreuz“ und Weintrauben als Symbol ewigen Lebens und göttlicher Fruchtbarkeit.
Nach Peter Sloterdijk ist Jesus charakterisiert als „kinderloser, unverheirateter Mann Anfang dreißig ohne feste Adresse und ohne konkrete irdische Perspektive“ (Den Himmel zum Sprechen bringen, 2021). Als „Bildungsverweigerer“ habe sich Jesus „typischerweise lieber mit Anhängern als mit Verwandten“ umgeben; er sei kein „Vater“ gewesen, während es im katholischen Kirchenwesen an Vatergestalten („Päpste, Äbte, Patres“ usw.) nur so wimmelt. Vater, hebr. ab, ist in Zahlen 1-2; Sohn, hebr. ben, ist 2-50; die Zahl 50 (= 7 x 7 + 1) verweist wie die Zahl acht auf die kommende Welt jenseits der Sieben-Tage-Schöpfung, was eine ‚Rückkehr zum Vater‘ als ‚Eins‘ einschließt. Wahre ‚Autorität‘ (auctoritas) hat, wer das Sein seiner ‚Nachkommen‘ mehrt, fördert, heranwachsen und groß werden lässt, sie Macht gewinnen lässt und Gedeihen schenkt: „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind“ (Joh 1,13). Als ‚Sohn Gottes‘ hat Jesus die Autorität seines himmlischen Vaters; seine „Speise ist, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat“ (Joh 4,34). „Der Sohn kann nichts von sich aus tun“ (Joh 5,19). Jesus ist dem Willen des Vaters „gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8; vgl. Hebr 5,8). Im Garten Getsemani („Ölpresse“) ringt er mit diesem Willen des Vaters; aber er weiß doch auch, dass nur in der vollkommenen Hingabe als ‚Opfer‘, „um deinen Willen, Gott, zu tun“ (Hebr 10,7), der Tod besiegt und die bleibende reiche Frucht des ewigen Lebens erbracht werden kann (Joh 12,24). Deshalb wird Petrus, der Jesus vom Kreuz-Weg abhalten will, als „Satan“ bezeichnet: „Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mt 16,23). Wenn das „Fleisch und damit die Leidenschaften und Begierden gekreuzigt“ ist (Gal 5,24), dann entspricht es Gottes Willen. Deshalb segnet die Kirche alles mit dem Zeichen des Kreuzes. Wer den Segen Gottes jenseits des Kreuzes spendet, will nicht, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. Er ist dann ein Epigone Nietzsches: „Aus Betenden müssen wir Segnende werden“ – aus eigener Vollmacht.
Bild: Jesus reitet demütig ‚im Damensitz‘ auf einem Esel, hebr. chamor, wie chemer = Lehm als „Ausdruck der Materie dieser Erde und des Körpers“. Das den Körper tragende Knochenskelett ist Ausdruck für die ‚männliche‘ Seele, der Körper aus Lehm steht für die ‚weibliche‘ Fleischseite: „Der ganze Leib in dieser Welt ist somit der weibliche Teil gegenüber der Seele als dem männlichen Teil des ganzen Menschen“ (Friedrich Weinreb). Jesus versöhnt ‚weibliche‘ Fleischseite und ‚männliche‘ Geistseite in seiner ‚Erhöhung‘ am Kreuz zum ‚Frieden‘. Cappella S. Stefano, Soleto, Apulien.
In der Mitte des Lukas-Evangeliums richtet Jesus „sein Gesicht fest“ auf Jerusalem (Lk 9,51). Mit seinem Einzug als „Friedensfürst“ erfüllen sich die endzeitlichen Verheißungen: „Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin. Er vernichtet die Streitwagen… Er verkündet für die Völker den Frieden…“ (Sach 9,9f; Mt 21,5). „Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich“ (Jes 62,5). „Hosanna, dem Sohne Davids! Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn, Hosanna in der Höhe!“ (Ps 118,25f; Mt 21,9). Jesus ist als Messias sowohl „Sohn Davids“ als auch „Sohn Josefs“: Sieht man den Erlöser „körperlich, genealogisch, geschichtlich, dann ist er der Messias, der Sohn Josefs. Sieht man ihn als geistige Wesenheit, dann ist er der Sohn Davids“ (F. Weinreb, Die jüdischen Wurzeln des Matthäus-Evangeliums, 118). Die Überlieferung erzählt von „zwei Messiassen…, vom Sohne Davids, dem Siegenden, und vom Sohne Josephs, dem Leidenden und Sterbenden. Zwei, aber eine Wurzel“ (Ders., Legende von den beiden Bäumen, 107). Am Palmsonntag ist er der Siegende, am Karfreitag („Ans Kreuz mit ihm“: (Mt 27,22f) ist er der Leidende; beide Male ist er derselbe „König der Juden“ (Mt 27,29), der sein Volk von seiner ‚Hartherzigkeit‘ erlösen will: „Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr … lasst das Wichtigste im Gesetz außeracht: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue“ (Mt 23,23). Diese „blinden Führer“ (V.24) sind im Innern jedes Menschen, die nach außen „schön aussehen; innen aber sind sie voll Knochen, Schmutz und Verwesung“ (V. 29). Um die ‚toten‘, versteinerten Herzen lebendig zu machen, stirbt Jesus mit durchbohrtem Herzen. Jerusalem, hebr. Jeru-Schalajim, bedeutet: „‘Ihr werdet den Frieden zwischen den Gegensätzen sehen’. Jerusalem ist auch das Symbol für den Menschen, wenn er selber zum Haus Gottes wird, zum irdischen Heim der himmlischen Neschama [Geist-Seele]“ (Gabriel Strenger, Die Kunst des Betens, 306f). Aber die Gefahr bleibt, die in Jesus angebotene göttliche Gnade und Liebe zu verpassen: „Darum wird euer Haus (von Gott) verlassen“ (Mt 23,38).
Bild: Am 25. März, Datum der Tagundnachtgleiche nach dem Julianischen Kalender, feiert die Kirche als „Anfang“ des Jahres und der Schöpfung am Frühlingsbeginn auch die „Fleischwerdung“ des ewigen Schöpferwortes im Schoß der Jungfrau Maria. Dieses Datum kann in die Passionszeit und sogar auf den Karfreitag fallen, „Zeugung“ und „Tod“ Jesu sind am gleichen Tag. Die Kirchenfeste bilden nicht das Leben Jesu ab, sondern begehen zu jedem Zeitpunkt das eine und ganze Pascha-Mysterium: Auch an Weihnachten wird Jesu Tod/ Auferstehung gefeiert, an Ostern Jesu jungfräuliche Geburt als Urbild der Taufgeburt jedes Gläubigen. Verkündigung, Basilika Santa Caterina di Alessandria, Galatina, Südapulien.
Das sterbliche „Fleisch“ ist nicht einfach der Mensch, sondern der „Geschlechtsleib“. Nach Friedrich Weinreb (Das Opfer in der Bibel, 2010, 709) wird der Begriff bassar, ‚Fleisch‘, „in erster Linie für ‚Geschlechtsorgan‘ verwendet, auch für den Körper an sich, denn die Geschlechtsorgane sind ja die Voraussetzung, dass der Körper überhaupt entstehen kann. So kann man sagen, dass der Körper nichts anderes ist als das Geschlechtsorgan. Er ist völlig darauf eingestellt, denn das Geschlechtsorgan hat mit der ganzen Erscheinung des Menschen hier zu tun.“ Nach Ansgar Wucherpfennig (Sexualität bei Paulus, 2020, 149, Anm. 24) kann „Fleisch“ auch „Penis“ bedeuten. Wenn der ewige Sohn Gottes dieses „Fleisch“ annimmt, so nicht, um damit auf sexuelle Weise Kinder zu zeugen, sondern um den ‚gefallenen‘ Menschen die verlorene Gotteskindschaft zurückzuschenken, indem er ihn hinführt zur ursprünglichen, das heißt bleibenden Fruchtbarkeit im Sein als Liebe: „Ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. (…) Liebt einander“ (Joh 15,16f). Solche wahre Liebe gibt sich für den Geliebten hin in den Tod, um ihn vom Tod zu befreien: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). „Freunde“ Jesu sind alle, die tun, was Jesus ihnen aufträgt; so wie er ganz selbst den Willen des himmlischen Vaters tut (Joh 4,34), so sollen seine Jünger seinen Willen tun. Des Vaters Wille ist, dass Jesus aus Liebe zur Welt und ihrer Rettung aus Sünde und Tod „hingegeben“ wird (Joh 3,16). Im Garten Getsemani („Ölpresse“) ringt Jesus um diesen Willen: „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“ (Mt 26,41). Der von Jesus am Kreuz ‚überlieferte‘ Heilige Geist (Joh 19,30) stärkt den willigen Geist, um „Fleisch“ und „Welt“ zu „kreuzigen“ (Gal 5,24f; 6,14), das heißt hinzuordnen auf das unvergängliche Sein als Liebe durch den „Tod“ in der Taufe hindurch (Röm 6,6). An diese Taufe erinnert die Osternacht (Taufnacht), bei der die am Osterfeuer entzündete Osterkerze dreimal in das Wasserbecken eingetaucht wird, um in der Vermählung von Feuer und Wasser, Geist und Materie den jungfräulichen Schoß der Kirche erneut zu befruchten zur Wiedergeburt der „Kinder des Lichts“ (Eph 5,8).
Bild: Jesus will dem Menschen die im ‚Paradies’ verlorene ursprüngliche Heiligkeit und Gerechtigkeit zurückgeben; dazu ist jeder eingeladen, im Glauben an Gott sein ‚aufgeblasenes Ego’ gering zu achten, um dem Bild zu entsprechen, das sich Gott bei der Erschaffung von jedem Menschen gemacht hat. Neben Simon von Cyrene (Lk 14,26) tritt in der Tradition der Frömmigkeit Veronika = Vera-ikon (wahres Bild) als Helferin in Erscheinung. Durch die Taufe wird der Mensch in seiner Gottebenbildlichkeit erneuert (Eph 4,24), was „täglich“ im Leben zu realisieren ist. Szene aus dem Fresken-Zyklus der Kirche „Madonna della Miericordia“ in Ascona, Tessin.
„Wer mein Jünger sein will“, sagt Jesus, „der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ Denn nur wer „sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten“ (Lk 9,23; vgl. 14,27). Das ‚täglich’ jeweils zufallende Leid in Demut anzunehmen und in Tapferkeit zu ertragen, ist das eine; das andere praktizierte Edith Stein: Sie entdeckte vor hundert Jahren bei der Lektüre der Biographie der hl. Teresa von Avila den katholischen Glauben, konvertierte, ließ sich am 1. Januar 1922 taufen und trat – erst nach dem Tod ihrer streng gläubigen jüdischen Mutter – am 14. Oktober 1933 in den Karmel Maria vom Frieden in Köln ein; zu ihrer Einkleidung als Karmelitin (15. April 1934) erhielt sie am Gedenktag ihrer Namenspatronin den Namen Teresia Benedicta a Cruce – gesegnet vom Kreuz her. Ein halbes Jahr zuvor schrieb sie in einer Meditation über Kreuzesliebe: „Noch ist der Kampf zwischen Christus und dem Antichristen nicht ausgefochten. In diesem Kampf haben die Gefolgsleute Christi ihre Stelle. Und ihre Hauptwaffe ist das Kreuz. Wie ist das zu verstehen? Die Kreuzeslast, mit der sich Christus beladen hat, das ist die Entartung der Menschennatur mit ihrem ganzen Gefolge an Sünde und Leid, womit die gefallene Menschheit geschlagen ist. Diese Last aus der Welt hinauszutragen ist der Sinn des Kreuzwegs. Die Rückkehr der befreiten Menschheit an das Herz des Vaters, die Annahme an Kindesstatt ist freies Geschenk der Gnade, der allerbarmenden Liebe. Aber sie darf nicht geschehen auf Kosten der Heiligkeit und Gerechtigkeit.“ Jeder Christi hilft Christus im Mitsühnen der Schuld, sein Kreuz durch die Geschichte der Welt zutragen. Jesu dreifacher Fall unter der Last des Kreuzes entspricht einem dreifachen Sündenfall der Menschheit: „dem ersten Sündenfall [Adams], der Verwerfung des Erlösers durch Sein auserwähltes Volk, dem Abfall derer, die den Christennamen tragen.“ Nach dem ersten Fall trugen die Gerechten des Alten Bundes an Jesu Kreuz mit, beim zweiten jene, die in Jesu Nähe waren (Maria, Simon von Cyrene, Veronika), beim dritten „Kreuzesliebhaber“ wie die Heiligen der Kirchengeschichte und wie die hl. Edith Stein.
Bild: Der Gekreuzigte verheißt dem mitgekreuzigten reumütigen Schächer das Paradies „heute mit mir“ (Ll 23,43). Ikonographisch wird dies als Aufnahme der Seele durch einen Engel dargestellt, während die Seele des anderen Schächers (auf der ‚linken’ Seite) von einem Teufel aufgenommen wird. Rechts und links stehen in den alten Kulturen für Gnade und Gericht. „Des Weisen Herz ist zu seiner Rechten; aber des Narren Herz ist zu seiner Linken“ (Kohelet 10,2). Die hebräische Schrift geht von rechts nach links, vom verborgenen Ursprung ins Erscheinende; die griechische Schrift geht von links nach rechts. Ebenso ist der Weg durch den Tempel von Ost nach West, durch die Kirche von West nach Ost. Die Umkehr drückt die Rückkehr ins Paradies aus. Ausschnitt Fresko in Santa Maria degli Angioli, Lugano, Tessin.
Das zur Liebe und Erlösung der Welt auserwählte Gottesvolk des Alten Bundes ist weder ‚archaisch’ (primitiv), noch eine ‚Stammeskultur’ (partikular): Als Zwölf-Stämme-Volk steht es universal für die ganze Schöpfung in der Zahl zwölf. Mose stirbt mit „120 Jahren“ an der Grenze zum Gelobten Land (Dtn 34,7), das heißt zum einen und ewigen Reich Gottes, nachdem er das Volk mit „80 Jahren“ (Ex 7,7) aus der ‚Sklaverei’ in ‚Ägypten’, der ‚gefallenen’ Welt, herausgeführt hat; das Verhältnis von 80 zu 40 ist 2 zu 1. Nach dem ‚Turmbau zu Babel’ wird die eine Menschheit und eine Sprache in die ‚70 Völker’ und ‚70 Sprachen’ zerstreut. Diese sind ‚solidarisch’ im Unerlöstsein. Die eine Kirche des Neuen Bundes grenzt sich durch Taufe und Eucharistie, dem Eins-Sein in der Liebe, ab von den ‚Siebzig’, ist aber als Sakrament, als „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen gentium 1), darauf bezogen. Die erlösende Heimholung der Welt zur Einheit, zum „Frieden“ des „Paradieses“ des einen Ursprungs, geschieht durch Kreuz (Lk 23,43; Eph 2,15f) und Taufe (Gal 3,28) als innere Beschneidung des „Fleisches“ (Kol 2,11f) am ‚achten Tag’ (Sonntag) der Auferstehung. Denn „Fleisch und Blut“ können das eine „Reich Gottes“ nicht „erben“ (1 Kor 15,50): „Das Trachten des Fleisches ist Feindschaft gegen Gott“ (Röm 8,6; vgl. Gen 6,11f). Solidarische ‚Zusammengehörigkeit’ gibt es auch unter Tieren. Das Eins-Sein in der göttlichen Liebe setzt dagegen die ‚göttliche Geist-Seele’ voraus; sie transzendiert Körper und Welt. Dafür stehen die Zahlen 8 und 13: ‚Liebe’, hebr. ahawah, 1-5-2-5, hat den Zahlenwert 13, ebenso ‚einer’, hebr. echad, 1-8-4. JHWH, 10-5-6-5, ist in der Summe 26 oder 2 x 13, zweimal Liebe: die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe. Dies bedeuten auch die zehn Gebote auf den zwei Tafeln (nach jüdischer Zählweise): 10 = 5 + 5. Darin besteht der Sinn von JHWH, 10-5-6-5; denn das Waw = 6 zwischen den beiden He (5) verbindet als ‚Haken’ Oben und Unten – wie das Kreuz als Plus-Zeichen des Bundes. „Gott ist einer“, JHWH echad (Dtn 6,4), ist 3 x 13, trinitarisch gelesen ist das 3 x 1.
Bild: Jesu ‚Erhöhung’ am Kreuz wird mit der Erhöhung der Schlange an der Fahnenstange durch Mose identifiziert (Joh 3,14), deren Anblick die von Schlangen tödlich gebissenen Israeliten heilt (Num 21,8f). Diese ‚murrten’ nach dem Weggang von den „Fleischtöpfen Ägyptens“ auf ihrer 40-jährigen ‚Wüstenwanderung’ ins ‚Gelobte Land’ (Paradies), weil ihnen die Entbehrungen zuviel wurden. Die Liturgie wiederholt die ‚40 Jahre’ in der ‚40-tägigen’ vorösterlichen Zeit des ‚Fastens’. Den vierten Fastensonntag in der Mitte dieser Zeit feiert sie unter dem Namen „Laetare – Freue dich (Jerusalem)“; denn Ostern als Ziel ist nahe. „Wer aber seinem Ziele nahe kommt, der tanzt“ (F. Nietzsche, Zarathustra, Teil IV: Vom höheren Menschen). Detail aus der Basilika Sant’Apollinare in Classe bei Ravenna (6. Jh.).
Die Schlange im Paradies bringt das todbringende Gift (hebr. sam), was im Hebräischen verwandt ist mit dem Wort für Kleidung, Umhüllung, simlah, mit samael (Satan, Todesengel) und smol, links: die linke oder ‚andere‘ Seite. Genauer macht das Gift der Schlange den Menschen „blind und taub … für die Macht der Liebe“ als Macht der Einheit: Er sieht „mit dem Nehmen der Frucht vom Wachsen des Wissens … mit seinen Augen dann nur noch das Äußere“ (F. Weinreb). Das Gegengift ist das Sakrament der Eucharistie oder der Liebe. Ignatius von Antiochien definiert es als „Medizin der Unsterblichkeit, Gegengift gegen den Tod“. Gregor von Nyssa sagt: „Im Paradies hat der Mensch eine tödliche Speise genossen. Er muss daher ein Heilmittel in sich aufnehmen, wie derjenige, der Gift genommen hat, ein Gegengift empfangen muss. Dieses Heilmittel unseres Leibes ist kein anderes als der Leib Christi, der den Tod überwunden hat und die Quelle unseres Lebens ist und der durch Mitteilung seiner Unsterblichkeitskräfte den Schaden jenes Giftes wieder aufhebt.“ Die Griechen kannten für das vielschichtige Schlangensymbol, das die Ärzte und Apotheken als Äskulapstab im Zeichen führen, nur ein und dasselbe Wort: Pharmakon, „welches je nach Brauch oder Missbrauch ‚Heilmittel’ oder ‚Gift’ bedeutet“ (Detlef Witt). Bertram Meier, heute Bischof von Augsburg, schrieb 1996: „Sind nicht die Schlange an der Fahnenstange und der Christus am Kreuz ein siegreich aufgerichteter Äskulapstab? ‚Ich bin Jahwe’, dein Arzt’, sagt schon der Gott des Alten Bundes (Ex 15,26). Jesus selbst sieht sich als Arzt… Im Blick auf den Gekreuzigten begegnet uns der Arzt. (…) Dem Äskulapstab der Ärzte und Apotheker vertraut sich jeder an. Vor dem Äskulapstab der Kirche haben wir Scheu. Dem Bußsakrament gehen wird aus dem Weg. (…) Wie die Menschen auf die erhöhte Schlange schauten und geheilt wurden, so sollen wir auf den Gekreuzigten schauen: in dem sich das Ja Gottes verwirklicht; der für uns zur Sünde wurde; der uns als Arzt Heilung verspricht. Das Kreuz ist unser Äskulapstab. Der Gekreuzigte ist unser Arzt. Er hat immer Sprechstunde“ (Lebensbaum nicht Marterpfahl).
Bild: Am 3. März 321 (vor 1700 Jahren) hat Kaiser Konstantin den verehrungswürdigen Tag des Helios (Sonn-tag) reichsweit zum wöchentlichen Ruhetag erhoben. Vor 45 Jahren hat die Unesco die Reihenfolge der Wochentage geändert, der Mon(d)tag wurde zum ‚ersten Tag’ der Woche, der Sonn-tag ist nicht mehr der ‚8. Tag’ und nicht die Rückkehr zum 1. Tag (wörtlich: „Tag eins“) als ‚Ursprung’; ebenso ist der Sabbat nicht mehr der ‚7. Tag’ als vorläufiges Ziel der Sieben-Tage-Schöpfung. Die biblische Offenbarung ist damit „unleserlich“ geworden: Der Sinn der ganzen Schöpfung kann nicht mehr erkannt werden, dass alle gegensätzliche Zweiheit vollkommen hochzeitlich eins werden soll. Darstellung von Sonne und Mond an der Außenwand von St. Proklus in Naturns bei Meran, Südtirol.
Die Schöpfung von Himmel und Erde ist hingeschaffen auf den Sabbat als Zeichen des Bundes der Einheit von Schöpfer und Schöpfung. Das schließt ein, dass die Zweiheit oder Gegensätze von Geist und Materie eins werden. „Der Schabbat als Vereinigung der Gegensätze war von Anfang an das Ziel des Schöpfers“ (Gabriel Strenger, Die Kunst des Betens, 306). Der Buchstabe Schin ש im Wort Schabbat hat die Form von drei Flammen, er „symbolisiert (auch graphisch) die männlichen Flammen der Geistigkeit, das Wort Bat = Tochter hingegen die Weiblichkeit der materiellen Wirklichkeit. Die Vereinigung dieser Welten und Ebenen am Scha-Bat bringt Segen für die ganze Woche (Sohar).“ Es geht dabei um „die Hochzeit zwischen dem Ewigen und dem Zeitlichen“ (ebd.). Ähnlich schrieb 1970 Alfons Auer: „Das Prinzip des Hochzeitlichen ist ein Weltprinzip. Es gilt nicht nur im Menschlichen, sondern auch im Kosmischen. Dass die ganze Schöpfung in Ordnung und Harmonie zur Einheit geschaffen ist, schließt die Zweiheit als Baugesetz alles Kreatürlichen nicht aus, sondern ein. Wir sprechen von Polarität und meinen damit das spannungsgeladene Gegen- und Zueinander zweier (dinglicher oder personaler) Wirklichkeiten, die bei aller Verschiedenheit zur Einheit drängen. (…) In der Spannungseinheit von Mann und Frau kommt das ganzheitlich Menschliche voll zur Darstellung. Der ganze Bereich der natürlichen Ordnung ist also durch diesen hochzeitlichen Charakter geprägt“ (Art. „Ehe“, Handbuch für theologische Grundbegriffe). Der Sabbat als Zeichen des Bundes zielt auf die endgültige Vereinigung jenseits der Zeit am ‚achten Tag’, die am ‚siebten Tag’ aber schon vorweggenommen wird, denn der Schabbat ist „eine Kostprobe des Jenseits“ (Talmud, Berachot 75b). Der christliche Sonn-tag als Tag der Auferstehung ist das Symbol dieser Erlösung als vollkommener ‚hochzeitlichen’ Einheit der Gegensätze von Geist und Materie im Neuen Bund. Deshalb kann die Auferstehung kann nur am ‚achten Tag’ stattfinden, und sie ist das von Anfang an gewollte Ziel der Schöpfung als Neuschöpfung durch die Taufe (in oktogonalen Becken) als „Mysterium der Achtzahl“.
Bild: Die Welt wird nach der Urbild des Logos erschaffen, der als göttliche Weisheit den Bauplan und Heilsplan der Welt in sich trägt. Als Sohn des Schöpfers erschafft Christus die Welt der Tiere und den Menschen, aber nur letzteren als sein Bild und Gleichnis. Als geist-leibliche Einheit umfasst der Mensch die geistige Welt der Engel und die materielle Welt der Tiere und des ganzen kosmischen Weltkörpers. Szene der Welterschaffung am ‚sechsten Tag’ im spätgotischen Fresken-Zyklus der Kirche „Madonna della Miericordia“ in Ascona, Tessin (CH).
Vor 150 Jahren veröffentlichte Charles Darwin (1809-1882) sein zweites Hauptwerk „Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl“ (24. Febr. 1871), mit dem er ‚den Menschen vom Thron der Schöpfung stieß’. Der Mensch mutierte zum „dominanteste Tier, das je auf der Erde erschienen ist“, das heißt, er hat keine Geist-Seele mehr und ist auch nicht „Bild Gottes“ (Gen 1,26f), denn: „Der Unterschied zwischen Mensch und Tier ist nur graduell, nicht grundsätzlich.“ Darwins Evolutionstheorie beherrscht heute das Denken der Natur- und Kulturwissenschaften, in gewisser Weise auch das der Theologie. Die heutige historisch-kritische Exegese hat auch von daher aus dem ‚Sündenfall’ einen Adoleszenz-Mythos gemacht: Der Mensch ist im ‚Paradies’ in einem kindlichen, um nicht zu sagen animalischen Stadium, dem er mit Erlangen der moralischen Urteilsfähigkeit durch das Essen der verbotenen Frucht vom „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ positiv entwächst. In der Bibel steht es freilich genau umgekehrt: Gott erschafft dem Menschen mit dem Sündenfall ein „Tierfell“ (Gen 3,21), wodurch er den Status eines sterblichen Tieres erhält: „Weil er sich durch ein Tier verführen ließ, machte (Gott) ihn den Tieren gleich“ (Ephräm der Syrer). Wie der erste Adam im Paradies nach dem Urbild und Gleichnis des letzten Adam Christus geschaffen wurde, der als ‚A und O’ ihm „voraus ist“ (vgl. Joh 1,30), so war für die Kirchenväter das eigentliche Paradies die Kirche, während „das irdische Paradies nur ein Vorläufiges“ und Bild war. Es besteht eine „kontinuierliche Linie vom ursprünglichen Paradies über das Paradies der Kirche bis zum endgültigen Paradies. Der Mensch befindet sich noch im Rhythmus dieser Bewegung und wohnt doch schon im Eigentlichen, so dass sein christliches Leben eine doppelte Sinnrichtung erhält: es ist Hinausgehen aus dieser Welt und ebendarin die paradiesische Wiederherstellung dieser Welt. Das ist der Sinn aller Askese: die paradiesische Ordnung in Christus wieder zu erneuern“ (Friedrich Wulf, Geistliches Leben in der heutigen Welt, 29f). Eine Form der Askese ist das Fasten.
Bild: Johannes der Täufer ruft im Geist des Propheten Elia zur Umkehr, Buße und Erneuerung des Denkens auf. Denn der Messias als Gottes Wort (Logos) und „wahres Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (Joh 1,9), kann nur von einem reinen, gläubigen Herzen aufgenommen werden. Das Gleichnis vom Sämann und der guten Saat des Wortes Gottes (Mk 4,1-20) zeigt, was das fruchtbare Aufnehmen des Wortes verhindert: ein „felsiger Boden“, das heißt ein hartes Herz, „Dornen und Disteln“ als Gier nach dem „trügerischen Reichtum“ sowie der Teufel als Dämon im eigenen Herzen, dessen der Mensch eigentlich Herr sein soll (vgl. Gen 4,6f). Jesus besiegt den Teufel in der dreimaligen Versuchung in der Wüste und endgültig am Kreuz als „Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29) – Gestalt des Täufers Johannes mit dem Lamm Gottes und Kreuzstab, Kathedrale San Lorenzo, Lugano, Schweiz.
Mit dem Auflegen des Aschenkreuzes als Zeichen der Vergänglichkeit und Sterblichkeit alles Irdischen beginnt die 40-tägige vorösterliche Buß- und Reinigungszeit bis hin zur Feier der Drei Österlichen Tage: Gründonnerstag-Abend bis Ostersonntag, die ‚ein Tag’ sind. Der Erste Mensch Adam erhält nach dem ‚Sündenfall’ von Gott das Urteil: „Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück“ (Gen 3,19). Wäre der Mensch nur Staub und Asche, hätte er nur ein irdisch-zeitliches Leben als sterbliches „Fleisch“, dann brauchte es auch keine Umkehr und Buße, dann gäbe es auch keine ‚Auferstehung’ des Fleisches und kein ‚ewiges Leben’ bei dem ewig seienden Gott. Der Mensch ist zwar seinem Leib nach aus dem ‚Staub der Erde’ gebildet, aber sein Leben ist ihm eingehaucht durch den lebendig machenden Geist-Atem des Schöpfers (Gen 2,7). Gemeint ist damit die ‚göttliche Geist-Seele’, hebr. neschama, was abgeleitet ist von neschem, ‚Atem’ (griech. pneuma). Mit dem Gottesatem der Gottesseele (vgl. Weish 15,11) erhält der Mensch auch Freiheit und Verantwortung vor Gott: „Das Wort [neschama] hat deshalb die Dualität: Es kann gut oder böse sein, kann Liebe annehmen oder ablehnen. (…) Die ‚neschama’, von Gott kommend, ist das spezifisch Menschliche, das Göttliche im Menschen“ (Friedrich Weinreb, Leiblichkeit, 30; 32). Aufgenommen wird die Neschama durch die Lunge, hebr. ‚rea’; das hängt eng zusammen mit ‚ro-e’, sehen: „Für ‚Lunge’ kann man also auch ‚sehen’ lesen“ (34f). Das Wort für ‚Brust’, hebr. chase, wird gleich geschrieben wie hebr. chose, „das visionäre Schauen“ (35). Ein Prophet ist ein Seher oder ‚Schauender’ (36). Mit dem eingehauchten Geist und der Seele hat der Mensch auch Gottes Wort, durch das er leben kann und soll, indem er es in sich ganz aufnimmt und isst als lebendiges „Brot vom Himmel“ und „Speise der Engel“ (Weish 16,20). Christlich wird daraus die am Gründonnerstag eingesetzte Eucharistie: „Fleisch“ und „Blut“ von Jesus, dem fleischgewordenen Schöpfer-Wort. Der gefallene Adam muss sein „Brot“ im Schweiße des Angesichts essen (Gen 3,19). Der neue Adam gibt das lebensspendende Brot der Liebe Gottes.
Bild: Sankt Valentin (‚der Starke, Gesunde’) ist der Fürsprecher der Liebenden am „Valentinstag“ (14. Febr.). Die Liebe ist das entscheidende Motiv Gottes für die Erschaffung der Welt und des Menschen als Mann und Frau: Im Paradies sollen die zwei „ein Fleisch“ sein (Gen 2,24). Die Sache endet aber im Sündenfall. Anders im Hohelied der Liebe, das nicht ungeniert „die körperliche Liebe“ feiert, wie Till Magnus Steiner sagt: „Der einvernehmliche Geschlechtsverkehr zweier Liebenden wird als neues Paradies gefeiert.“ In Wahrheit geht es im Lied der Lieder um das Verhältnis zwischen JHWH und Israel, Christus und Kirche. Marc Chagall hat dazu großformatige Bilder gemalt: Chagall-Museum, Nizza.
Im wahren Glauben geht es um die wahre Liebe, die „stark wie der Tod ist“ (Hld 8,6), das heißt aber eigentlich: stärker; denn „ihre Gluten sind Feuersgluten, gewaltige Flammen.“ Die Einheitsübersetzung (2016) merkt nur als Fußnote an: „Das hebräische Wort für ‚gewaltige Flammen’ enthält an seinem Ende das theophore Element ‚jah’ als Kurzbezeichnung des Gottesnamens JHWH.“ Der Gottesname selbst kommt in dem Lied zwar nicht vor, aber er Alttestamentler Ludger Schwienhorst-Schönberger hat in seinem Kommentar „Das Hohelied der Liebe“ (2015) gezeigt, dass er doch gemeint ist. Zur Liebe schreibt er: „Wer von der Liebe ergriffen wird, stirbt. Wer wirklich liebt, geht zugrunde. Das zeigt sich in allen Ausdrucksformen der Liebe. In der sexuellen Ekstase ebenso wie in der Erfahrung der mystischen Vereinigung. (…) Wahre Liebe zeigt sich darin, dass jemand sein Leben hingibt für die, die er liebt (Joh 15,13)“ (157). Das Hohelied spricht achtmal vom „Garten“ in Anspielung auf den Garten „Eden“ (Wonne, Lust). Dort steht der Mensch unter dem Anspruch der wahren Liebe; mit der ‚Schlange’ kommt die Triebwelt ins Spiel. Sie soll der Mensch ‚beherrschen’, was mit der ihm aufgetragenen ‚Tierherrschaft’ gemeint ist (Gen 1,26-28). Sie übt Adam dadurch aus, das den Tieren ‚Namen’ gibt, ihr Wesen erkennt (Gen 2,19f). Erst wo Gott ihm die aus seiner ‚Rippe’ gebaute Frau als Braut zuführt, kann er seinen ‚Hochzeitsgesang’ anstimmen und jubeln: „Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“ (Gen 2,23). Die Verführung durch die ‚Schlange’ bewirkt eine triebhafte Bindung; durch sie gerät der Mensch unter die Macht des Todes, wird ‚ungerecht’ und ‚sterblich’ (vgl. Weish 1,13-15; 2,23f). Er vollzieht fortan das Gesetz und den Willen des ‚fremden’ Todes als totale ‚Heteronomie’. In der Liebe lässt sich der Mensch vom Geliebten und von Gott ‚fremdbestimmen’ - das Gegenteil eines triebbestimmten ‚Fremd-gehens’. In der wahren Liebe als Abhängigkeit von anderen liegt das wahre Glück. Jesus sagt: „Niemand entreißt mir das Leben, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin“ (Joh 10,17)- im „Gehorsam“ zum Willen des Vaters (Phil 2,8).
Bild: Noah liegt nach der Flut weintrunken als ‚erster Weinbauer’ entblößt in seinem Zelt, wo der zweite Sohn Ham die Blöße seines Vaters sieht und seinen Brüdern davon erzählt. Sem und Haphet gehen rückwärts hinein und „bedeckten die Blöße ihres Vaters“ mit abgewandtem Gesicht (Gen 9,21-24). Als Noah aus seinem Rausch erwacht, verflucht er Ham und erniedrigt ihn unter seine zwei Brüder; sie erhalten seinen Segen, die Verbindung nach Oben mit dem Ursprung (Gen 9,25ff) – seltene Darstellung der beiden Szenen im spätgotischen Fresken-Zyklus der Kirche „Madonna della Miericordia“ in Ascona, Tessin.
In der Arche (hebr. teba = Wort) werden acht Personen gerettet mit Noah als dem ‚Achten’ (Gen 7,7). Achtmal kommt das Wort „Bund“ in der Erzählung vor (Gen 6,18; 9,8-17). Die Sintflut mit der rettenden Arche ist Vorausbild der christlichen Taufe in oktogonalen Becken in der Kirche (1 Petr 3,20f; 2 Petr 2,4f). Noah ist als zehnte Generation nach Adam wieder der ‚neue Adam’, der erneut von Gott beauftragt wird zur Fruchtbarkeit (Gen 9,1-7). Diese gesegnete Fruchtbarkeit meint aber nicht die vergängliche der Tiere, sondern eine bleibende (im Symbol der Acht) als „Bildes Gottes“ in „Heiligkeit und Gerechtigkeit“ (Weish 9,2f). Sie hat Adam durch seinen Bundesbruch (‚Sündenfall’) verloren, mit der Wiedergeburt der Taufe als Angleichung an den ‚neuen Adam’ Jesus wird sie wiederhergestellt (Eph 4,24). Die Taufe ist Zeichen des Bundes wie der „Regenbogen“, der Himmel und Erde verbindet (Gen 9,13-17). Noahs zweiter Sohn Cham bricht diesen Bund, indem er die Blöße seines weintrunken im Zelt liegenden Vaters anschaut (Gen 9,22): „Noah wurde nach der Sintflut ein ‚Mann des Erdbodens’“, er wandte sich „jetzt auch der materiellen Erscheinung“ zu. „Wer diesen Rausch wählt, entblößt sich eigentlich auch. Genauso bemerkt der erste Mensch, dass er ‚nackt’ war, nachdem er vom Baum der Erkenntnis genommen hatte. Was bis dahin gerade nicht hervorgetreten war, die körperliche Seite des Menschen, wird jetzt seine Ausdrucksform. Der Mensch offenbart sich als etwas Materielles, als ein intelligent entwickelten ‚Tier’. Und dann sieht ihn Cham. Cham sieht diese Nacktheit, weil er hinschaut, aus seinen Sinneswahrnehmungen schlussfolgert. Wenn aber später Schem und Japhet kommen, tun sie das Gegenteil. Sie gehen bewusst rückwärts hinein, gebrauchen also ihr Wahrnehmungsvermögen nicht und bedecken die Nacktheit, die zutage getreten war, nachdem man dem Weg vom Baum der Erkenntnis gefolgt war, mit dem Kleid, mit der Umhüllung, so wie auch Gott dem Menschen ein Kleid gegeben hatte nach dem Rausch, den er erlebte, als er vom ‚Baum, der Frucht macht’ [nicht ist], genommen hatte“ (Weinreb, Schöpfung im Wort, 487).
Bild: Mit der „Bekehrung des Apostels Paulus“ (Fest am 25. Januar) tritt eine Wende ein: Der überaus gesetzestreue Pharisäer Saulus wird durch die göttliche Vorsehung vom Verfolger des ‚neuen Weges’ zum Nachfolger Jesu und Apostel der Heiden-Völker. Gleich dreimal erzählt davon die Apostelgeschichte (9,1-22; 22,5-16; 26,12-18), während Paulus in seinen Briefen nur knapp darauf eingeht: „Als aber Gott, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, mir in seiner Güte seinen Sohn zu offenbaren, damit ich ihn unter den Heiden verkündige, da zog ich keinen Menschen zu Rate“ (Gal 1,15f). Erst drei Jahre später geht er nach Jerusalem und lernt dort Petrus kennen, den ‚Apostel der Juden’; beide erleiden in Rom das Martyrium – Relief Portal der Basilika St. Paul vor den Mauern, Rom.
Gott offenbart Paulus für ihn selbst unerwartet und über die Maßen überraschend seinen Sohn Jesus: „Ich erkläre euch Brüder: Das Evangelium, das ich verkündigt habe, stammt nicht von Menschen; ich habe es ja nicht von einem Menschen übernommen oder gelernt, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi empfangen“ (Gal 1,11). Seine von ihm gegründete Gemeinde in Galatien weiß, „wie maßlos ich die Kirche Gottes verfolgt und zu vernichten suchte. In der Treue zum jüdischen Gesetz übertraf ich die meisten meiner Altersgenossen in meinem Volk, und mit dem größten Eifer setzte ich mich für die Überlieferungen meiner Väter ein“ (Gal 1,13f). Jetzt aber nach der empfangenen ‚Offenbarung’ Jesu ist das alles mit einem Schlag nichts mehr: „Doch was mir damals ein Gewinn war, das habe ich um Christi willen als Verlust erkannt. Ja noch mehr: Ich sehe alles als Verlust an, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, alles übertrifft. Seinetwegen habe ich alles aufgegeben und halte es für Unrat, um Christus zu gewinnen und in ihm zu sein. Nicht meine eigene Gerechtigkeit suche ich, die aus dem Gesetz hervorgeht, sondern jene, die durch den Glauben an Christus kommt…“ (Phil 3,7-9). Jesus kritisiert in allen vier Evangelien scharf die ‚selbstgerechten’ Schriftgelehrten und Pharisäer, die „sich auf den Stuhl des Mose gesetzt“ haben (Mt 23,2) und als „Jünger des Mose“ verstehen (Joh 9,28), tatsächlich aber das Gesetz des Mose missdeuten und missbrauchen, weil sie es nicht geistig lesen: „Denn über mich (Jesus) hat er (Mose) geschrieben“ (Joh 5,46; vgl. 1 Kor 10,4). Auch Wunder Jesu wie das Augenöffnen eines von Geburt an Blinden (Joh 9,1-12) bringen sie nicht von ihrer Verblendung ab: Sie stoßen den Geheilten hinaus, weil er an Jesus glaubte (Joh 9,24-38). Jesus sagt: „Um zu richten bin ich in diese Welt gekommen: damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden. (…) Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde. Jetzt aber sagt ihr: Wir sehen. Darum bleibt eure Sünde“ (Joh 9,39.41). Jesus kommt als das „Licht der Welt“ (Joh 8,12), um „alle Menschen zu erleuchten“ (Joh 1,9); aber „die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse“ (Joh 3,19). Paulus lernte, das wahre Licht zu lieben (2 Kor 4,6).
Bild: Die Jungfrau Maria wird vom Engel des Herrn gefragt, ob sie die Mutter Jesu, des „Sohnes des Höchsten“ werden und damit für die neun Monate der Schwangeschaft seine ‚irdische Wohnung’ sein wolle (Lk 1,30-38). Der sie ‚überschattende’ Geist Gottes (V. 35) erinnert an die „Wolke“ der Gegenwart und Herrlichkeit Gottes im Heiligtum, der „Wohnstätte“ Gottes, das Mose nach dem himmlischen Vorbild errichtet und „vollendet“ wie Gott seine Sieben-Tage-Schöpfung (Ex 40,33f; 25,8, Gen 2,1-3). Aber nicht der irdische Tempel ist das wahre ‚Haus Gottes’, sondern das reine Herz des Menschen, das sich ihm ganz öffnet und hingibt wie die jungfräulich bleibende Gottesmutter: „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (Lk 2,19.51). Szene der ‚Verkündigung’, Portal der Kathedrale in Altamura, Apulien, Süditalien
Die Frage der ersten Jünger an Jesus „Wo wohnst du?“ (Joh 1,38) ist hintersinnig. Denn als ein Schriftgelehrter ihm sagt: „Meister, ich will dir folgen, wohin du auch gehst“, antwortet ihm Jesus: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Mt 8,19f). Jesus ist also ortlos, u-topisch in der Welt, wie er ja auch direkt sagt: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36). Jesus hat weder eine Frau noch Familie, sondern „wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter“ (Mk 3,35). Bei seinem ersten öffentlichen Auftreten in seiner „Heimat“ Nazareth zitiert Jesus den Propheten Jesaja: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt“ und gesandt, Armen eine Heilsbotschaft zu bringen, Blinden das Augenlicht, Gefangenen die Freiheit, aber: „Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt“ (Lk 4,18.24). Gleich danach wird Jesus von den ‚Anverwandten’ an den Abhang des Berges gebracht, „auf dem die Stadt erbaut war“, um „ihn hinabzustürzen“ (V.29). Jesu Heimat ist nicht Nazareth, es ist letztlich auch nicht Beth-lehem (Haus des Brotes) oder der irdische Tempel, denn das alles sind nur „Abbild und Schatten“ der himmlischen Dinge (Hebr 8,5). „Unsere Heimat aber ist im Himmel“, sagt Paulus. „Von dorther erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter, der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt verherrlichten Leibes…“ (Phil 3,20). Jesus „kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1,11). Nur „am Herzen (im Schoß) des Vaters ruht“ der Einziggeborene (Joh 1,18): „Wusstet ihr nicht, dass ich ín dem sein muss, was meinem Vater gehört?“, sagt der 12-Jährige den ihn suchenden Eltern (Lk 2,49). Zu Hause ist er im ‚Haus Gottes’, aber nicht im irdischen, sondern im himmlischen Tempel, wohin der Auferstandene geht: „Christus ist nicht in ein von Menschenhand errichtetes Heiligtum hineingegangen, in ein Abbild des wirklichen, sondern in den Himmel selbst“ (Hebr 9,24). Dort bereitet er auch den Jüngern die Wohnstatt: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen“ (Joh 14,2).
Bild: In einer Krippe dürfen die himmlischen Engel nicht fehlen. Sie singen das Gloria (Lk 2,14), was in jeder Eucharistiefeier wiederholt wird, in der die irdische Kirche sich mit der himmlischen Kirche der Engel und Heiligen vereint. Himmlische Engel sind die Lichtwesen des Anfangs und der Vollendung. Sie werden nach dem Glauben der alten Kirche mit dem einen „Licht“ am „Tag eins“ erschaffen, das den vielen „Lichtern“ (Sonne, Mond und Sterne) vom ‚vierten Tag’ gegenübersteht (Gen 1,3-5; 14-18). Der transzendente Himmel ist die Einheit gegenüber der Vielheit der Welt. In dem einen Christus, in dem alle Getauften „einer“ sind (Gal 3,28), ist der Himmel auf die Erde gekommen. Engel mit Gloria-Spruchband in der Krippe des Dom von Rottenburg am Neckar.
Das Hochfest „Erscheinung des Herrn“ 13 Tage nach Weihnachten umfasst drei Geheimnisse: Die Huldigung der heidnischen Weisen als Repräsentanten der Völker vor dem Kind in der Krippe (Mt 2,1-12), geführt vom aufgegangenen Licht des (achtstrahligen) Sterns; das erste Wunder Jesu auf der Hochzeit zu Kana: die Verwandlung des Wassers in den „sechs Krügen“ in die Fülle des besseren Weins (des Neuen Bundes), das seine „Herrlichkeit“ offenbart (Joh 2,1-11); die Taufe Jesu im Jordan mit der Öffnung des Himmels, der Herabkunft des Heiligen Geistes in Gestalt einer weißen Taube und dem Erschallen der Himmelsstimme des Vaters: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe“ (Mt 3,17). In der Präfation zum Hochfest dankt die Kirche dem himmlischen Vater: „Denn heute enthüllst du das Geheimnis unseres Heiles, heute offenbarst du das Licht der Völker, deinen Sohn Jesus Christus: Er ist als sterblicher Mensch auf Erden erschienen und hat uns neu geschaffen im Glanz seines göttlichen Lebens.“ Die Taufe Jesu, sein ‚Abstieg’ in das Wasser (der Zeit) als Element des Todes, ist Vorausbild von Tod und Auferstehung Jesu als Geheimnis des Glaubens, in das die Taufe jeden Gläubigen einführt und einweiht (initiiert). Sie bedeutet nicht weniger als eine „neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden“ (2 Kor 5,17; vgl. Gal 6,15). Der Himmel oder das Paradies ist nicht mehr durch die ‚Ursünde’ Adams verschlossen, der „Baum des Lebens“ (Eucharistie) nicht mehr unzugänglich, sondern jetzt ist das Himmelstor wieder offen: „Heut’ schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis…“ (GL 247.4). ‚Himmel’ ist hebr. schamajim, was gelesen wird als esch-majim: Feuer-Wasser. Der Heilige Geist ist das reinigende Feuer vom Himmel für die Erde (Lk 12,49; Apg 2,1-4): „Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu“ (GL 645.3; Ps 104,30). Mit dem Geist-Gesalbten Jesus, Sohn des himmlischen Vaters, öffnet sich wieder der Himmel, wenn der Mensch umkehrt, seine Sünde bekennt und bereut wie der mitgekreuzigte Schächer am Kreuz; ihm verheißt Jesus: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43).