Übersicht:
„Der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück kritisiert das katholische Reformprojekt Synodaler Weg in Deutschland. Die Verantwortlichen wollten demokratische Strukturen durchsetzen, die nicht mit der Verfasstheit der katholischen Kirche vereinbar seien, schreibt Tück in der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘ [vom 12. Nov. 21]. Das angestrebte Konstrukt eines Synodalen Rats als Leitungsgremium zum Beispiel, das paritätisch aus Bischöfen und Laien besetzt sein solle, komme ‚einem kühnen Umbau der Kirchenverfassung gleich‘. Ein solches ‚ständiges Sekretariat‘ blähe zudem den kirchlichen Apparat weiter auf und ‚verschlinge beträchtliche Finanzmittel bei sinkenden Kirchensteuereinnahmen‘. Darüber hinaus stellten sich praktische Fragen, ergänzte der Theologe: ‚Nach welchen Kriterien wird Laien quasi bischöfliche Leitungsautorität übertragen? Wer trifft die Auswahl, wer in ein solches (...) Mischgremium berufen wird? Was ist die theologische Legitimität?‘ Tück befürchtet durch die Schaffung eines Synodalen Rats, ‚der die Bischöfe zu Gefangenen synodaler Mehrheitsvoten machen könnte‘, eine Schwächung der kirchlichen Verfassung, in der Bischöfe eine entscheidende Rolle spielen. Ein Synodaler Rat schmälere die Bedeutung der Bischofskonferenz als vermittelnde Größe zwischen Ortskirchen und Weltkirche. Deutsche Bischöfe könnten als Mitglieder des weltweiten Bischofskollegiums in Konfliktlagen geraten, wenn der Synodale Rat als eine Art Gegenlehramt auftrete, das gezielt von universalkirchlichen Vorgaben abweiche.
Der Wiener Theologe sieht in den Plänen des Synodalen Wegs einen Umbau der Struktur der katholischen Kirche. Diese solle den Standards demokratischer Rechtskultur angeglichen werden. (…) Tück attestiert dem Synodalen Weg darüber hinaus eine ‚Halbierung des Reformbegriffs auf Macht- und Strukturfragen‘. Stattdessen hätte dem Thema Evangelisierung und ‚kreativen Maßnahmen gegen die andauernde Versteppung des Glaubens‘ mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden müssen. Die Einsetzung eines Synodalen Rates werde keine Lösung bringen. Das zeige ein Blick auf die evangelische Kirche, die trotz entsprechender Reformen mit Erosionsprozessen konfrontiert sei.“
Kirche und Leben, Kirchenzeitung Münster (12. Nov. 2021)
„Der Publizist und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad sieht in der Zulassung des Muezzinrufs in Köln die verfassungswidrige Bevorzugung einer Minderheit und einen weiteren Schritt auf dem Weg zu mehr Einfluss des Islam. ‚Jeder Muslim darf beten, fasten und nach Mekka pilgern, wie er das möchte. Aber warum sollen einige Menschen das Recht bekommen, per Lautsprecher ihre Stadtviertel zu beschallen?‘, sagte Hamed Abdel-Samad der „Welt“ am Freitag [15.10.21] im Interview. Das habe weder mit Vielfalt noch mit Glaubensfreiheit zu tun, so der Politikwissenschaftler. ‚Atheisten, Hindus und Veganer dürfen das nicht. Nur die Minderheit der Muslime darf jetzt an 35 Orten in Köln jeden Freitag fünf Minuten ihre Ideologie herausposaunen.‘ Ihn störe diese Bevorzugung, die aus seiner Sicht verfassungswidrig sei, da niemand aufgrund seiner Religion privilegiert werden dürfe. Der Muezzinruf sei nicht vergleichbar mit dem Läuten der Kirchenglocken. ‚Die Glocken nerven manchmal auch, machen aber keine Propaganda wie der Muezzinruf. Über die Glocken wird keine Ideologie verkündet.
Aber wenn der Muezzin den Schlachtruf Allahu Akbar ruft, also >Allah ist größer als alle Religionen, alle Feinde, alle Menschen, und Mohammed ist sein Gesandter<, ist das eine klare Ansage an den Rest der Gesellschaft‘, so Abdel-Samad. (…)Der Staat müsse neutral sein. ‚Seine Aufgabe ist zu garantieren, dass jeder glauben und beten darf, was er will, und zu garantieren, dass ihn niemand daran hindert. Er muss nicht befördern, dass einige Muslime ihre Vorstellungen überall in Institutionen und im öffentlichen Raum zur Schau stellen dürfen.‘“
Bevorzugung einer Minderheit, KNA (Domradio Köln, 15. Okt. 2021)
„Mit der Legalisierung der ‚homosexuellen Ehe‘ in 16 Staaten Europas hat das Thema Ehe und Familie eine neue Dimension angenommen, an der man nicht vorbeigehen kann. Es zeigt sich eine Verbildung des Gewissens, die offenbar tief in die Kreise des katholischen Volkes hineinreicht. (…) Zunächst scheint es mir wichtig festzustellen, dass der Begriff einer ‚homosexuellen Ehe‘ im Widerspruch zu allen bisherigen Kulturen der Menschheit steht, also eine kulturelle Revolution bedeutet, die sich der gesamten bisherigen Tradition der Menschheit entgegensetzt. (…) Die Grundgewissheit, dass der Mensch als Mann und Frau existiert, dass die Weitergabe des Lebens dem Menschen aufgegeben ist und dass eben die Gemeinschaft von Mann und Frau dieser Aufgabe dient und dass darin wesentlich über alle Unterschiede hinweg die Ehe besteht, ist eine Urgewissheit, die in der Menschheit bis heute als Selbstverständlichkeit existiert.
Eine grundlegende Erschütterung dieser menschlichen Urgewissheit ist eingeleitet worden, als durch die Pille die Trennung von Fruchtbarkeit und Sexualität zu einer grundsätzlichen Möglichkeit geworden ist. (…) Die Ökologische Bewegung hat die Grenze der Machbarkeit entdeckt und erkannt, dass die ‚Natur‘ uns ein Maß vorgibt, das wir nicht ungestraft ignorieren können. Leider ist die ‚Ökologie des Menschen‘ noch immer nicht konkret geworden. Auch der Mensch hat eine ‚Natur‘, die ihm vorgegeben ist und deren Vergewaltigung oder Verneinung zur Selbstzerstörung führt. Gerade darum geht es auch im Fall der Schöpfung des Menschen als Mann und Frau, die im Postulat der ‚homosexuellen Ehe‘ ignoriert wird.“
Papst em. Benedikt XVI., Von der Unverfügbarkeit und Würde des Menschen (vgl. DT 30. Sept. 2021)
„Alle Dinge sind von Gott geschaffen. Alles, was ist, ist in seiner Existenz völlig vom Schöpfer abhängig: egal ob Stein, Tier oder Mensch. Kein Geschöpf kann dieser Beziehung zum Schöpfer entfliehen. Würde sich ein Geschöpf dieser Beziehung zum Schöpfer entziehen, es müsste sofort im Nichts versinken. In diesem Sinn sind alle Kreaturen in Gottes Hand. Wie Augustinus sagt: tu es omnitenens manu veritate. ‚Du hältst alles mit deiner Hand, die die Wahrheit ist‘ (Conf. VII, 15,21). Über diese unentrinnbare Beziehung der Kreatur zu ihrem Schöpfer hinaus wollte Gott zu uns eine Beziehung anderer, höherer Art. Eine Beziehung, die nicht auf Notwendigkeit, sondern auf Freiheit, auf Freundschaft und Liebe beruhen sollte. Eine solche Beziehung konnte uns Gott nicht einfach ‚anerschaffen‘, sie musste sich zwischen uns in Freiheit geschichtlich entwickeln. Das musste Gott in einer bestimmten Weise, die mit Freiheit und Geschichte zu tun hat, beginnen.“
Dieter Böhler SJ, Das Blut des Bundes, vergossen für viele (2020)
„Die Geliebte [im alttestamentlichen Hohelied] wird über die Erde erhoben und in eine himmlisch-göttliche Aura getaucht. (…) Sie ist eine wahre Himmelskönigin (regina coeli). Die katholische Marienfrömmigkeit greift diese Motive auf. Das Marienlied: ‚Sagt an, wer ist doch diese’ (neues ‚Gotteslob’ Nr. 531) kombiniert den Hochzeitszug von Hld 3,6-11 mit der Himmelskönigin aus Hld 6,10 und liest beide Texte im Lichte von Offb 12,1: (…) ‚Du strahlst im Glanz der Sonne, Maria, hell und rein; von deinem lieben Sohne kommt all das Leuchten dein’.“
Ludger Schwienhorst-Schönberger, Wie die Morgenröte, in: Christ in der Gegenwart 4/2014, 43 (am 22. August feiert die Kirche das Fest Maria Königin)
Nach dem hl. Bonaventura, geb. 1221 (oder 1217) vor 800 Jahren, verliert der Mensch „die Beschauung … durch die Schuld [Adams], gewinnt sie aber wieder durch die Gnade, durch den Glauben und das Verständnis der Hl. Schrift. Denn eben dadurch wird der Geist des Menschen gereinigt, erleuchtet und vervollkommnet, um das Himmlische zu schauen (contemplari). Doch bevor der gefallene Mensch dorthin gelangen kann, muss er zuerst seinen Schwächen und seiner eigenen Finsternis innewerden, das heißt: er muss sein Augenmerk auf den Fall der menschlichen Natur richten.“
Bonaventura, Breviloquium, Teil II.11: Die Erschaffung des Menschen als leib-geistiges Wesen, 111; 115.