Impulse zu den Bildwelten der Bibel

Ist Sexualität eine der schönsten Gaben des Schöpfers?

Bild: Sexualität und Fruchtbarkeit, Geburt und Tod hängen untrennbar zusammen. „Der Tod drückt sich beim Menschen darin aus, dass er Geschlechtsorgane besitzt. Das ist der Stempel des Todes auf dem Menschen“ (Friedrich Weinreb). Das wird heute auch in der Theologie gern unterschlagen. Der ‚Sündenfall‘ wird uminterpretiert in einen Akt der Frei-, Mündig- und Erwachsenwerdung (Adoleszenz-Mythos); das alttestamentliche Hohelied der Liebe, das ‚Allerheiligste‘ der hebräischen Bibel (Rabbi Akiba), wird seiner grundlegend allegorischen Bedeutung beraubt und zu einem profanen „Lied auf die Liebe und Sexualität, die zwei Menschen miteinander verbindet“ (Wunibald Müller) – für immer? Oder nur für gewisse Stunden? Bis zur Aufklärung war der tod-bringende Sündenfall noch eine Realität, die eng mit der sinnlich-sexuellen Begierde verbunden war, wie das Werk von Hans Baldung Grien (Der Sündenfall, 1511) deutlich macht (Staatlich Kunsthalle Karlsruhe).


Von ‚Sexualität‘ spricht erstmals der Botaniker August Henschel vor 200 Jahren in seinem Buch Von der Sexualität der Pflanzen (1820). Ursprünglich war der Begriff Sexualität auf die Pflanzen beschränkt, er wird jedoch „bald ausgeweitet auf Mensch und Tier in dem nun in Gang kommenden ausufernden ‚Diskurs‘“. Für Paulus „waren die Geschlechterrollen für Frauen und Männer bereits im transzendenten Bereich Gottes als einheitliche Ideen vorgebildet“ und wurden „nach der Schöpfungsüberlieferung als hierarisch geordnet“ verstanden (Ansgar Wucherpfennig, Sexualität bei Paulus, 26f; 176; 189). Nach dem Weltkatechismus ist die Geschlechtlichkeit „eine Quelle der Freude und Lust“ sowie der Dankbarkeit (KKK 2362). Sie „betrifft den innersten Kern der menschlichen Person als solcher. Auf wahrhaft menschliche Weise wird sie nur vollzogen, wenn sie in jene Liebe integriert ist, mit der Mann und Frau bis zum Tod vorbehaltlos einander verpflichtet sind“ (2361), das heißt in der Ehe. Integriert heißt, dass die Geistseele, die „unmittelbar von Gott geschaffen ist“ und „nicht von den Eltern ‚hervorgebracht‘ wird“, und der Leib harmonische zusammenwirken wie im ‚Paradies‘ (KKK 366). Weil durch den Sündenfall der Mensch ‚desintegriert‘ ist, kann die Sexualität auch falsche Wege gehen, deshalb die „Berufung zur Keuschheit“: „Keuschheit bedeutet die geglückte Integration der Geschlechtlichkeit in die Person und folglich die innere Einheit des Menschen in seinem leiblichen und geistigen Sein“ (KKK 2337). „Kann denn Liebe Sünde sein?“ fragt Zarah Leander im Film Der Blaufuchs (1938) als Ausweg aus ihrer langweiligen Ehe und antwortet: „Liebe kann nicht Sünde sein! Auch wenn sie es wär‘, wär‘s mir egal. Lieber will ich sündigen mal als ohne Liebe sein!“ Sünde als Folge der Desintegration und Liebe schließen sich aber aus. Mit Bezug auf das Lied behandelt Wunibald Müller den Zusammenhang von Sexualität und Spiritualität: „Unsere Sexualität ist eines der schönsten Geschenke, die Gott uns Menschen gemacht hat“ (Kann denn Liebe Sünde sein?, 77). Es gibt aber kein von der Geistseele isoliertes Geschenk, weshalb nach der Desintegration im Fall nur die Reintegration in Taufe, Eucharistie und Ehe (Tob 8,4-9; vgl. KKK 2361) das schönste Geschenk sein kann.

 

Warum wird Maria von allen Geschlechtern seliggepriesen?

Bild: Maria steht ihrem einziggeborenen Sohn am nächsten; ihr Leben ist ein Spiegel des Lebens Jesu: Sie ist im Schoß ihrer Mutter „unbefleckt“ (von der Erbsünde befreit) empfangen, mit ihrem Sohn nach ‚Ägypten‘ geflohen, hat mit ihm unter dem Kreuz gelitten und ist dann auch mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden, was am 15. August gefeiert wird. Im Magnificat singt Maria: „Von nun an preisen mich selig alle Geschlechter: Denn der Mächtige hat Großes an mir getan“ (Lk 1,48f). An Maria bedeutet auch: an Israel (V. 55), an der Menschheit, an der ganzen Schöpfung. Denn „selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,45). Protestanten sehen im Marienkult die Gefahr des Götzendienstes – und schütten lieber das Kind mit dem Bade aus. Maria mit dem Jesuskind im Himmel zwischen JHS-Monogramm und der heiligen Eucharistie; Ausschnitt Namen-Jesu-Altar (1588/89), Jesuitenkirche St. Michael, München.


Claudio Monteverdi (1567–1643) hat als Kapellmeister in Mantua in der „Marienvesper“ von 1610 das Marienlob der Bibel aufgegriffen in einem fünfteiligen Psalmen-Gesang mit Concerto und Antiphona. In der Stiftskirche in Tübingen wurde die Motette am Vorabend zum Hochfest der „Unbefleckten Empfängnis“ (8. Dezember 2019) aufgeführt, ohne Bezug darauf zu nehmen. Schon ein Sakralwerk dieser Art aufzuführen, verlangte in dem hinführenden Text „Neue Wege mit Maria“ (von Bernhard Leube) zahlreiche Abgrenzungen und Erklärungen gegenüber den „bis heute nervösen Rückfragen“ seitens der evangelischen Zuhörerschaft. „Protestantische Abwehr entzündet sich bis heute vor allem aber am ‚Oro pro nobis‘.“ Hat doch der Stuttgarter Oberkirchenrat 1954 solche Aufführungen strikt verboten (was erst 2001 aufgehoben wurde): Mariendichtungen seien „ausgesprochen unevangelische Texte, die mit dem Schriftzeugnis und seinem reformatorischen Verständnis unvereinbar“ sind. Maria sei „weder im allgemeinen Fürbitterin, die mit einem ora pro nobis um ihr Eintreten bei ihrem Sohn anzurufen wäre, noch kann sie mit dem Ave Maria als gegenwärtig angesprochen … werden“. Auch in der Hinführung von 2019 heißt es noch, das Dogma von der „Unbefleckten Empfängnis“ (von 1854) sei „für die Evangelischen ein unüberwindlicher Stein des Anstoßes“; ebenso sei das Marien-Dogma von ihrer ‚Himmelfahrt‘ (von 1950) „für Protestanten nicht akzeptabel“. „Für Protestanten ist Marias Mitwirkung am Heil zunächst eine Unmöglichkeit.“ Aber: „Auch Paulus ‚wirkt mit‘ beim Werk Gottes… ‚Wir sind Gottes Mitarbeiter‘, schreibt er 1 Kor 3,9. In diesem Sinn ist Maria Gottes Mitarbeiterin.“ Der Begriff der Arbeit wurde im 19. Jahrhundert geradezu zum Ersatz für ‚Erlösung‘. Richtiger ist der Begriff der „Mitwirkung“, in gewisser Weise auch der „Miterlösung“; denn „die Einzigkeit der Mittlerschaft des Erlösers im geschöpflichen Bereich (schließt) eine unterschiedliche Teilnahme an der einzigen Quelle in der Mitwirkung nicht aus, sondern erweckt sie“ (Lumen gentium 62). Das gilt für die ganze Schöpfung, besonders für alle Gerechten und Heiligen, am meisten aber für die Gottesmutter Maria als „Typus der Kirche“ in „der vollkommenen Einheit mit Christus“ (LG 63).

 

Warum erscheint der verklärte Jesus im weißen Lichtkleid?

Bild: Die Schlange im Paradies war „schlauer/listiger als alle Tiere des Feldes“ (Gen 3,1); das hebr. arum bedeutet aber auch ‚nackt‘. Nach dem Essen vom Erkenntnisbaum erfährt sich auch der Mensch als „nackt“ (Gen 3,7.10f). „Das Nacktsein bedeutet, dann bist du Tier“ (F. Weinreb). Deshalb erhalten Adam und Eva von Gott „Tierfelle“ als Kleidung (Gen 3,21). Sie verhüllen die Tierhaftigkeit (Sterblichkeit) und offenbaren sie zugleich. Christus erscheint bei seiner Verklärung vor den Augen der drei auserwählten Jünger „verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden blenden weiß wie das Licht“ (Mt 17,2). Dieses ‚Lichtkleid‘ trägt der Mensch eigentlich schon im Paradies, mit der Taufe als ‚Anziehen Christi‘ (weißes Taufkleid) erhält er das verlorene „ursprüngliche Kleid“ (Lk 15,22) zurück. Die Kirche feiert das Hochfest „Verklärung des Herrn“ am Höhepunkt des Sommers (am 6. August); Ikone an der St. Nikolaus-Kirche, Benediktinerabtei Niederaltaich.


Für Origenes war die Bibel „wahrhaft das Sakrament der Gegenwart Gottes in der Welt. Er unterschied an ihr wie keiner die Hülle und den Sinn der Worte“ (Adalbert Hamman/ Alfons Fürst, Kleine Geschichte der Kirchenväter, 53-64 [Origenes], 60). Sakrament der Gegenwart Gottes war für ihn aber auch die Kirche: „Sie hat immer eine universale, kosmische Dimension. Es geht um die ganze Schöpfung. Das Wort ist die Seele der Welt, es wirkt und schafft auf allen Stufen des Universums. Zwischen allen Sphären der Schöpfung stiftet die Erlösung Gemeinschaft. Die Engel sind den Menschen zugetan, sie nehmen teil am Gebet der Kirche. Mit einem ungewöhnlich kosmischen Bewusstsein betete Origenes für die Umgestaltung der Welt; er betete darum, dass die Erde selbst zum Himmel werde in der alles umfassenden Sammlung und Verklärung“ (62). Für Origenes wird dann „die ganze Schöpfung in Lob und Danksagung verwandelt sein. ‚Und das ist die ganze Theologie“ (63), nämlich als Doxologie. Nach Gregor Palamas (14. Jh.) ist der ‚nackte‘ Adam im Paradies mit dem Lichtkleid der vergöttlichenden Gnade bekleidet. „Erst durch den Sündenfall wurde er im wahrsten Sinne des Wortes nackt, indem er sich des göttlichen Glanzes entledigte“ und dadurch sterblich wurde; das wird in der ‚Verklärung‘ auf Tabor wieder aufgehoben (Michael Kunzler, Porta Orientalis, 59). Nach der ostkirchlichen Tradition hebt Gottes Sohn im Kreuz „die Schöpfung zu sich empor, und die Kirche ist die raumzeitlich-realsymbolische Erscheinungsweise dieses Opfers Gottes, der ‚aufopfernden‘ Kommunikation Gottes mit der Welt, durch die Gott selbst die Schöpfung zu sich emporträgt. Die Kirche ist ‚der Ort und das dramatische Ereignis der neuen Schöpfung, der Erlösung, der Verklärung, der Vergöttlichung und der Verherrlichung des Menschen, der Gemeinschaft von Menschen untereinander und des ganzen sichtbaren und unsichtbaren Kosmos‘.“ „Als Gestorbener fasst er alle Wirklichkeit zusammen, Ungeschaffenes und Geschaffenes, vom Totenreich der Hölle bis zum Thron der Dreifaltigkeit. Diese Zusammenfassung allen Seins im toten Christus im Geheimnis der Höllenfahrt ist zugleich der Beginn von Ostern, wie es die byzantinische Osterikone darstellt...“ (Kunzler, Die Liturgie der Kirche, 94 und 80). Das Kreuz erscheint in dieser Zusammenschau nur als Teilaspekte eines einzigen Heilsdramas; versteht man den zentralen Begriff des ‚Opfers‘ als ‚Hinauf-tragen‘ (Ana-phora) aber wesentlich vom Kreuz her, dann ist das Kreuz die Zusammenfassung aller Heilsmysterien des Neuen Bundes in Christus.

Warum ergrimmt Jesus am Grab des toten Lazarus?

Bild: Papst Franziskus hat den 29. Juli als Gedenktag für Martha, Maria und Lazarus aus Betanien festgelegt. In dem Dorf in der Nähe von Jerusalem hat ein christlich-muslimisches Gemeinschaftsprojekt die Grabkammer des Lazarus restauriert; heute leben in dem mehrheitlich muslimischen Ort nur noch wenige christliche Familien. Schon im Jahr 333 erwähnt ein Pilger die „Krypta, wo Lazarus bestattet war, den der Herr auferweckte“. Nach der Zerstörung der ersten Kirche aus dem 4. Jh. wurde um 500 eine zweite, größere gebaut. Um 680 gab es dort „ein großes Kloster und eine große Basilika“. Im 12. Jh. wurde eine byzantinische Kirche und ein Benediktinerinnenkloster errichtet: die Abtei St. Lazarus. Die heutige Lazaruskirche stammt aus den 50er Jahren (20. Jh.). In den Freskenzyklen der antiken Kirchen wurde die Lazarus-Erweckung häufig dargestellt, in den Ikonen der orthodoxen Kirchen hat sich das bis heute erhalten. Ikone der Kirche St. Nikolaus in der Benediktinerabtei Niederaltaich bei Deggendorf.


Das siebte „Zeichen“, Höhepunkt des ersten Teils des Johannesevangeliums vor der Passion, ist die Erweckung des schon „vier Tage“ im Grab liegenden Lazarus (Joh 11,17.39). Dabei weint Jesus über den Tod des „Freundes“, ist innerlich „erregt und erschüttert“, genauer: „er ergrimmt im Geist und geriet in Erregung“ (Jerusalemer Bibel). Der Tod ist der Gegensatz zum Gott des Lebens und der „Lebenden“ (Mt 22,32), der durch die ‚Ursünde‘ in die Welt gekommen ist (Röm 5,12). „Wenn ein Mensch geboren wird, wird er schon mit dem Tod geboren, weil er von Adam die Sünde anzieht“, so Augustinus in seinem Johanneskommentar (zu Joh 11). Die Erweckung des Lazarus ist Vorspiel der Auferstehung dessen, der von sich sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“ (Joh 11,24). Die Evangelien berichten von drei Totenerweckungen, welche nach Augustinus „die Auferstehung der Seelen bedeuten und vorabbilden, die durch den Glauben geschieht“, nämlich die Erweckung der Tochter des Synagogenvorstehers noch im Haus (Mk 5,35-43), des einzigen Sohnes einer Witwe in der Stadt Nain außerhalb der Stadttore (Lk 7,11-17) sowie des schon vier Tage im Grab liegenden Lazarus. Augustinus sieht darin einer Steigerung des Totseins in der Sünde, zunächst noch bloß gedanklich und „gleichsam verborgen“ (im Haus), dann schon sichtbar als Tat (außerhalb der Tore) und schließlich manifest, wenn aus der Sünde „Gewohnheit“ geworden ist: Wer „zu sündigen gewohnt ist, ist begraben, und treffend sagt man von ihm: ‚Er riecht schon‘, denn sein sehr schlechter Ruf beginnt gleichsam einen abscheulichen Geruch zu haben. Das sind alle Gewohnheitsverbrecher, alle sittlich Verdorbenen.“ Aber Jesus ist „nicht gekommen, Gerechte zu berufen, sondern Sünder“ (Mt 9,13). Deshalb ist er ‚vom Himmel herabgestiegen‘. Wie Gottes Stimme nach dem Sündenfall Adam ruft: „Wo bist du?“ (Gen 3,9), so fragt Jesus: „Wo habt ihr ihn hingelegt? Sie antworteten ihm: Herr, komm und sieh!“ (Joh 11,34). Augustinus erklärt dazu: „Das heißt, erbarme dich. Denn der Herr sieht, wenn er sich erbarmt. (…) Er wird auch über dich ergrimmen, wenn du bereit bist, wieder lebendig zu werden.“

 

Ist Jesu Tod am Kreuz die Sühne für die Sünden der Welt?

Bild: Der Theologe Magnus Striet meint im Interview „Wenn Menschen einfach verzeihen können – warum nicht Gott?“ (Dlf, 18. Juli 2021), hinsichtlich der Deutung des Todes Jesu als Sühne herrsche im Neuen Testament eine „sehr große Uneindeutigkeit“; sie habe sich erst im 4. Jh. (Augustinus) und dann im 11. Jh. (Anselm von Canterbury) duchgesetzt. Dahinter stehe eine „lehnsherrschaftliche Logik, die überträgt man jetzt auf das Gott-Mensch-Verhältnis“. „Gott durfte den Menschen überhaupt nicht ohne ein Sühneopfer vergeben.“ Diese „Idee“ habe man bisher nicht gehabt. In Wahrheit ist der von Gott und seiner Liebe abgefallene Mensch in seinem Hochmut gar nicht zur Umkehr und Rückkehr bereit, sondern erst, wenn er „tot“ am „Boden“ liegt wie Jesus am Kreuz, wie das Gleichnis vom verlorenen Sohn zeigt (Lk 15,14-24). Beichtsuhl in St. Michael bei Kastelruth im Gebiet Schlern, Südtirol, mit der Szene von der Heimkehr des verlorenen Sohnes zum barmherzigen Vater.


Die in der lateinischen Kirche verwendete Absolutionsformel nach dem Bekenntnis der eigenen Sünden im Sakrament der Versöhnung beginnt mit dem Satz: „Gott, der barmherzige Vater, hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und den Heiligen Geist gesandt zu Vergebung der Sünden.“ Jesus stirbt als „Lamm Gottes“ zur Sühne für die „Sünde der Welt“ (Joh 1,29). „Das Blut seines Sohnes reinigt uns von aller Sünde“ (1 Joh 1,7; vgl. Hebr 1,3), und: „Er ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für die der ganzen Welt“ (1 Joh 2,2). Nach Paulus hat Gott Jesus „dazu bestimmt, Sühne zu leisten mit seinem Blut, Sühne, wirksam durch den Glauben“ (Röm 3,25). Jesus hat als „der Menschensohn die Vollmacht…, hier auf der Erde Sünden zu vergeben“ (Mk 2,10; vgl. 2,5; Lk 7,48). Dieser „Menschensohn“ ist er als der am Kreuz in seiner ‚Erniedrigung‘ von der Erde ‚Erhöhte‘ (Joh 3,14; 12,32), der den Geist ‚überliefert‘. „Wenn ich nicht fortgehe (= sterbe), wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden“ (Joh 16,7). Erst der Geist überführt die Welt und deckt auf, „was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist; Sünde, dass sie nicht an mich glauben“ (Joh 16,8f). Auch im Alten Bund vergibt Gott Sünden, besonders am großen Versöhnungstag Jom Kippur nach einer zehntägigen Reue und einem Tierblutritus. Aber dies geschieht im Hinblick auf den Neuen Bund im kostbaren Blut „des Lammes ohne Fehl und Makel“ (1 Petr 1,19). Der Gekreuzigte ist der wahre Versöhnungsort (Röm 3,24f), weil die ‚Tod-Sünde‘ als Zerstörung der „Liebe im Herzen des Menschen durch einen schweren Verstoß gegen das Gesetz Gottes“ (KKK 1855) nur durch den Glauben an Jesu Sühnetod und Auferstehung geheilt werden kann. Die Heilung des ‚verwundeten‘ (geistlich toten) Menschen verlangt eine ‚Salbung‘ als Heilmittel, die mit dem Heiligen Geist gegeben wird; aber nur durch den Glauben an den Sühnetod Jesu mit dem durchbohrten Herzen steht das in der Sünde verhärtete Herz dafür wieder offen, kann Jesus den Geist der Sündenvergebung „überliefern“ (Joh 19,30) und den Aposteln ‚einhauchen‘ (Joh 20,22f) wie dem im Paradies aus dem Staub erschaffenen Adam (Gen 2,7).

 

Ist der biblische Gott männlich und weiblich zugleich?

Bild: Das Bibelhaus in Frankfurt/Main will mit der Ausstellung „G*tt m/w/d – Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten“ den Zeitgeist bedienen und den biblischen Gott ‚weiblich‘ und ‚divers‘ präsentieren. Dafür werden Liebes- und Fruchtbarkeitsgöttinnen aufgeboten wie Astarte, Aschera, Anat, Aphrodite oder Venus, auch Demeter, deren Verehrung der biblische Monotheismus gerade ausschließt. Auch „die spätantike und mittelalterliche Diskussion, ob Adam ‚männlich und weiblich‘ sei“, wird aufgegriffen und im Sinn des Hermaphrotitismus als „Neuschöpfung“ beantwortet. So werde „G*ttes Ziel: Einheit“ durch die „Vereinigung der zwei Geschlechter in einer Person“ erreicht. Illustriert wird dieser Gedanke durch eine Holzskulptur von Gerhard Goder (Salzburg, 2014): „Conchita Wurst auf der Mondsichel“, „früher eine verbreitete Darstellung von Maria als Mutter G*ttes“.  Die Mondsichel (Luna) ist das kosmische Ursymbol des Weiblichen; Eva wird deshalb aus Adams Rippe gebaut (Gen 2,21f) und dem Mann zugeführt als makellose Braut , wie sich Gott die Schöpfung als Braut zuführt.


Das Gottesbild „weißer Mann mit Bart“ ist für viele abstoßend (so auch für den BDKJ) und für den Zeitgeist  megaout. Dafür wird das Bild der „heiligen Kümmernis“ wieder entdeckt: eine bärtige Frauengestalt am Kreuz (Bibelhaus: „Figur in Frauenkleidern“ mit Bezug auf „Conchita Wurst“ alias Tom Neuwirth im European Song Contest). Auch die Plattform „katholisch.de“ greift die Verehrung der heiligen Kümmernis als „Kuriosum der Volksfrömmigkeit“ auf (Festtag am 20. Juli). Die Heiligenlegende der Kümmernis, auch Wilgefortis (starker Wille), ist erstmals im 15. Jahrhundert in den Niederlanden verbürgt. Sie erzählt von einer tugendhaften Königstochter in Portugal (oder Sizilien) im 2. Jahrhundert, die ihr Vater mit einem heidnischen Prinzen vermählen will, worauf sie Gott bittet, sie körperlich so zu entstellen, dass kein Mann sie mehr begehrt. Weil ihr daraufhin ein Bart wächst, lässt sie ihr Vater zur Strafe kreuzigen. „Drei Tage lang, so heißt es, habe Wilgefortis noch vom Kreuz herab gepredigt und dabei viele Menschen für den christlichen Glauben gewonnen, darunter am Ende auch ihren ungnädigen Vater. Der ließ sie nun aus Buße in kostbarste Kleider hüllen und ihr eine Kapelle errichten.“ Ihr Kult verbreitete sich ab 1470 über drei Jahrhunderte in halb Europa, ausgehend von der Christus-Darstellung im Dom von Lucca (Toskana): dem lebensgroßen hölzernen Kruzifix „Volto Santo“ (Heiliges Antlitz), eine bärtige Christusgestalt mit einem weiblich anmutenden Rock. Offenbar völlig unbekannt sind dagegen Darstellungen des Gekreuzigten als neuem Adam, aus dessen Seitenwunde, dem durchbohrten Herzen, die weibliche Gestalt der Ekklesia als neue Eva entspringt (so auch in den Illustrationen der Visionen der hl. Hildegard von Bingen). Die Kirche verkörpert als „Leib Christi“ die „in Geburtswehen“ liegende Schöpfung (Röm 8,22), die durch die Passion (‚Geburtswehen‘) Christi neu geschaffen und vollendet wird, weil jetzt der ‚männliche‘ Schöpfer seiner ‚weiblichen‘ Schöpfung in ‚hochzeitlicher‘ Liebe ein- und beiwohnen kann (Joh 14,23; Eph 3,17; Offb 19,9; 21,3). Darin besteht das Ziel der Welterschaffung von Anfang an, nicht in der Aufhebung der geschaffenen Geschlechterdifferenz. Die Seite/Rippe Adams symbolisiert die Mondsichel als kosmisches Urprinzip des Weiblichen, das in der jungfräulichen Gottesmutter übernatürlich ‚überstiegen‘ wird.

 

Warum ist Gottes Regenbogen kein Ja zur Homosexualität?

Bild: Der Regenbogen mit sieben Farben (beginnend mit Violett) ist seit 60 Jahren Symbol der Peace-Bewegung. In den 70er Jahren wurde er umgestaltet mit sechs Farben (beginnend mit Rot) zum Zeichen der Homosexuellen-Community und der LGBTQI-Bewegung. Biblisch sind die sieben Farben das Zeichen des ewigen Bundes Gottes mit seiner Sieben-Tage-Schöpfung, in der die Sexualität von Mann und Frau exklusives Bild für den Bund mit Gott ist. Noah bringt mit seiner Familie (insgesamt acht Personen) nach der Rettung aus der Sintflut ein Brandopfer dar für den Gott des Bundes, Dom von Monreale, Sizilien.


Nach dem Alttestamentlicher Michael Konkel (Paderborn) ist der Regenbogen „ein Zeichen dafür, dass Gott zu seiner Schöpfung steht. Die Sintflut kommt, weil sich die Schöpfung nicht so entwickelt hat, wie Gott sich das vorgestellt hat. Er glaubt, alles wieder vernichten zu müssen. Dann macht er in sich selbst einen Herzensumsturz durch... Die Geschichte endet damit, dass Gott zu seiner Schöpfung in ihrer Freiheit steht. Er sagt Ja zu dieser Schöpfung und dazu, wie sie sich entwickelt. Dafür steht der Regenbogen. In dieser Schöpfung haben auch verschiedene sexuelle Orientierungen ihren Platz“ (Interview in: Der Dom, 2. Juli 2021). In der Bibel steht etwas ganz anderes: Der Regenbogen ist dort das Zeichen für den „Bund“ Gottes mit dem „gerechten“ Noah und seiner Familie, drei Söhne und vier Frauen, also acht Personen, die in der Arche durch die Sintflut gerettet werden (Gen 7,7) für den „Bund“ (achtmal: Gen 6,18; 9,9-17). Die Zahl acht (Noah = Nun-Cheth = 50-8) ist die Zahl der Neuschöpfung nach der Sieben-Tage-Schöpfung (50 = 7 x 7 + 1). Das Neue Testament versteht die Sintflut und die Rettung der Acht als Sinnbild der Taufe (in achteckigen Becken) auf den ‚achten Tag‘ der Auferstehung Jesu von den Toten als ‚Neuschöpfung‘ (1 Petr 3,20f; 2 Petr 2,4f; 2 Kor 5,17). Vorausbild der Taufe ist die Knabenbeschneidung am „achten Tag“ als Zeichen des „Bundes“, erstmals bei Abrahams Sohn Isaak (Gen 21,4), dem „Sohn der Verheißung“, der nicht auf „natürliche“ Weise gezeugt wird (Gal 4,28-31). Denn alles natürlich Gezeugte ist auch sterblich. Gott hat als „Freund des Lebens“ den Tod „nicht gemacht“, sondern will, dass der Mensch als „Bild Gottes“ an seinem ewigen Leben teilhat (Weish 1,13f; 2,23f; 11,26). Deshalb muss der Mensch ‚wiedergeboren‘ werden im Wasser und Geist, ‚beschnitten‘ werden an dem Organ, dass Kinder erzeugt, damit sie im „Bund“ teilhaben an Gottes Geist und Leben. Gottes Ja gilt der Schöpfung im übernatürlichen Bund, nicht der ‚natürlichen‘, in der Sünde ‚gefallenen‘ Welt. Noah ist die zehnte Generation nach Adam, Abraham die zehnte nach Noah. Der zweite Sohn Noahs, Ham, wiederholt den Sündenfall im Anschauen der unbeschnittenen Blöße des weintrunkenen Vaters; dafür wird er verflucht (Gen 9,20-25) wie die Paradies-Schlange (Gen 3,14f).

 

 

Warum zieht Mose beim Dornbusch seine Schuhe aus Leder aus?

Bild: In der Gotteserscheinung im ‚brennenden Dornbusch‘, wo Gott dem Mose seinen heiligen Namen „Ich bin (da)“ offenbart (Ex 3,14), sieht die christliche Tradition  die Fleischwerdung des Logos oder Jesu (= JHWH rettet) aus der Jungfrau Maria vorausgebildet, die auch Urbild der Taufgeburt ist. Fresko aus der Schule von Meister Leonhard von Brixen (15. Jh.) über der Eingangstür des Kirchleins St. Johann Baptist in Mellaun, St. Andrä bei Brixen.


Als der Heilige und schlechthin Andere ist Gott „verzehrendes Feuer“ (Dtn 4,24; Hebr 12,29). Als solcher offenbart er sich auf dem Sinai (Ex 19,18) und vorher schon vor Mose im brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch (Ex 3). ‚Dornbusch‘, hebr. sne, hat im Hebräischen denselben Stamm wie das Wort ‚Sinai‘ als „Ort der Einswerdung“ (F. Weinreb). Diesem heiligen Ort kann sich der Mensch nicht mit Schuhen aus Leder vom Tierfell nähern (Ex 3,5). Vielmehr muss er vom ‚Tier‘ absteigen, das ‚Tier‘ ablegen; nur so kann er leicht sein, um emporzusteigen zum Heiligen: „Denn das Heilige ist … ein verzehrendes Feuer. Wenn man ihm nahekommt und nicht weiß, dass es das Heilige ist, wird man verzehrt. Häufig kommt es in der Bibel vor, dass Menschen sagen: Das ist ein Engel, den will ich auf keinen Fall sehen. Oder Gott erscheint im brennenden Dornbusch: Komm ihm nicht zu nahe! Darin äußert sich das Wissen, dass sich nur ein vollkommen ‚leichter‘ Mensch diesem Heiligen der anderen Welt nähern kann. Und darum auch: Ziehe deine Schuhe aus. (…) Wenn man in Schuhen dasteht, bedeutet das, dass sich der Mensch noch wie in einem Zwang mit dieser Seite des Lebens, dieser Realität hier, verbunden fühlt. Er muss diese Art der Verbindung mit der Welt ablegen und darf nicht in den Schuhen, nicht auf dem ‚Tier‘ stehen. Er muss eigentlich vom Tier absteigen, um als Mensch ‚leicht‘ sein zu können“ (F. Weinreb, Der Weg durch den Tempel, 135f). Nach Joseph Ratzinger macht der Glaube „den Menschen auch leicht“. Das sei „bei den Kirchenvätern, vor allen Dingen in der Mönchstheologie, auch gut zu sehen: Glauben heißt, dass wir wie Engel werden, sagen sie. Wir können fliegen, weil wir uns selber nicht mehr schwer nehmen. Gläubig werden heißt leicht werden, aus seinem Schwergewicht, mit dem wir nach unten hängen, herauszutreten und damit in das Schweben des Glaubens hineinzukommen“ (Salz der Erde, 30). Die Taufe als ‚Ablegen‘ des gefallenen ‚alten Adam‘ mit dem Tierfell (Gen 3,21) ist das ‚Absteigen‘ vom ‚Tier‘, der animalischen Tiernatur, die im Fall zur ‚zweiten Natur‘ des Menschen geworden ist. Die Taufe ist die ‚Tür‘ in die Kirche als ‚Gemeinschaft der Heiligen‘.

 

Warum schreibt Jesus zweimal nur in den Staub der Erde?

Bild: Gottes ‚Handschrift‘ prägt seine Schöpfung,  auch ‚Wunder‘ geschehen durch den „Finger Gottes“ (Ex 8,15). In der Thora schreibt „der Finger Gottes“ zudem auf die steinernen Bundes-Tafeln mit den Zehn Geboten (Ex 31,18). Weil das äußere Gesetz wie der bloße Buchstabe ‚tötet‘ (Röm 7,5; 2 Kor 3,6), wird das Gesetz ins Innere des Herzens eingeschrieben (Röm 7,15; Hebr 10,16) und als Geist der Liebe ausgegossen (Röm 5,5). Ihn verkörpert Jesus, wenn er die beim Ehebruch ertappte Frau nicht mit der (steinernen) Härte des Gesetzes richtet, sondern sich bückt und mit dem Finger zweimal nur in den Staub der Erde schreibt (Joh 8,8); so führt er sie barmherzig auf den rechten Weg zurück (V. 11). Relief Notre Dame, Paris.


Jesus ‚hinterlässt‘ weder Geschriebenes auf Papier, noch eine Ehefrau und sterbliche Kinder; auch eine irdische Herrschaftsdynastie hat er nicht gegründet (so Dan Brown im Megaseller „Sakrileg“). Sein „verheißenes ewiges Erbe“ (Hebr 9,15) besteht vielmehr in dem in seiner Lebenshingabe am Kreuz ‚überlieferten‘ Geist (Joh 19,30), der seine Jünger „an alles erinnern (wird), was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26). Im Heiligen Geist verstanden ist das ‚Gesetz‘ kein äußerlich bleibendes Menschenwort, sondern Gottes innerlich das Herz erfüllendes Samen-Wort, das verwandelnd stirbt und so wie das in die Erde hineinfallende Weizenkorn „reiche Frucht“ bringt (Joh 12,24). Gott will dem Menschen in seiner Personmitte fruchtbar werden lassen; deshalb prüft er ihn „auf Herz und Nieren“ (Ps 7,10; 26,2; Offb 2,23) und räumt aus diesem ‚Tempel‘ des Herzens alles aus, was seiner ‚Einwohnung‘ entgegensteht (vgl. das Beispiel der ‚Tempelreinigung‘ Joh 2,13-22 und 14,23). Um der Reinheit des Herzens willen, das allein Gott schauen kann (Mt 5,8), schenkt Jesus durch Tod und Auferstehung seinen Geist-Hauch zur Vergebung der Sünden (Joh 19,30; 20,22f) und sein in der Auferstehung verklärtes Fleisch und Blut als eucharistische ‚Seelenspeise‘ und Nahrung des neuen (geistlichen) Lebens. Zudem erwählt er die zwölf Apostel und (später) ihre Nachfolger (Bischöfe) als Leiter der Kirche, das heißt des neuen universalen Bundesvolkes der geheiligten Gotteskinder aus der Geist-Wiedergeburt. So besteht das lebendige Vermächtnis seines Heilstodes in einer vierfachen ‚Hinterlassenschaft‘: Geist und Kirche, Wort und Sakrament, deren fruchtbares Zusammenwirken in Einheit den neuen geisterfüllten christlichen Kosmos der Erlösung im Zeichen des Kreuzes bildet. Nach Hebr 9,17-25 wird ein Testament „erst im Todesfall rechtskräftig und gilt nicht, solange der Erblasser noch lebt. Daher ist auch der erste Bund mit Blut in Kraft gesetzt worden“, dem „Blut des Bundes, den Gott für euch eingesetzt hat“. „Fast alles wird nach dem Gesetz [= Thora] mit Blut gereinigt, und ohne dass Blut vergossen wird, gibt es keine Vergebung.“ Während es im Alten Bund nur um „die Abbilder der himmlischen Dinge“ geht, erschließt Christus durch sein reinigendes Opfer-Blut „die himmlischen Dinge selbst“: das „nicht von Menschenhand errichtete Heiligtum“ des Himmels, „um jetzt für uns vor Gottes Angesicht zu erscheinen“, und zwar „ein für allemal“; denn „sonst hätte er viele Male seit der Erschaffung der Welt leiden müssen“ (Hebr 9,26).

 

Warum steht Jesu Herz im Zentrum des katholischen Glaubens?

Bild: Die Salesianerin und Mystikerin Margareta Maria Alacoque (1647–1690) empfing zwischen 1673 und 1675 mehrere „Visionen“ von Jesus, die ihre Jesus-Liebe intensivierten und ihre „Mission“ beflügelten, in der katholischen Kirche die Herz-Jesu-Verehrung zu fördern durch Einführung eines Herz-Jesu-Freitags (am ersten Freitag in Monat) und eines Herz-Jesu-Festes (am ersten Freitag nach der Oktav des Fronleichnamsfestes, diesmal am 11. Juni). Im Herzen Jesu schaute sie den Quellort seiner brennenden Liebe zu den Menschen, wobei die fünf Wundmale wie „fünf Sonnen“ leuchteten und flammten. Papst Pius IX. führte im August 1856 das Fest universalkirchlich ein; zum 100. Jahrestag veröffentlichte Pius XII. die Enzyklika  „Haurietis aquas“ (Voll Freude werdet ihr Wasser schöpfen aus den Quellen des Heils). Strahlenförmige Herz-Monstranz, frühere Abtei der Prämonstratenser in Bad Schussenried bei Bieberach.


„Verkäuferin mit Herz gesucht“, heißt es im Schaufenster eines Ladens. „Herz“ ist hier Symbol für Empathie, Freundlichkeit, Beherztheit. Oft steht es auch einfach für „Liebe“ in ihren unterschiedlichen Dimensionen, vor allem die Liebe von Mann und Frau. Religiös bedeutet „Herz“ die innerste Personmitte, den geistigen Personkern als entscheidenden Ort der Erkenntnis von Gut und Böse (Gewissen; Gedächtnis). So wird im Totengericht im Alten Ägypten das Herz des Verstorbenen in die Waagschale gelegt, abgewogen gegen die leichte Straußenfeder der Göttin Ma’at, Verkörperung der Weltordnung von Wahrheit und Gerechtigkeit; wenn es beschwert ist durch schwere Schuld, sinkt das Herz nach unten und wird ein Fraß des bereitstehenden Ungeheuers des Totenreichs. „Bei positivem Ergebnis wird er als Gerechtfertigter in das Gefolge des Sonnengottes aufgenommen.“ Auch für die Azteken war das Herz das Kostbarste des Menschen, das sie dem Sonnengott bei ihren Menschenopfern lebendig pulsierend und blutend anboten: Auf der Spitze der Hauptpyramide in Tenochtitlan wurde der Todgeweihte von vier Priestern an den vier Gliedmaßen festgehalten, ein fünfter Priester schnitt mit einem Messer aus Obsidian „dem Opfer nun unterhalb der Rippen die Brust auf und riss ihm das noch schlagende Herz heraus. Letzteres wurde erst ins Sonnenlicht gehalten und dann in eine sogenannten Adlerschale gelegt und verbrannt. (…) Teile des Körpers wurden anschließend in einer feierlichen Zeremonie verspeist.“ „Grundlage des Glaubens war die Vorstellung, dass sich die Götter einst selbst geopfert hatten, um Sonne, Erde und Mond überhaupt zu erschaffen. Dafür galt es nun entsprechende Dankbarkeit zu zeigen“ und so den kosmischen Kreislauf des Lebens in Gang zu halten (Daniel Sander, Brennende Herzen, in: „Spiegel“-Geschichte 2/ 2014, 94f). In den Visionen der Margareta Maria Alacoque beklagt Jesus, die Menschen hätten „nichts als Kälte und Abweisung für all meinen Eifer, ihnen Gutes zu tun. Mache deshalb wenigstens du mir die Freud, für ihre Undankbarkeit so weit Sühne zu leisten, wie du es nur vermagst.“ Das undankbare, unreine, versteinerte, liebelose Herz Gott gegenüber wieder in ein liebendes, brennendes und danksagendes (eucharistisches) Herz zu ‚verflüssigen‘, ist Ziel des Kreuzes. Denn es geht nicht ohne Reinigung und Sühneleiden, Opfer und Hingabe.

 

 

Warum beruft Jesus den Menschen zur Vollkommenheit?

Bild: Bei der Taufe Jesu im Jordan bezeugen Geist-Taube und Himmels-Stimme Messianität und Gottessohnschaft Jesu: „Du bist mein geliebter Sohn, an dem habe ich Gefallen gefunden“ (Mk 1,9-11). Mit dem Geist kommt die Salbung, die der Täufling mit der Taufe empfängt. ‚Salböl‘, hebr. schemen, 300-40-50 = 390, hat denselben Zahlenwert wie ‚Himmel‘, hebr. schamajim, 300-40-10-40, analog zu „Mann und Frau schuf er sie“, hebr. sachar unekeba, 70-20-200 6-50- 100-2-5 = 390. Wo das Männliche (Feuer) und das Weibliche (Wasser) nach der Teilung wieder „eins“ sind, da ist der Mensch vollkommen und himmlisch, „dann erfüllt sich, was im Hohenlied ausgedrückt ist mit dem Einandersuchen und Einanderfinden von Mann und Frau“ (F. Weinreb). Hausförmiges Kästchen (für Salböl) mit vier Leben-Jesu-Szenen, hier die Taufe Jesu (in der Mandorla) und Geist-Taube mit Hängevorrichtung für zwei Salbölfläschchen im Schnabel (9. Jh. Metz), Landesausstellung Mainz.


Schon Gottes Ruf an Abraham „Geh deinen Weg vor mir, und sei vollkommen“ (Gen 17,1) zeigt die Richtung: Das hebr. tamim bedeutet Vollkommenheit, Ganzheit, Unversehrtheit, Fehlerlosigkeit oder Makellosigkeit. Diese Kultfähigkeit wird durch die Beschneidung am „achten Tag“ realisiert, und zwar ausgerechnet an dem männlichen Organ, wo der sexuelle Trieb (hebr. jezer ha-min) am stärksten ist. Christlich tritt an die Stelle der Knabenbeschneidung die Taufe auf Jesu Kreuz und Auferstehung: Im Gekreuzigten „habt ihr eine Beschneidung empfangen, die man nicht mit Händen vornimmt, nämlich die Bescheidung, die Christus gegeben hat. Wer sie empfängt, sagt sich los von seinem vergänglichen Körper“ (Kol 2,11; vgl. Gal 6,12-15). Warum soll sich der Mensch von seinem Körper lossagen, wenn er diesen doch vom Schöpfer bekommen hat? Der Körper im „Paradies“ ist allerdings ein anderer als der nach dem „Sündenfall“ mit einem „Tierfell“ bekleidete (Gen 3,21), der analog ist zur umhüllenden „Vorhaut“, die bei der Beschneidung weggenommen. Ebenso wird bei der Taufe der „alte Adam“ ausgezogen, um das Lichtkleid (verklärter Körper) des „neuen Adam“ anzuziehen, „der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24). Nur „gerecht“ und „heilig“ (vollkommen) kann der Mensch Gemeinschaft mit Gott haben (Lev 19,2; Mt 5,48). Heute wird von den Kanzeln verkündet, Gott liebt den Menschen so, wie er ist, unter Berufung etwa auf Psalm 139,14: „Ich danke dir und staune, dass ich so wunderbar geschaffen bin.“ Aber der Psalmist betet auch: „Wolltest du, Gott, doch den Frevler töten!“ (V.19). „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz… Sieh her, ob ich auf dem Weg bin, der dich kränkt, und leite mich auf dem altbewährten Weg“ (V. 23f). Gott prüft den Menschen auf „Herz und Nieren“ (Ps 7,10; 17,3; 26,2; 139,23), hebr. lebab (30-2-2) und kelajoth (20-30-10-6-400), in der Summe 500, so wie „Seid fruchtbar und mehret euch“ (Gen 1,26), hebr. pru urebu, 80-20-6 6-200-2-6 = 500: die Zahl der kommenden Welt jenseits der 400 (= letzter, kreuzförmig geschriebener Buchstabe Taw). Der Körper ist für die „Auferstehung“ bestimmt, dafür, „Tempel des Heiligen Geistes“ zu sein (1 Kor 6,19). Das Herz hat es mit dem Blut, die Nieren mit dem Wasser zu tun. Jesus schenkt aus seiner geöffneten Seite „Blut“ und „Wasser“ (Joh 19,34) für den neuen, reinen Körper des Geistes nach dem Wohlgefallen Gottes (Joh 2,15-22).

 

 

Warum lebt der Mensch nicht nur von Brot und Wein?

Bild: Nach der ersten der drei „Versuchungen“ soll Jesus aus Steinen Brot und sich so zum „Brot-König“ machen (Mt 4,3; Joh 6,15). Aber: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ (V.4; Dtn 8,3). Jesus ist das fleischgewordene und damit brotgewordenen ewige Wort Gottes für das ewige Leben der Welt, die sich aber vom Wort abgewandt und der Erde zugewandt hat: „Du, Jesus, bist die Speise, die allen Söhnen Adams verwehrt ist, die, aus dem Paradies vertrieben, von der Erde zu leben suchen, die sie bebauen“ (Nikolaus von Kues). Der Mensch ist, was er isst (Ludwig Feuerbach). In Jesus erlangt er durch Essen und Trinken der Eucharistie als „Sakrament der Liebe“ (im Symbol des Weines) sein wahres Sein zurück, was am Hochfest „Fronleichnam“ (Lebendiger Leib des Herrn) gefeiert wird. Der Gekreuzigte als geistlich fruchtbarer Weinstock, Innichen (Pustertal, Südtirol).


Jesus will, dass seine Jünger in seiner Liebe „bleiben“ und so in Einheit mit ihm wahrhaft fruchtbar werden (Joh 15), so wie er in der Liebe des himmlischen Vaters bleibt und in ihm „reiche Frucht“ bringt, gerade weil er sein Leben dem Willen des Vaters gemäß am Kreuz hingibt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). Die „Erde“ ist der Ort des Sterbens und des Todes, aber auch der Verwandlung und Auferstehung in der Kraft des Heiligen Geistes, den zu bringen Jesus gekommen ist (Lk 12,49). In Gen 1–11 wird der „Himmel“ 25mal, die Erde 96mal genannt; nimmt man die fünfmalige Nennung vom „Garten Eden“ in Gen 2–3 dazu, dann entspricht das Verhältnis von Himmel und Erde (= 4. Element) ziemlich genau der Bundesstruktur 1 zu 4. Im Essen vom „Erkenntnisbaum“ (= 4) verliert der Mensch den Zugang zum himmlischen „Baum des Lebens“ (= 1); in Jesu Heilstod am „grünen Holz“ (Lk 23,31) des Kreuzes wird der gebrochene Bund wieder geschlossen und die Eins, das Wort Gottes im geistigen Verständnis, wieder zugänglich, wenn sich das Herz in der Auslegung des Wortes durch den Auferstandenen in der Feier der Eucharistie von der Erde „erhebt“ (vgl. Joh 12,32) und „Feuer“ fängt: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust…“ (Lk 24,26-32). Jesu (Opfer-)Herz brennt beständig aus Liebe für seine Kirche, die sein Geist-Wort im gläubigen Herzen aufnimmt und es so fruchtbar werden lässt in der Geburt der „Kinder Gottes“ (Taufe) in der Kraft des am Kreuz ‚überlieferten‘ Geistes. Kardinal Nikolaus von Kues (1401–1464) betet: „O guter Jesus, Du bist der Baum des Lebens im Paradies alles Entzückens. Niemand vermag mit ersehnenswertem Leben genährt zu werden, es sei denn durch Deine Frucht. (…) Jeder, der hofft, im Paradies des Entzückens die Speise des Lebens zu essen, muss den alten Menschen des Hochmuts ablegen und den neuen Menschen der Demut anziehen, der nach Dir gebildet ist. Die Natur des alten und des neuen Adam ist dieselbe. Im alten jedoch ist sie tierhaft, in Dir, dem neuen Adam, ist sie geistig, da sie in Dir, o Jesus, mit Gott vereint ist, der Geist ist. So wie jeder Mensch mittels der ihm und Dir gemeinsamen menschlichen Natur mit Dir, o Jesus, geeint ist, so muss er auch durch den einen Geist mit Dir verbunden sein, auf dass er so in der Natur, die er mit Dir gemeinsam hat, zu Gott dem Vater gelangen kann, der im Paradiese weilt“ (De visione Dei – Vom Sehen Gottes).

 

 

Warum kommt Gottes Geist in Zungen von Feuer?

Bild: An Pfingsten erfüllt Sturmesbraus „das ganze Haus“ und „Zungen wie von Feuer“ verteilen sich auf die Betenden (Apg 2,2f). „In Babel zerteilte sich die eine Sprache (Zunge) in viele Sprachen der Menschen als Beginn der Zerstreuung, an Pfingsten zerteilen sich die Feuer-Zungen im Hinblick auf die persönliche Berufung zur Einheit“ (Isa Baumer). Die ‚Welt‘ ist der Ort der Zerstreuung und Vielheit („70 Sprachen“ der „Völker“), die geisterfüllte Kirche ist dagegen der Ort der Versammlung und Einheit; sie hat ihr Vorausbild in Maria als Herz und Mitte der Kirche bei der „Verkündigung“ als ‚erstem Pfingsten‘. Konstanz, Münster, Sylvester-Kapelle.


Auf dem Offenbarungsberg des Sinai kommt Gott nach dem Auszug des Volkes aus der ‚Zerstreuung‘ in ‚Ägypten‘ in Blitz und Donner und „im Feuer“ auf den „Gipfel“ herab, so dass der Berg erbebt und erglüht wie ein „Schmelzofen“ (Ex 19,18). Gott war Mose schon im brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch erschienen, um ihm seinen heiligen „Namen“ zu offenbaren: JHWH = Sein in der 3. Person Singular Präsens oder Futur: EHJeH: Ich bin/ werde sein (Ex 3). JHWH ist in Zahlen 10-5-6-5 = 26; Mose ist die 26. Generation nach Adam. In der hebräischen Bibel kommt der Name JHWH 1820mal vor: 70 x 26 (so Rabbi Pinchas Zalman Hurwitz aus Krakau). Mit seinem Namen will Gott unter seinem Volk wohnen und gegenwärtig sein so wie in seinem „Engel“ (Ex 23,20f). Das letzte Drittel des Buches Exodus besteht darin, für Gottes Namen und „Herrlichkeit“ (Schechina) eine heilige „Wohnung“ (Mischkan) zu bauen nach himmlischem Vorbild (Ex 25,9.40; Apg 7,44) und göttlicher minutiöser Weisung (dreimal: Ex 25 – 31; 35; 36 – 40), damit Gott wirklich da ist. „Diesem stufenweisen Abstieg (Jerida) Gottes entspricht ein stufenweiser Aufstieg (Alija) des Volkes, sei es auf dem Offenbarungsberg mit seinen gefährlichen Todeszonen (Ex 19; 24,19), sei es im Mischkan, den Benno Jacob einmal glücklich als ‚wandelnde(n) Sinai‘ bezeichnet hat, mit seinen exklusiven Heiligkeitszonen. Die es bei diesem Exodus aus dem Tal [der Tränen] bis ganz oben schaffen – Propheten, Hohepriester, Älteste – erleben die Ekstase (Ex 24,10; 34,39). Nicht der exoterische Exodus des Volkes, sondern der esoterische Exodus der Erleuchteten hat später die jüdischen Philosophen und Mystiker vor allem interessiert und fasziniert…“ (Daniel Krochmalnik, Der vierfache Sinn des Exodus, in: Erbe und Auftrag 1/ 2017, 8-14). Für Christen besteht die „Erleuchtung“ in der Taufe auf den dreifaltigen Namen Gottes, der in Jesus immer bei seiner Kirche ist (Mt 28,19f). Denn er ist der neue Mose, auf den „ihr hören“ sollt (Apg 3,22; 7,37; Mt 17,5; Dtn 18,15.18). Jesus (= JHWH rettet) „wohnt“ schon im Schoß der geisterfüllten Jungfrau Maria, die dem „Engel“ geglaubt hat (Lk 1,28-33), und seit der Geistsendung ist er eucharistische im „Tabernakel“ (Zelt) in seiner vom Geist erbauten Kirche als „Haus des Lobpreises“ des Namens Gottes durch alle Völker (Ps 72,17; 135; 148) und so Gegenbild zu Babel, auch Gegenbild zu dem Israel, von dem es heißt, sie „wandten ihr Herz nach Ägypten zurück“ (Apg 7,39).

 

 

Warum befähigt die Geistsendung Jesu zur Mission der Völker?

Bild: Der Baske Francisco de Xavier (1506–1552) hat 1540 den Jesuitenorden mitbegründet; er wurde nicht nur sein erster und größter Missionar, sondern auch ein Vorreiter zeitgemäßer katholischer Mission und Wegbereiter der Mission in Ostasien. Mission begann für ihn mit der Inkulturation des Glaubens, dem Kennenlernen und Verstehen von Sprache, Religion und Riten des fremden Volkes, das er für Christus gewinnen wollte, um so den Glauben in den äußeren Formen anpassen zu können, ohne ihn synkretistisch zu verwässern. Das geschah vor allem durch die Errichtung von Schulen und das Einbeziehen von getauften Katecheten vor Ort. Ikonographisch dargestellt wird Franz Xaver mit einem brennenden Herzen und einem Kreuz in der Hand, meist beim Taufen; Jesuitenkirche St. Franz Xaver,  Luzern.


An Pfingsten betet die Kirche: „Sende aus, deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu“ (Ps 104,30; GL 312,2). Die mit dem Geist entstehende Kirche ist von Anfang an universal auf die ganze Welt bezogen. Das altchinesische Tianxia-System versteht sich nicht nur als Diesseitslehre, sondern als Theorie einer Weltordnung der Inklusion ohne „Fremde“ und „ohne Außen“. Die entscheidende Größe ist der „Himmel“, der nicht mit der „Erde“ (Gaia) oder „Natur“ gleichgesetzt werden kann (vgl. Tingyang Zhao, Alles unter dem Himmel, 5. Aufl. 2021). Denn der „Himmel“ hat einen „Willen“ als „Maßstab des Menschen“, mit dem dieser „übereinstimmen“ muss (wie im Vaterunser): „Wenn der Mensch gegen den Willen des Himmels verstößt, anders ausgedrückt, gegen die Absicht des Seins (telos of being), dann kann als Folge der vom Menschen verursachten Störung des Gleichgewichts der Natur seine Selbstvernichtung erfolgen. Das Dao des Himmels ist daher die absolute Schranke der menschlichen Existenz“ (S. 229). Alles zielt auf harmonische „Koexistenz“ als „Sein durch Werden“ (nicht bloßes Werden). Das wäre auch eine Umschreibung für das, was die Bibel den Garten „Eden“ nennt – als Vorausbild des Reiches Gottes und der universalen Kirche „im Mysterium“. Die Begrenzung der Freiheit durch die „Macht des Systems“ leistet nach Konfuzius eine dreifache Ehrfurcht: 1. vor den „Anordnungen des Himmels“, 2. vor „großen Männern“ (Heiligen, Propheten), 3. vor den „Worten der Heiligen“. „Der gemeine Mann dagegen versteht nichts von den Anordnungen des Himmels…“ (Wolfgang Kubin, Konfuzius, 34). Es ist die „Herrschaft dieses gemeinen Mannes“, die „auf eine Zerstörung der überkommenen Ordnung und auf das Unglück einer Gemeinschaft hinausläuft“ (35). Konfuzius zufolge sind „der Untergang des Ritus und die Verschlechterung der Musik die schlimmsten Verbrechen“; denn dann „hört die Ehrfurcht vor der Schöpfung auf, Maßstab zu sein, wird die Freiheit des Menschen zum Maßstab der Schöpfung, was letzten Endes zum Verlust sämtlicher Maßstäbe führt“ (Zhao, S. 238).  Das Tinaxia-System gewährleistet eine „gute Welt“, aber noch nicht ein „gutes Leben“: Sakralität soll nicht „nur einem absoluten, ewigen und vollkommenen Gott“ gehören (ebd.). Mit der pfingstlichen Geistausgießung schenkt Jesus im katholischen (universalen) Glauben „allem Fleisch“ die im Paradies-Heiligtum verlorene Sakralität zurück zum Aufbau des Reiches Gottes in der einen und heiligen Kirche („Ritus und Musik“).

 

 

Warum wirft Jesus ‚männliches‘ Feuer auf die ‚weibliche‘ Erde ?

Bild: Der Prozess der Bekehrung des Iñigo de Loyolas (1491–1556) begann vor 500 Jahren am 20. Mai 1521: Bei einer Schlacht um die Stadt Pamplona wurde das Bein des 30-jährigen Hauptmanns am Pfingstmontag so stark verwundet, dass er seine weltliche Karriere als Höfling beenden musste. Ans Bett gefesselt liest er die Viten der Heiligen wie Franziskus und wird davon immer mehr innerlich ‚gefesselt‘. Erster Höhepunkt seiner Verwandlung ist seine ‚Erleuchtung‘ am Fluss Cardoner. Seine Erfahrungen mit der ‚Unterscheidung der Geister‘ vermittelte er mit den ‚Exerzitien‘ seinem 1540 gegründeten Orden, der sich besonders dem Papst in Rom zur Verfügung stellte, woran heute zwei barocke Kirchen erinnern: die Chiesa del Gesù und Sant‘ Ignazio; Ausschnitt vom monumentalen Decken-fresko mit IHS-Signet (Jesu Name) und Jesu Wort: Ignem veni mittere in terra(m) – „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen“ (Lk 12,49).


Mit dem Herabkommen des Heiligen Geistes in ‚Feuer-Zungen‘ an Pfingsten erfüllt sich Jesu brennendster Wunsch, ‚männliches‘ Feuer auf die ‚weibliche‘ Erde zu werfen, um sie so mit dem ‚Feuerhimmel‘ (Em-pyreum) zu vermählen, ihr Antlitz wieder leuchten zu lassen als Spiegel der unvergänglichen Herrlichkeit ihres Schöpfers. Denn dem Schöpfer von Himmel und Erde als „Freund des Lebens“ (Weish 11,26) und „Gott der Lebenden“ (Mt 22,32) gereicht eine geteilte Welt unter der Herrschaft des Todes und damit des Teufels (Hebr 2,14) als „Herrschers dieser Welt“ (Joh 12,31) und „Gott dieser Weltzeit“ (2 Kor 4,4) nicht zur Ehre. Um Gottes Ehre aber geht es Jesus wesentlich; sie sucht er, während die Menschen ihre eigene Ehre suchen (Joh 5,39-44) in ihrem „eigenen Namen“ (Joh 7,18). Jesus nimmt den Tod am ‚Fluch-Holz‘ des Kreuzes auf sich, um die Erde vom ‚Fluch‘ der ‚Ursünde‘ (Gen 3) zu befreien, was das Mose gegebene Gesetz nicht konnte (Gal 3,13). Deshalb preisen die ersten Christen den „Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel“ (Eph 1,3). Seit seiner ‚Himmelfahrt‘ ist Christus im ‚Himmel‘, in der Herrlichkeit des Vaters; aber er hat die Seinen nicht als „Waisen“ zurückgelassen, sondern ihnen den Tröster-Geist und Beistand gesandt (Joh 14,16.18), ihn in die gläubigen Herzen ausgegossenen als Geist der Wahrheit und Liebe (V.17; Röm 5,5). So wirft Jesus das reinigende Feuer auf die Erde, das die Herzen bekehrt, heiligt und in Brandt setzt (Lk 24,32), die Menschen wieder gottfähig macht als gottähnliche „Kinder Gottes“ (1 Joh 3,2), die im Tun der Liebe das Gesetz erfüllen (Röm 13,10) und missionarischen Feuer-Eifer entfalten zur je größeren Ehre Gottes. Das wurde der Wahlspruch der von Ignatius  gegründeten „Gesellschaft Jesu“: Omnes ad majorem Dei gloria; es war aber auch schon der Wahlspruch Jesu selbst. Deshalb hat er sich (im Gegensatz zum Hochmut der Sünde) demütig selbst erniedrigte, war gehorsam war „bis zum Tod am Kreuz“ und wurde erhöht mit dem größten aller Namen, vor dem Himmel und Erde ihre Knie beugen und jeder Mensch bekennt: „‘Jesus Christus ist der Herr‘ – zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil 2,6-11).

 

 

Warum ist die Religion des Geistes auch eine Religion des Herzens?

Bild: Die ‚Überschattung‘ der betenden Jungfrau Maria durch den Hl. Geist bei der ‚Verkündigung‘ der Fleischwerdung des Logos durch den Engel des Herrn bedeutet: „Das Wirken des Geistes geht auch dem Christusgeschehen voraus und ermöglicht es. So wird das erste ‚Pfingsten‘ in der Verkündigung an Maria gesehen. Maria, von ‚der Kraft des Geistes überschattet‘, wurde als Theotokos, als Gottesgebärerin, Mutter des ewigen Lebens. Die Gottesmutterschaft ist jedoch nicht auf Maria beschränkt, sondern Berufung der ganzen Schöpfung“ (Marie-Louise Gubler): Santa Maria dell Angeli, Rom.


Stephanus, der Proto-Diakon der Kirche, rekapituliert in seiner großen Pfingstrede die gesamte Heilsgeschichte seit Abrahams Berufung; er endet vor dem jüdischen Hohepriester mit der entlarvenden Feststellung: „Ihr Halsstarrigen, ihr, die ihr euch mit Herz und Ohr immerzu dem Heiligen Geist widersetzt, eure Väter schon und nun auch ihr. Welchen Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Sie haben die getötet, die die Ankunft des Gerechten geweissagt haben, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden seid, ihr, die ihr durch die Anordnung von Engeln das Gesetz empfangen, es aber nicht gehalten habt“ (Apg 7,51-53; vgl. Gal 3,19). Die Thora empfängt Mose am „50. Tag“ nach Ostern (Schawuot); jetzt wird am „50. Tag“ (Pentecoste = Pfingsten) der Heilige Geist im Herzen empfangen, um das Gesetz von innen her im Tun der Liebe zu erfüllen (Röm 13,10). Das war vom Propheten Jeremia als Inhalt des „neuen Bundes“ vorhergesagt worden: „Ich lege meine Gesetze in ihr Herz und schreibe sie in ihr Inneres“ (Jer 31,33; Hebr 10,16). Das Christentum ist die Religion des Geistes und so des Herzens, denn „der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes“ und „das Innere des Menschen“ (1 Kor 2,10f). Er reinigt das in der Sünde unrein und ‚stein-hart‘ gewordene Herz und macht es wieder lebendig in der wiederhergestellten ‚Zirkulation‘ mit der oberen Welt; denn der Geist „ist die einigende Kraft, … die Welt der absteigenden Offenbarung und der aufsteigenden Antwort des Herzens“ (Alois Grillmeier, Theologia Cordis, GuL 1948, 350). Deshalb heißt es: „Mehr als alles behüte dein Herz; denn von ihm geht das Leben aus“ (Spr 4,23) – wenn es eins ist mit Gott. Origenes verweist darauf, dass für Paulus der Heiligen Geist der in die Herzen ausgegossene Geist der Liebe ist (Röm 5,5): „Gott selbst wird Liebe genannt und sein Sohn der Sohn der Liebe. Also … müssen wir als sicher annehmen, dass aus der einzigen Quelle der väterlichen Gottheit sowohl der Sohn wie der Geist stammen, und dass aus dem Überfluss dieser Gottheit der Überfluss der Liebe in die Herzen der Heiligen eingegossen wird, um sie der göttlichen Natur teilhaftig zu machen, wie es der Apostel Paulus gelehrt hat, auf dass durch diese Gabe des Heiligen Geistes das Wort des Herrn sich erfülle: ‚Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so mögen jene eins sein in uns‘, d. h. sie mögen teilhaftig werden der göttlichen Natur im Überfluss der Liebe, die ausgegossen wird durch den Heiligen Geist.“ In diesem Heiligen Geist betet der gesteinigte Stephanus wie zuvor schon Jesus: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an“  (Apg 7,60; Lk 23,34).

 

 

Warum geht der Geistsendung Christi Himmelfahrt voraus?

Bild: Die Geistsendung am „50. Tag“ nach Ostern (Pfingsten = Pentecoste) übersteigt wie der „achte Tag“ der Auferstehung (Sonntag) die Sieben-Tage-Schöpfung, die im Sabbat (‚siebter Tag‘) kulminiert; denn 50 ist 7 x 7 + 1 oder der erste Tag der ‚achten‘ Woche. Mit dem ‚achten Tag‘ oder der ‚achten Woche‘ beginnt die Neuschöpfung als Vollendung der Schöpfung. Ein Symbol des Schöpfers ist die Hand mit fünf Fingern im Verhältnis 1 (Daumen) zu 4 (Finger). Dieses Verhältnis 1 zu 4 stellt den „Bund“ dar zwischen Gott (1) und Welt (4). Es zeigt sich auch in den fünf Büchern der Thora (Genesis = 1) und im Verhältnis der ‚40 Tage‘ zu den ‚10 Tagen‘ von Himmelfahrt und Geistsendung. Die zweimal fünf Finger der zwei Hände stehen im Hintergrund der Zehn Gebote auf zwei Tafeln (5 + 5) sowie des Gottesnamens JHWH = 10-5-6-5, das heißt 10 = 5 + 5. Himmelfahrt Christi, Buchminiatur, Armenien, Museum Jerewan (Hände und Finger sind besonders groß und hervorgehoben).


Nach der Konzeption der lukanischen Apostelgeschichte gibt der auferstandene Jesus „40 Tage“ lang seinen Aposteln „Anweisungen“ und spricht über das „Reich Gottes“ (Apg 1,3) als Kern seiner Heilsbotschaft. ‚10 Tage‘ nach seiner Aufnahme in die Herrlichkeit des Himmels sendet er von dort die verheißene Kraft des Heiligen Geistes auf die im Gebet versammelten Apostel mit Maria in ihrer Mitte, damit sie „meine Zeugen sein (können) in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8f.12-14; 2,1-4.32). In der Feuerkraft des Schöpfergeistes wird die ganze Schöpfung erneuert, um das Gottesreich zu sein, wozu sie erschaffen ist. Israel wird am „50. Tag“ (Schawuot) die Schriftliche Thora als Offenbarung des Willens Gottes übergeben, am ‚40. Tag‘ empfängt sie die Mündliche Thora, das heißt die Auslegung der Thora durch die Jahrhunderte im Gottesvolk. Dem entsprechen die ‚40 Tage‘ der Unterweisung vor der ‚Himmelfahrt‘, wodurch Jesus zur ‚Rechten Gottes‘ erhöht wird, gewissermaßen als sein ‚rechte Hand‘. Als die ‚linke Hand‘ oder auch der „Finger Gottes“ erscheint der Geist, mit dem schon Jesus während seines ‚Erdenwandels‘ die Dämonen ausgetrieben und so das „Reich Gottes“ schon vorweggenommen hat (Lk 11,20). Auch Mose wirkt mit dem „Finger Gottes“ Wunder gegenüber dem Pharao als Repräsentant des Teufels (Ex 8,15). Schon die Schöpfung ist das „das Werk deiner Finger“ (Ps 8,4), erst recht die Thora mit den ‚Zehn Geboten‘ als ‚Bauplan‘ der Schöpfung in ‚zehn Worten‘: „Und Gott sprach“ (Gen 1). Die Zehn Gebote hat „der Finger Gottes geschrieben“ (Ex 31,18), also der Heilige Geist. Als die ‚Pharisäer‘ Jesus mit der ertappten Ehebrecherin eine Falle stellen wollen, indem sie ihn der Gesetzesübertretung oder der Hartherzigkeit zeihen wollen, schreibt Jesus zweimal „mit dem Finger auf die Erde“ (Joh 8,6.8). Jesu neues Gesetz der Liebe ist nicht auf äußere Tafeln aus Stein geschrieben, sondern ins Innere, in die Herzen aus Fleisch (Jer 31,33; Hebr 10,16; vgl. 2 Kor 3,3). „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). So kann im vom Geist bestimmten Leben das Gesetz von innen erfüllt werden (Röm 13,10). Jesus verurteilt die Sünde, nicht die Sünderin (Jo 8,10f).

 

 

Warum sind die Charismen des Geistes verschieden vom Amt?

Bild: Amt und Charisma stehen biblisch nicht in Konkurrenz, wie die liberale protestantische Erforschung der Kirchengeschichte gern behauptet (vgl. Klaus Berger, Geist Gottes, 2017, 121-126). „Hinsichtlich der Herstellung von Ordnung besteht die Gemeinde keineswegs aus lauter Gleichberechtigten … Zwischen dem Amt des Apostels und dem Charisma der anderen Geistträger kann kein Widerspruch bestehen“ (125), beide stammen „aus derselben Quelle“ (126). Die Regel ist: „Wenn die Gemeinde sich nicht mehr im Ganzen als missionarisch versteht, richten sich die Begabungen gegeneinander“ (124). Maria hat als Inbegriff aller Heiligkeit die Fülle der Gnadengaben und Tugenden des Geistes, aber keine amtliche Sendung. Verkündigung, Porto, S. Franziscus.


Zum Reformationsgedenken 2017 stellte die Wochenzeitschrift „Christ in der Gegenwart“ neun Thesen auf, „wie sich der christliche Glaube erneuern kann“. Gefordert wurde unter dem Stichwort ‚Demokratisierung‘ eine Öffnung aller kirchlichen Ämter für Frauen: Kirchenleitungen meinten „immer noch, auf die Charismen [!] der Hälfte der Menschheit [!] in wichtigen Ämtern verzichten zu können“. Verlangt wurde auch die prinzipielle ökumenische Öffnung aller Kirchen und Gemeinden füreinander sowie eine Betonung der Gemeinsamkeit aller Religionen gegen „das triviale Konkurrenzdenken zwischen den Religionen“, denn „die religiöse Vielfalt (kann) nur gottgewollt sein“. Nach Albert dem Großen (13. Jh.) kennt die durch den Heiligen Geist bewirkte „Heiligkeit der Kirche … keinen Verfall, auch wenn es zuweilen Versagen bei einzelnen Personen gibt. Darum bekennen wir: ‚die heilige Kirche‘. (…) Das ist die Heiligung der Kirche, die Eingießung der Heiligkeit in den Sakramenten, den Tugenden, den (Sieben) Gaben zur Vollendung der Heiligkeit, und schließlich in den Charismen des Wunderwirkens und anderer ‚umsonst gegebenen Gnaden‘ (gratiae gratis datae): Weisheit, Wissen, Glaubenskraft, Unterscheidung der Geister, Heilungsgabe, prophetische Begnadung, und all dessen, was der Heilige Geist gibt, um die Heiligkeit der Kirche zu erweisen“ (Über die Eucharistie, 2017, 97f). Alle Getauften mit der gleichen Würde der Gotteskindschaft haben ihre jeweiligen Charismen (1 Kor 12,8-10) zum Aufbau des einen Gottesreichs der Liebe oder des Gotteshauses der Freiheit. „Die Charismen sind verschieden, aber alle, die sie besitzen, bilden zusammen eine einzige Jungfrau“, das heißt die Kirche (Augustinus, Kommentar zum Johannesevangelium, ²2019, 87). Der Kirche als Leib Christi steht Christus als Haupt gegenüber, dem Haus der Hausherr, den vielen Charismen das eine dreistufige Amt: das Einheit stiftende Prinzip. Das Amt ist auch kein Recht, weshalb Frauen nicht diskriminiert werden. Priester repräsentieren Christus als Haupt der Kirche (Kol 1,18), alle Getauften seinen Leib (1 Kor 12,12-31) und das Gotteshaus (1 Kor 3,9). Religionen bekennen zwar alle das Göttliche, aber im Islam wird die Vielehe praktiziert, was christlich dem Willen Gottes widerspricht (Mt 19,4-8). Muslime sehen im Kult des Gekreuzigten „Leidensvergötterung“, „Gotteslästerung“, ja „Götzendienst“ (Navid Kermani, Ungläubiges Staunen, ²2015, 50); christlich ist das Kreuzesopfer Hochform des Gottesdienstes.

 

Warum ist Maria die heldenhafte Schlangenzertreterin?

Bild: Im Marienmonat Mai werden viele Marienlieder gesungen, darunter auch „Die Schönste von allen“, 1927 aufgezeichnet von dem lothringischen Priester, Volksliedsammler und Volkskundler Louis Pink. In der 2. Strophe wird Maria als heldenhafte Schlangenzertreterin besungen: „Ihr Haupt ist gezieret mit goldener Kron,/ das Zepter sie führet am himmlischen Thron;/ ein sehr starke Heldin, mit englischem [= engelhaftem] Schritt/ der höllischen Schlange den Kopf sie zertritt“ (GL 889, Eigenteil Freiburg/ Rottenburg-Stuttgart). Für die heutige Exegese ist die Schlange ein gewöhnliches Geschöpf Gottes; sie hat damit jedes Verständnis für die Tiefendimension der biblischen Heilsbotschaft und des Glaubens verloren. Maria Immaculata mit Jesuskind und vertikalem Kreuzstab der ‚horizontalen‘ Schlange (Weltkugel)den Kopf zertretend, Markplatz Wangen im Allgäu. Papst Benedikt XV. benannte Maria offiziell als Schutzfrau Bayerns. 1917 wurde das Fest der Patrona Bavariae erstmals in bayerischen Diözesen begangen.


In der Bulle „Ineffabilis Deus“ von Pius IX. vom 8. Dez. 1854 zur Dogmatisierung der „Unbefleckten Empfängnis“ (Erbsündenfreiheit) Mariens heißt es mit Bezug auf das Proto-Evangelium von der „Feindschaft“ zwischen dem „Samen“ der Schlange und der Frau (Gen 3,15): Während Eva durch den Fall zur „Sklavin der Schlange“ geworden ist, hat Maria als neue Eva „das giftige Haupt der grausamen Schlange zertreten und der Welt das Heil gebracht“. Die machtvolle Schlange ist nicht weniger als die vergängliche „Welt und ihre Begierde“ des Fleisches (1 Joh 2,15-17), die sich heute nicht zuletzt in der milliardenschweren Porno-Industrie und ‚schwarzen‘ SM-Studios mit bizarren perversen Sexualpraktiken austobt, wo man auch vor der ‚Fixierung‘ des ‚Sklaven‘ am ‚Kreuz‘ zur sexuellen Lustmaximierung nicht zurückschreckt. Die Taufe des Glaubens als ‚Mitgekreuzigtwerden‘ mit Christus, „damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet werde und wir nicht Sklaven der Sünde bleiben“ (Röm 6,6), befreit von der ‚Erbsünde‘ und schenkt mit der Gnade den „Sieg“ über die „Welt“ (1 Joh 5,4f) – im Widersagen wider den Satan und „den Verlockungen des Bösen“ (GL 573,8), der „die Gewalt über den Tod hat“ (Hebr 2,14). Marias Glaube bei der Fleischwerdung des Wortes hat sie mit Christus für immer vereint. So erscheint sie auch immer wieder einfachen Menschen, um sie an die Grundlagen des Glaubens zu erinnern, so im Jahr 1531 in Mexiko viermal vor dem Nahuatl-Indigenen Juan Diego sechs Jahre nach dessen Taufe (2002 hat ihn Johannes Paul II. heiliggesprochen). „Maria, die Mutter aller Menschen“, bekleidet als himmlische Gestalt mit einem Sternenmantel und zugleich als demütiges Mädchen mit gefalteten Händen auf einer schwarzen Mondsichel, von goldenen Sonnenstrahlen umhüllt, spricht den 57-Jährigen direkt in seiner eigenen Sprache an, der Lingua franca des Azteken-Reiches, und zwar in den vier Tagen unmittelbar nach dem Festtag der Unbefleckten Empfängnis Mariens (8. Dezember) auf dem Hügel, wo die aztekische Erdmutter-Göttin Coatlicue („Die mit dem Schlangenrock“) verehrt wurde. Der Name Guadalupe geht wohl auf den Ausdruck ‚Coatlaxopeuh‘ in der Nahuatl-Sprache zurück und bedeutet Schlangenzertreterin („Ich habe die Schlange zertreten“). Die Erscheinung der Maria von Guadalupe war entscheidend zur Inkulturation des Glaubens in ganz Lateinamerika.